Sonntagsgedanken: Nimm dir die Zeit, die du brauchst.

Ab morgen wechselt in den Kirchen die Farbe des Altartuchs, des so genannten Paraments, auf grün. Mit Pfingsten und dem Fest der Dreieinigkeit ist die Zeit der großen Kirchenfeste zu Ende gegangen, die Farbe Grün wird nun bis zum Ende des Kirchenjahres bleiben.

Wenn ich in dieser Zeit mit Schulkindern in der Kirche bin, haben sie die Farbe Grün schnell erklärt: „Ist doch klar: Grün deshalb, weil draußen alles grün ist. Grün, wie die Natur.“ Damit sind wir auch schon mitten drin im Gespräch über die Bedeutung der liturgischen Farbe Grün. Grün steht für Wachstum, für Hoffnung und für Lebensfreude.
Zudem ist die nun beginnende Zeit auch eine Zeit des Durchatmens. Es ist schon fast provokativ, wie Jesus im Gleichnis vom Sämann die Phase beschreibt, die nach dem Säen folgt: „… dann
legt er sich schlafen und steht wieder auf –tagaus, tagein. Die Saat geht auf und wächst, aber der Bauer weiß nicht wie das geschieht.“ (Markus 4, 27). Früher haben mich diese Sätze immer etwas geärgert. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und weiß, wie viel Arbeit der Landwirt im Sommer in die Pflege der Pflanzen steckt. Das heranwachsende Grün will eben auch gehegt und gepflegt sein.

Und doch ist es im Sommer anders als zur Zeit der Saat und der Ernte. Wenn es um das Säen und ums Ernten geht, gibt es keine Zeit zu verlieren. Da muss man sich auf das Ziel fokussieren und alles andere hintenanstellen. In der Wachstumsphase dagegen kann man sich die Zeit einteilen. Man kann sich die Zeit nehmen, die man braucht.

Für die grüne Zeit gilt, was zu einem Pilgermotto geworden ist: „Der Weg ist das Ziel“: Es kommt nicht darauf an, schnell zu sein, sondern das wahrzunehmen, was sich auf dem Weg ergibt. Der Halt in der kleinen kühlen Dorfkirche, die Aussicht, für die man gerne einige Augenblicke stehen bleibt, der Schwatz mit dem Ehepaar, das einem auf dem Weg begegnet. Ja sich verstohlen Zeit nehmen für die Dinge, die man schon Jahre nicht mehr getan hat: Die Nase in eine duftende Blüte stecken oder auf einem Baumstamm am Wegesrand balancieren. All das macht die grüne Zeit aus. Sie ist eine Einladung, sein eigenes Tempo zu finden und sich Zeit zu nehmen.

Das Beste daran: All das ist keine verlorene Zeit, im Gegenteil. Es fühlt sich gut an, wenn man in seinem eigenen Tempo leben kann – und das völlig ohne schlechtes Gewissen. Denn, so Jesus, „ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor.“ Unbemerkt aber unaufhaltsam wächst da etwas heran – auch in mir selbst.

 

Gerhard Steinbach

Pfarramt Bartenbach

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