Künftig können in Baden-Württemberg durch eine Initiative der Landesregierung deutlich mehr Flächen an Bundes- und Landesstraßen für die solare Stromerzeugung genutzt werden. „Photovoltaik ist für die Energiewende unverzichtbar. Im letzten Jahr lagen wir im Zubau von Photovoltaik bundesweit auf dem vierten Platz. An diesen Erfolg wollen wir jetzt insbesondere auch bei der Freiflächenphotovoltaik anknüpfen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag (31. Januar 2023) im Anschluss an die Ministerratssitzung in Stuttgart. „Speziell die Nutzung der vorhandenen Potenziale an den Bundes- und Landesstraßen ist uns in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Hierdurch können wir nicht genutzte Flächen einsetzen, um den Anteil erneuerbarer Energien im Land zu steigern.“ Auf etlichen sogenannten Innenohren von Zu- und Abfahrten, an Lärmschutzwänden und Straßenböschungen könnte künftig grüner Strom produziert werden. „Das ist ein Plus für den Klimaschutz“, betonte der Ministerpräsident weiter.
Die Ergebnisse des Interessenbekundungsverfahrens zu bisher ungenutzten Flächen entlang von Bundes- und Landesstraßen im Land liegen jetzt vor. Verkehrsminister Winfried Hermann berichtete: „Im ersten Schritt machen wir es möglich, dass auf rund 260 Flächen an Bundes- und Landesstraßen Photovoltaikanlagen zur Stromgewinnung aus regenerativen Quellen entstehen. Wenn alle Flächen genutzt werden, liegt der mögliche Jahresertrag auf diesen Flächen bei rund 122 Gigawattstunden (GWh). Das entspricht dem Jahresverbrauch von rund 35.000 Drei-Personen-Haushalten. Auch durch das Verfahren, das wir in Zusammenarbeit mit den Straßenbauverwaltungen entwickelt haben, bringen wir die solare Stromerzeugung weiter nach vorne und schonen dabei zugleich die Natur.“
Großes Interesse: Mehr als 600 Flächen wurden angemeldet
Insbesondere Energieversorger konnten seit Februar 2022 ihr Interesse bekunden, wenn sie eine Photovoltaikanlage auf einer Fläche in der Nähe einer Bundes- oder Landesstraße betreiben wollten. Der Aufruf fand große Resonanz: 28 Interessierte meldeten insgesamt rund 650 Flächen an. 26 von ihnen bekamen am Ende eine positive Antwort, wenn auch nicht für alle von ihnen angefragten Flächen.
Die meisten nicht berücksichtigten Flächen waren nicht im Eigentum von Bund oder Land und erfüllten somit eine wesentliche Grundvoraussetzung nicht. Bei anderen gab es beispielsweise Um- oder Ausbaupläne, oder sie standen aus Artenschutzgründen nicht zur Verfügung. Nach Abschluss der Detailprüfung steht fest, dass rund 260 Flächen an Bundes- und Landesstraßen für den Bau von Photovoltaikanlagen in Frage kommen. Die meisten liegen im Regierungsbezirk Stuttgart (85), gefolgt von den Regierungsbezirken Karlsruhe (74), Tübingen (71) und Freiburg (26).
Die Ergebnisse aus den Prüfverfahren wurden den Interessierten bereits mitgeteilt. Diese haben nun die Möglichkeit, auf ausgewählte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in der Straßenbauverwaltung zuzugehen, um genauere Informationen zu den straßenbautechnischen und -rechtlichen Rahmenbedingungen zu erhalten. Ihnen steht es dann frei, ob sie unter den genannten Bedingungen die baurechtliche Voraussetzung schaffen möchten.
Wesentliche rechtliche Sachverhalte sind geklärt
Die knapp 260 Flächen seien ein erster, aber wichtiger Schritt, so der Verkehrsminister. Im Rahmen des Verfahrens habe das Verkehrsministerium mit den weiteren Beteiligten gleichzeitig die wesentlichen Bedingungen für den Betrieb von Photovoltaikanlagen in der Nähe von Bundes- und Landesstraßen ausgelotet. Die Experten würden davon ausgehen, dass es in den meisten Fällen einen Bebauungsplan braucht, um das Baurecht für eine Photovoltaikanlage zu schaffen, berichtete Hermann. Auch weitere rechtliche Sachverhalte konnten geklärt werden.
Ein Muster-Nutzungsvertrag regelt künftig die straßenbaurechtlichen und technischen Pflichten der Akteure. Damit gibt es einen festen Rahmen, der das Verfahren für neue Interessentinnen und Interessenten klarer macht und ein erhebliches Stück vereinfacht.
Interessierte können sich an Regierungspräsidien wenden
Nach Hochrechnung des Ministeriums könnten neben den jetzt ins Auge gefassten 170 „Innenohren“ an Bundes- und Landesstraßen künftig rund 200 weitere Innenohrflächen für Photovoltaik genutzt werden. Auch andere Flächen an den betreffenden Straßen sind denkbar.
Angesprochen sind Kommunen, Stadtwerke, Bürgerenergiegenossenschaften, Projektentwickler und Privatpersonen. Wer Interesse hat, kann sich an das jeweilige Referat 45 seines zuständigen Regierungspräsidiums wenden. Nach Anmeldung muss mit einer Prüfzeit von etwa zwei Monaten gerechnet werden. Verkehrsminister Hermann erläuterte: „Unser Ziel ist es, dass am Ende möglichst viele Betreiber gemeinsam einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit leisten können.“
PM Staatsministerium Baden-Württemberg