Waren mit den Verhandlungsgesprächen am 24. September 2020 noch beide Parteien der Meinung, dass man sich gemeinsam in Richtung Tarifergebnis bewegt, so hat die Arbeitgeberseite in weiteren Gesprächen, als auch abschließend mit einem Schreiben an ver.di vom 22. Oktober 2020, nun alles wieder infrage gestellt.
„Wir sind irritiert über die neue Kehrtwende der Gegenseite. Uns wurden nun zum Teil ganz neue Bedingungen zum weiteren Verlauf der Gesprächsinhalte übersandt, die die grundsätzlich bisher geeinten Aspekte wieder verschlechtern. Zudem sind auch neue Forderungspunkte der Gegenseite auf dem Tisch. Insgesamt haben wir den Eindruck, dass die Arbeitgeber die Tarifeinigung weiter verzögern wollen und einfach auf Zeit spielen. Die Hinhalte-Taktik erleben wir seit Anbeginn der Verhandlungsgespräche“, so Yvonne Baumann, ver.di Verhandlungsführerin.
Die Verhandlungen zwischen der Liebenau Leben im Alter gGmbH (LiLA) und ver.di laufen seit Ende 2019. Zwischenzeitlich fanden zudem zwei Spitzengespräche zwischen der Stiftung Liebenau, dem Mutterkonzern der LiLA und ver.di statt, um sich beiderseitig im Grundsatz zu einigen.
„In den Gesprächen mit dem Stiftungsvorstand, im Besondern mit Herrn Prälat Brock, haben beide Seiten Mindestbedingungen formuliert und es wurden Kompromisse erzielt. Dass nun in den weiteren Verhandlungen diese Punkte zum Teil wieder revidiert werden mit dem Satz‚ „so hatten wir es nicht verstanden“, schlägt dem Fass den Boden aus. Wenn wir den Worten eines Kirchenmannes nicht mehr glauben dürfen, dann stehen die weiteren Verhandlungen unter einem wirklich schlechten Stern“, so Baumann.
Nach Beratung der neuen Situation in der ver.di-Tarifkommission erachten die Mitglieder die neue Haltung der Arbeitgeber als unvernünftig und respektlos. Denn gerade in Corona-Zeiten sollten alle Beteiligten vernünftig agieren, um im Besonderen in der Sozial- und Gesundheitsbranche keinen unnötigen Streit zu entfachen.
„Wahrscheinlich setzt die Gegenseite gerade wegen Corona und den Beschränkungen nun auf dieses Spielchen. Sie glauben vermutlich, dass in diesen Zeiten Beschäftigte ihr Recht und ihren attestierten Anspruch auf Aufwertung nicht wahrnehmen werden“, so Baumann und weiter „Wir erwarten vom Arbeitgeber, dass er sich an Absprachen hält. Dass er seine Haltung grundlegend überdenkt und gemäß den bisherigen Vereinbarungen verhandlungsbereit ist. Wir akzeptieren die Hinhalte-Taktik nicht länger und fordern den Arbeitgeber zu einem zügigen Abschluss der Tarifverhandlungen auf.“
Die Gespräche sollen vorerst am 03. November fortgesetzt werden.
Die Liebenau Leben im Alter gGmbH (LiLA) wurde gegründet, um mit schlechteren Arbeitsbedingungen und Vergütungen, als den sonst in der Stiftung Liebenau auf die Beschäftigungsverhältnisse angewendeten Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR Caritas), stationäre Pflege anbieten zu können.
In den 20 Altenpflege-Einrichtungen der LiLA wird seit Jahren weit unter Niveau, das sonst in der Stiftung üblich ist, bezahlt. Die Arbeitszeit ist für alle Beschäftigten – mit 40 Stunden in der Woche – eine Stunde länger.
Ermöglicht wurde diese – dem Kirchenrecht eigentlich widersprechende – Regelung jahrelang durch eine Ausnahmegenehmigung des Bischof Gebhard Fürst (Bistum Rottenburg-Stuttgart), die aber ab 2019 nicht mehr erteilt wurde. Daraufhin wurde die LiLA von den Betreibern in weltliches Arbeitsrecht überführt.
PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg