Die Hoffnung der Beschäftigten der insolventen SAM war 2019 groß als der chinesische Investor Fuyao, ein Glashersteller aus Fuqing, den Betrieb übernahm und in Fysam umbenannte. Den Beschäftigten des für alle namhaften Autobauer produzierenden Zierleistenherstellers, einem der größten und wichtigsten Unternehmen in Steinheim auf der schwäbischen Alb, wurden anfangs große Versprechungen gemacht: der Betrieb werde zukunftssicher gemacht, die Löhne würden steigen, die Arbeitsverhältnisse sich bessern. Nichts dergleichen geschah – im Gegenteil. Darum startet die IG Metall Göppingen-Geislingen nun eine große Protestaktion am 30.09.2021 in Steinheim um den Forderungen der Mitarbeiter nach höheren Löhnen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsverhältnisse Nachdruck zu verleihen und fordert die Geschäftsleitung zu Verhandlungen auf, andernfalls weitere Aktionen folgen werden.
Etliche Beschäftigte, vor allem die unter besonders schweren Bedingungen arbeitenden Produktionsmitarbeiter etwa in der Zierleistenschleiferei, bekommen aufgrund der schlechten Entgeltentwicklung kaum mehr als den Mindestlohn; viele sind gezwungen regelmäßig samstags oder an Feiertagen zu arbeiten, um überhaupt über die Runden zu kommen. Erschwerend hinzu kommt, dass es zu der im Juni gestarteten Tarifrunde keine Einigung gibt. „Statt einer Weiterentwicklung bei den Entgelten, beim Urlaubs- und beim Weihnachtsgeld den Weg zu bereiten, hat die Geschäftsleitung kurzerhand das Urlaubsgeld gestrichen und droht auch schon mit der Streichung des Weihnachtsgeldes“, so Martin Purschke, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Göppingen-Geislingen.
Es fehlt außerdem an Sozialräumen, an essentiellen Arbeitsschutzmaßnahmen wie Absaugungen oder Schutz vor Hitze und Kälte, und selbst an Kleinigkeiten wie Toilettenpapier oder Desinfektionsmittel, klagen die Beschäftigten.
Gleichzeitig werden diesbezügliche Beschwerden des Betriebsrats kleingeredet oder schlichtweg ignoriert. Alexander Bechtle, Betriebsratsvorsitzender bei Fysam, berichtet etwa über eklatante Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz. Vor allem chinesische Mitarbeiter – inzwischen mehr als 100 – würden 7 Tage die Woche und zum Teil über 10 Stunden täglich in der Produktion eingesetzt. Ob diese Mitarbeiter überhaupt über einen Arbeitsvertrag verfügen, sei unklar. „Fysam beschäftigt immer mehr Menschen ohne Wissen oder Zustimmung des Betriebsrats“, so Bechtle.
„Woran es vor allem fehlt, und was die Beschäftigten am meisten verunsichert, ist eine klare Zukunftsperspektive. Weder die Geschäftsleitung noch der Investor machen verbindliche Ansagen“, so Bechtle weiter.
Von den ehemals über 2000 Beschäftigten sind zwischenzeitlich noch knapp 1100 in den 5 Werken von Fysam beschäftigt. Davon etliche Leiharbeiter und Werksvertragsbeschäftigte. Die Enttäuschung über die ausbeuterischen Verhältnisse ist inzwischen so groß, dass immer mehr langjährige und erfahrene Mitarbeiter den Betrieb verlassen oder über Aufhebungsverträge hinausgedrängt und durch chinesische Mitarbeiter ersetzt werden.
PM IG Metall Göppingen – Geislingen