Gedanken zum Sonntag: Bleib von Gott behütet! (Vierter Sonntag der Osterzeit C)

So recht will es nicht mehr in unsere Zeit passen: das Bild vom guten Hirten und seinen Schafen. Anders als vor zweitausend Jahren haben heutzutage bei uns die wenigsten Menschen etwas mit realen Schafen zu tun. Wir wissen kaum etwas darüber, wie Schafe zu halten sind, geschweige denn etwas über die enge Beziehung eines Schäfers zu seiner Herde oder gar zu einzelnen Tieren. Erst recht tun wir uns schwer damit, uns mit einem Schaf zu identifizieren.

Wir leben schließlich selbstbestimmt, zumindest unserer Vorstellung nach. Daher war ich völlig überrascht, als Jugendliche ein Bild vom Guten Hirten im Stil nazarenischer Kunst aussuchten, um mit mir über ihr „Jesusbild“ zu diskutieren. Widerspricht unser allgegenwärtiger Anspruch, selbstbestimmt zu leben, nicht dem Bild eines Tieres, das absolut auf die gute Führung durch seinen Hirten angewiesen ist? Tagtäglich mache ich bei meiner Arbeit die Erfahrung, dass Menschen die Führung der Hirten in unseren Kirchen kritisch hinterfragen. Und das ist gut so! Eine Kirche, die sich der Liebe Gottes und der Wahrheit verpflichtet weiß, muss und kann kritische Fragen aushalten. Schon Jesus führte mit den Frauen und mit den Männern, die ihm nachfolgten, Streitgespräche. Die Frage ist nicht, ob gestritten werden darf, sondern wie gestritten werden muss. Das Bild vom guten Hirten und seinen Schafen rechtfertigt folglich in keinster Weise, eine Rückkehr in eine Zeit, in der die Hirten in der Kirche als nicht zu hinterfragende tun und lassen, können, was sie wollen. Auch die Herde der Gläubigen leidet daran, dass die Kirchen sichtlich erodieren. Viele Menschen bringen sich mit viel Zeit und Herzblut in ihre Kirche am Ort ein, versuchen die Frohbotschaft in unsere Zeit hinein zu übersetzen und werden dadurch selbst zu Hirtinnen und zu Hirten für andere.

Ich möchte auf die Jugendlichen zurückkommen, die das Bild vom guten Hirten ausgesucht hatten. Gott sorgt für uns, sagten sie, ER ist da, wenn wir Hilfe brauchen, wenn wir nicht wissen, wie es weitergehen soll. Diese Firmlinge haben mich im Glauben unterwiesen. Ja, glauben heißt vertrauen! Ein Schaf weiß, dass seine Herde und sein guter Hirt der beste Schutz vor allen Gefahren sind. Für uns Christ*innen ist zuallererst Gott unser Schutz. Wir brauchen jedoch auch die Herde, den Glauben der Gemeinschaft, die mich erinnert, die mir das feiern unseres Glaubens erst möglich macht, die mich manchmal auch provoziert und warnt vor zu viel Eigenbrödelei. Und es braucht diejenigen, die in der Kirche Verantwortung übernehmen, Leitung ausüben, nicht herrschaftlich, sondern dienend wie unser guter Hirt Jesus Christus.

Pastoralreferentin Agnes Steinacker-Hessling, Rechberghausen/Wäschenbeuren

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