Ostern wird gefeiert – nicht nur am Ostertag selbst, sondern für das Hochfest sind volle acht Tage angesetzt, die sogenannte Osteroktav. Darüber hinaus geht die Osterzeit bis Pfingstsonntag, und eigentlich wird in jedem Sonntagsgottesdienst der Auferstehung Jesu gedacht und damit Ostern gefeiert.
Der Sonntag nach Ostern ragt dabei nochmals heraus als der sogenannte „Weiße Sonntag“. In vielen Gemeinden ist es der Tag für die gemeinsame feierliche Erstkommunion der Kinder. Seit dem Jahr 2000, also in kirchengeschichtlicher Betrachtung noch ganz neu, ist dieser Tag auch der „Barmherzigkeitssonntag“. Papst Johannes Paul II. hat dieses Fest eingeführt.
Leben braucht Barmherzigkeit. Denn Fehler und Unzulänglichkeiten gehören zum Menschsein. Vielleicht fallen sie uns immer ganz besonders bei den anderen auf. Aber ich darf mir auch selbst zugestehen, dass ich einen barmherzigen Umgang brauche – von den Mitmenschen, von Gott und auch mir selbst gegenüber. Erst wenn ich die Erfahrung mache, trotz meiner Schwächen und Fehler angenommen zu sein, kann sich das Leben entfalten.
Nach Ostern begegnet der von den Toten auferstandene Jesus mehrfach seinen Jüngern. Und auffallend oft sagt er zu ihnen: Friede sei mit euch! So auch im Evangelium dieses Sonntags nach Ostern (Joh 20,19 und 21). Mit diesem Frieden meint Jesus sicher mehr als nur das Ende von Streitigkeiten. Die Zusage dieses Friedens nimmt auch die Fehler und Unzulänglichkeiten in Blick und hebt sie auf. Und es näher betrachtet die Zusage des Lebens an sich: im Blick des Auferstandenen gewinnt das Leben nochmals eine größere Weite, die den Tod nicht mehr als endgültige Grenze kennt. Dieses Leben umfasst alles an Erfahrungen und Sehnsüchten. Doch erst durch die Barmherzigkeit, die erfahrbar wird, verändert sich etwas. Das Wissen, von Gott bedingungslos angenommen und geliebt zu sein, gibt Mut und Zuversicht. Nachsicht, Güte, Milde und Barmherzigkeit, die Bereitschaft zur Vergebung und zu einem neuen Miteinander geben dem Leben schon im Hier und Jetzt mehr Raum und Kraft. Das darf ich mir zusagen lassen, das darf ich aber auch meine Mitmenschen erfahren lassen. Gottes Barmherzigkeit will uns verändern für mehr Leben, für ein Leben, das keine Begrenzung kennt. Das Osterfest öffnet uns hierfür die Tür, und der Barmherzigkeitssonntag schenkt uns die Zusage, dass dieses Leben auch mir gilt.
Pfarrer Reiner Stadlbauer