Die nationale und internationale Biogasbranche trifft sich in diesen Tagen in Nürnberg auf der BIOGAS Convention & Trade Fair zur größten reinen Biogas-Veranstaltung der Welt. Rund 250 Aussteller präsentieren ihre Produkte und Dienstleistungen; bei den Besucherzahlen erwartet der Fachverband Biogas mindestens Vor-Corona-Niveau.
„Wir können mit unseren Anlagen einen wesentlichen Teil der von der Bundesregierung in der Kraftwerksstrategie vorgesehenen gesicherten Leistung liefern – und zwar schneller und zu günstigeren Preisen als die mit LNG oder Wasserstoff betriebenen Großkraftwerke“, versichert Horst Seide, Präsident des Fachverband Biogas e.V., auf der heutigen Pressekonferenz im Rahmen der BIOGAS Convention & Trade Fair. Diese Leistung müsse nur bestellt werden. „Wenn keine Bestellung eingeht, werde das Gegenteil geschehen und viele Betreiber, die demnächst nach 20 Jahren aus dem EEG fallen, werden ihre gut funktionierenden Anlagen stilllegen und keine neuen dazukommen“, warnt Seide.
Wie konkret diese Gefahr ist, haben in der letzten Woche die Ergebnisse der neuesten Biomasseausschreibung gezeigt: Nur 270 der 892 Gebote haben einen Zuschlag bekommen. Das heißt im Umkehrschluss, dass über 600 Betreiber keine Anschlussregelung für Ihre Anlagen haben. Und dass, obwohl die Nachfrage nach klimafreundlicher, heimischer und preiswerter Energie aus Biogas steigt – sowohl im Stromsektor als auch bei der Wärme und der Mobilität. „Statt Perspektiven zu schaffen, werden uns immer neue Steine in den Weg gelegt“, beklagt Seide – auch mit Blick auf fehlende politische Unterstützung für seine Branche.
Besonders unverständlich ist für den Verbandspräsidenten dabei die Diskrepanz zwischen dem europäischen und dem deutschen Weg. Während die Europäische Union mit ihrem RePowerEU-Plan eine Verdoppelung der Biogasproduktion bis 2030 anstrebt – von heute 18 auf 35 Mrd. Kubikmeter – stagniert hierzulande der Ausbau. Ausgerechnet im Mutterland der Biogasnutzung.
Aktuell ist Deutschland mit knapp 50% der größte Biogas-Produzent innerhalb der EU. Doch der Anteil sinkt kontinuierlich, da in vielen anderen EU-Ländern ein reger Anlagenzubau stattfindet. Dabei ist Biogas „Made in Germany“ weltweit gefragt. Erst letzten Monat kam es auf Anfrage des indischen Minister of Petroleum & Natural Gas zu einem Round Table Gespräch zwischen der Minister-Delegation, dem Fachverband Biogas und Vertretern deutscher Biogasfirmen – inklusive Einladung zu einer Delegiertenreise nach Indien.
Die Bedeutung von Biogas für den Strommarkt betont auch Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), im Rahmen der Pressekonferenz: „Das speicherbare Biogas ist für die sichere Energieversorgung auf Basis heimischer Erneuerbarer Energien als Flexibilitätsoption unerlässlich.“ Das habe der BEE schon vor zwei Jahren in seiner Strommarktdesign-Studie gezeigt und damit eine neue moderne Rolle für die Bioenergie gefordert. Statt teure Wasserstoff-ready-Großgaskraftwerke mit ungewisser Zukunft und Wirtschaftlichkeit zu errichten, könnten Biogasanlagen schon heute systemdienliche Leistung oder Wärme bereitstellen, je nachdem, was benötigt werde. „Großkraftwerke sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kaum noch leistbar, steuerbares Biogas schon. Deshalb ist die Kraftwerksstrategie jetzt in eine Flexibilitätsstrategie umzuwandeln“, so Peter.
Theoretisch ist dieses Biogas-Potenzial vielen Politikern bekannt. Das haben nicht zuletzt die vom Fachverband initiierten Biogas-Gipfel auf Länderebene in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gezeigt. „Leider fehlen den guten Worten oft konkrete Taten“, bemängelt der Vize-Präsident des Fachverbandes Biogas, Christoph Spurk. Er fordert einen bundesweiten Biogas-Gipfel auf Initiative des Wirtschaftsministeriums. „So wie Herr Habeck erfreulicherweise die Wind- und Solarbranche zu einem Gipfeltreffen nach Berlin geladen hat hoffen wir ebenfalls auf eine Einladung“, sagt Spurk – und verweist bis dahin auf weitere von der Branche selbst organisierte Ländergipfel sowie einen Bundes-Gipfel im Frühjahr.
Auf der Pressekonferenz erläutert Horst Seide nochmal das große Potenzial von Biogas: „Wenn heute Bedarf an flexiblem Strom besteht, dann erzeugen wir diesen. Wenn Wärme gebraucht wird, können wir sie liefern. Wenn der Fokus auf klimafreundlichem Verkehr liegt, steht Biogas als Biomethan bereit. Wir sind flexibel – wir brauchen nur das klare Signal, das wir weiter machen sollen und dürfen.“
Kurz vor Weihnachten formuliert der Verbandspräsident abschließend seine drei größten Wünsche: ein klares Bekenntnis für Biogas aus Berlin, eine kluge und nachhaltige Planung der anstehenden Biomasse-Strategie und den Abbau der Bürokratie in der Biogasbranche.
PM Fachverband BIOGAS e.V.