Baden-Württemberg steht bei Forschung und Entwicklung (FuE) nach wie vor gut da. Laut Statistischem Landesamt werden derzeit 4,9 % des Bruttoinlandsprodukts in FuE investiert. Das ist ein Spitzenwert, in Europa und weltweit. Die Wirtschaft ist der maßgebliche Treiber. Mehr als 80 % der FuE-Investitionen in Baden-Württemberg schultern die Unternehmen.
„Die aktuell gute Situation darf nicht über die Herausforderungen hinwegtäuschen. So stellte der Technologiebeauftragte der Landesregierung im letzten Herbst in seinen Innovationspolitischen Impulsen fest: Die Innovationsdynamik Baden-Württembergs stagniert, Disruptionen entstehen hier eher selten und der industrielle Mittelstand investiert im Vergleich zu großen Unternehmen immer weniger in FuE“, erklärt Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) und der in Technologiefragen federführenden IHK Karlsruhe.
In diesem Kontext hat der BWIHK untersucht, welche Entwicklung die hiesigen Unternehmen für ihre FuE-Budgets erwarten. Weiter wurde gefragt, welches die wichtigsten FuE-Standortfaktoren sind und wie Baden-Württemberg hier im Vergleich zu anderen Ländern/Regionen abschneidet.
Positive Entwicklung der FuE-Budgets erwartet
Die Umfrage ergab, dass Unternehmen stärker in FuE investieren wollen. Mehr als zwei Drittel gehen in den nächsten 3 bis 5 Jahren von steigenden FuE-Budgets aus.
Das FuE-Engagement variiert jedoch mit der Größe der Betriebe. Während lediglich 9 % der großen Unternehmen (>249 Mitarbeiter) keine FuE betreiben, sind es bei den kleinen und mittleren Unternehmen (10 bis 249 Mitarbeiter) immerhin rund ein Drittel. Bei den Kleinstunternehmen (<10 Mitarbeiter) hat sogar mehr als die Hälfte (52 %) keine FuE.
Gleichzeitig weisen die Kleinstunternehmen den größten Anteil (19 %) bei den hohen FuE-Umsatzanteilen (> 8,5 %) auf. Es gibt hier nach wie vor eine »Schere« bei den FuE-Investitionen. „Insgesamt verschenken wir bei den kleinen Unternehmen nach wie vor Innovationspotenzial“, stellt Präsident Grenke fest. „Politik und Intermediäre müssen diese noch stärker in den Fokus nehmen und weiter für die Bedeutung von Innovationen sensibilisieren“, so Grenke weiter.
Beispielsweise muss die einzelbetriebliche Innovationsförderung für diese Unternehmen weiter gestärkt werden, etwa durch den Ausbau der Innovationsgutscheine des Landes mit einem Gutschein mit höherer Fördersumme (z. B. 40.000 Euro). Die weiter vorhandene Förderlücke zum ZIM-Programm des Bundes muss geschlossen werden. Zur Erhöhung der Breitenwirkung müssen die Gutscheine auch für Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern (bislang 100) zugänglich sein.
Zusätzlich sollte der im Entwurf des operationellen Programms EFRE Baden-Württemberg 2021-2027 enthaltene Vorschlag einer einzelbetrieblichen Förderung für Entwicklungskosten von Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern ebenfalls umgesetzt werden.
Externe FuE-Partner werden wichtiger
Die befragten FuE-aktiven Unternehmen investieren aktuell im Mittel 82 % ihrer FuE-Budgets intern. Sie erwarten, dass sich dieser Anteil in den nächsten 3 bis 5 Jahren verringert. Demnach wollen sie dann mehr Anteile ihrer FuE-Budgets extern vergeben. „Zusammen mit dem voraussichtlichen Anstieg der FuE-Budgets bedeutet das, externe FuE-Partner werden für unsere Unternehmen zukünftig noch wichtiger. Davon können nicht nur FuE-Dienstleister aus der Wirtschaft, sondern auch unsere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen profitieren. Allerdings müssen diese hierfür beim Technologietransfer weiter gestärkt werden, insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Dazu braucht es zusätzliche öffentliche Investitionen“, so Grenke.
Der BWIHK-Präsident ergänzt: „Wichtig ist, dass das Forschungswissen noch leichter bei den Unternehmen ankommt. Gleichzeitig muss der wirtschaftsseitig getriebene Transfer, etwa durch die IHK-Innovationsberater und die vom Land geförderten Technologietransfermanager bei einigen IHKs, noch besser bei der Wissenschaft »andocken« können. Dafür braucht es auch an den Hochschulen entsprechende Technologietransfermanager mit Schwerpunkt auf KMU“.
Auslands-FuE hauptsächlich als Ergänzung – Große Unternehmen beobachten
Ein Teil der befragten FuE-aktiven Unternehmen (44 %) betreibt FuE auch im Ausland. Der allergrößte Teil davon in Ergänzung zur eigenen FuE in Baden-Württemberg. Zukünftig wollen die Betriebe ihr FuE-Engagement im Ausland verstärken. Mit Blick auf eine Zunahme der FuE-Budgets ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies auf Kosten des Standorts Baden-Württemberg passiert. Ein genereller Trend zur FuE-Verlagerung ist nicht feststellbar.
