Sonntagsgedanken zum Neuen Jahr

„Es ist, wie es ist“

so hört man es bei uns öfters. Es hört sich so an, als wäre es einfach, die Realität und das, was einem zustößt, anzunehmen. Doch eigentlich spüre ich dabei oft die innere Empörung darüber, dass einem viel zugemutet wird und Menschen das Gefühl haben daran nichts ändern zu können.

Von einer Reise habe ich einen Segenswunsch der Beduinen vom Sinai mitgebracht und möchte diesen der Feststellung „Es ist, wie es ist“ an die Seite stellen:

Möge dein Herz weiß sein und mögest du in deinem Herzen wohnen.                       

Mögest du das Leben nehmen, wie es kommt, dass du in Frieden in deinem Herzen wohnst.

Da ist zuerst der Wunsch, dass das Herz weiß sei.  Das bedeutet, dass das Herz blank sein soll: unbelastet von Schuld und schlechtem Gewissen, aber auch von bösen Erinnerungen, die einen quälen. Dann kann der Mensch in seinem Herzen wohnen. Kann zu sich selbst kommen und bei sich selbst zuhause sein. Es ist wohltuend, wenn ein Mensch bei sich zu Hause ist und im Einklang mit seinem Denken, Sprechen und Tun. Dann geht auch ein wärmendes Gefühl für die anderen von ihm aus, das Gefühl von Beheimatung findet Raum.

Diese Beheimatung in sich zu finden ist nicht einfach. Oftmals wird das Gefühl bei sich zu sein, erschüttert, man hat dann das Gefühl, neben sich zu stehen oder völlig außer sich zu sein, sich selbst fremd geworden. Vielleicht auch deshalb, weil die weltweiten Erschütterungen unsere Überzeugungen und unseren Glauben in Frage stellen. Die Krise hat auch viele von uns in diesem Jahr erfasst: getroffen durch eine Trennung oder gar den Tod eines Menschen, mit dem man innig verbunden gewesen ist. Vielleicht aber auch durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Drohung bisherige Sicherheiten zu verlieren.

Da gerät man schnell außer sich, verliert die Fassung, verliert das Gefühl beheimatet zu sein und fühlt sich fremd. In tiefer Trauer kann es sich anfühlen, als ob man einen Tag nach dem anderen überleben müsste, nichts ist mehr selbstverständlich.

Der Segenswunsch beinhaltet den Wunsch, dass man dies annimmt und trotz allem immer wieder zum Frieden des Herzens zurückfindet.

Wir sind gewohnt, unser Leben zu planen und zielstrebig zu gestalten. Zum Glück führt dies oft zum Erfolg und wir dürfen ihn genießen. Aber diese Erfahrung ist nicht selbstverständlich, unser Leben ist nicht berechenbar, sondern bleibt offen für unerwartetes Glück wie Unglück und wird immer wieder von Brüchen durchzogen. Trotzdem in seinem Herzen beheimatet zu bleiben und Frieden in einem umfassenden Sinn zu finden, meint, beschützt zu sein, Heil und Heilung zu erfahren und eben darin zu wachsen.

„Es ist, wie es ist“ – es ist kein Einverständnis, aber ein Innehalten und Prüfen, was man wollte und was möglich ist, die Fähigkeit anzunehmen, was nicht gelang und nicht gering zu schätzen, was gelang. Zu Hause sein, bei sich, aber mit offenen Türen. Hinausgehen ist ein Teil davon. Heimkehren auch.  „Denn es ist gut, dass Euer Herz durch Gnade gefestigt wird“ heißt es in einem Bibelwort (Hebräer 13,9) Das ist mein Wunsch für uns alle zum Übergang in ein neues Jahr!

Pfarrerin Dorothee Schieber, Bartenbach

 

 

 

 

 

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/filstalexpress/200376/sonntagsgedanken-zum-neuen-jahr/

Schreibe einen Kommentar