Einzig bei den großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zeigt die Untersuchung eine Entwicklung auf, dass mehr als jedes vierte Unternehmen zurzeit FuE ins Ausland verlagert. „Auch wenn diese Aussage durch die geringe Fallzahl in der Umfrage statistisch wenig belastbar ist, darf sie aufgrund der Bedeutung dieser Unternehmen für FuE-Investitionen in Baden-Württemberg nicht unterschätzt werden und sollte gegebenenfalls Anlass für weitere Untersuchungen sein“, mahnt Grenke.
FuE-Standortfaktoren: Andere Länder/Regionen mit Vorteilen
Die im Ausland FuE-aktiven Unternehmen reagieren mit ihrem FuE-Engagement in erster Linie auf die Anforderungen ihrer Märkte und Kunden. Diese Faktoren entziehen sich üblicherweise technologiepolitischen Maßnahmen. Gleichwohl scheinen nach Ansicht dieser Unternehmen andere Länder/Regionen bei einigen weniger markt- und kundengetriebenen FuE-Standortfaktoren im Vergleich zu Baden-Württemberg Vorteile zu haben. Das betrifft etwa die Personalkosten, das Angebot an Fachkräften, die digitale Infrastruktur oder schnellere Zulassungs- und Genehmigungsverfahren.
Beispielsweise halten mehr als ein Drittel bzw. 40 % der befragten FuE-aktiven Betriebe die USA bzw. Europa bei schnellem Internet im Vergleich zu Baden-Württemberg für besser aufgestellt. China und die USA punkten aus Sicht von mindestens einem Drittel dieser Unternehmen mit weniger gesetzlichen Vorgaben/Regulierungen.
„Die Politik muss dafür sorgen, dass sich hieraus keine nachteiligen Entwicklungen für das baden-württembergische Innovationssystem ergeben“, fordert BWIHK-Präsident Grenke. Die in Deutschland ab 2020 geplante steuerliche Forschungsförderung, die sich an den FuE-Personalkosten orientieren soll, die Forcierung des flächendeckenden Ausbaus mit schnellem Internet, eine international sichtbare baden-württembergische Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte oder der weitere Abbau von Bürokratie seien entsprechende politische Stellhebel.
„Und apropos steuerliche Forschungsförderung. Die Unternehmen in unserer Umfrage halten sie als Standortfaktor für ebenso wichtig wie die bewährte Zuschussförderung. Das heißt, eine steuerliche Förderung kann zusätzliche Anreize für unternehmerische FuE schaffen“, führt Wolfgang Grenke weiter aus.
Technologiefreundliches Umfeld wichtig
In der Umfrage bewerten neun von zehn befragten FuE-aktiven Unternehmen ein technologiefreundliches gesellschaftliches Umfeld als wichtigen oder sehr wichtigen FuE-Standortfaktor. Mehr als 40 % dieser Betriebe sehen die USA hier, gefolgt von China, im Vergleich zu Baden-Württemberg als besser aufgestellt. Das zeigt: Angst vor Veränderung und Technologieskepsis schaden dem Innovationsstandort Baden-Württemberg.
Ein technologiefreundliches gesellschaftliches Umfeld wirkt sich auch positiv auf das Marktpotenzial für Innovationen aus, das für den allergrößten Teil der FuE-aktiven Unternehmen (94 %) als Standortfaktor ebenfalls wichtig bzw. sehr wichtig ist. „Wenn Baden-Württemberg nicht nur Leitanbieter sondern auch Leitmarkt für neue Technologien sein will, geht das nicht ohne technologieoffene Gesellschaft“, fasst BWIHK-Präsident Grenke zusammen.
Auslandsorientierung nimmt zu
Die Abfrage, mit welchen FuE-Arten die Betriebe zukünftig in welchen Ländern/Regionen aktiv sein wollen ergibt, dass die FuE-Auslandsorientierung am stärksten bei den weniger »klassischen« FuE-Arten zunimmt, etwa beim Zukauf von etablierten Unternehmen und Start-ups, der Gründung eigener Start-ups oder bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen.
„Tendenziell muss bei diesen Arten von FuE davon ausgegangen werden, dass ein zukünftiger Aufwuchs an unternehmerischer FuE eher in anderen Ländern/Regionen und nicht so stark in Baden-Württemberg stattfindet. Das sollte uns nachdenklich stimmen“, resümiert Grenke. „Ziel der Technologiepolitik muss deshalb sein, die Attraktivität Baden-Württembergs als FuE-Standort weiter zu steigern. Hierfür muss die Politik bei den FuE-Standortfaktoren, für die sich in Baden-Württemberg nachteilige Entwicklungen andeuten, nachlegen.“
Hintergrund: Die Befragung wurde im Sommer 2018 als Online-Umfrage durchgeführt. Befragt wurden baden-württembergische Unternehmen aller Industriebranchen sowie ausgewählter wissensintensiver Dienstleistungsbranchen. An der Umfrage hatten sich 302 Unternehmen beteiligt.
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag