Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart hat am 12. Dezember 2018 eine Anpassung ihrer Wahlordnung für die Wahlen zur Vollversammlung und zu den fünf Bezirksversammlungen beschlossen. Die regelmäßige Überprüfung der Wahlordnung auf Anpassungsbedarf, der sich aus aktuellen rechtlichen oder wirtschaftlichen Entwicklungen ergeben kann, gehört zu den Standardaufgaben der Kammer.
In einer wegweisenden Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht 2017 vorgegeben, dass insbesondere eine angemessene Interessenvertretung der beitragszahlenden Unternehmen gewährleistet sein muss. „Mit der jetzt beschlossenen Weiterentwicklung der Wahlordnung können wir davon ausgehen, dass sich die Wirtschaftsstruktur der Region nach Branchen, Betriebsgrößen und Beitragsleistung entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in den gewählten IHK-Gremien widerspiegelt“, sagt IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. „Und das ist die Voraussetzung dafür, dass die Kammer das Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft überzeugend vertreten kann.“
Kernpunkt der Änderung der Wahlordnung ist die Einführung von Betriebsgrößenklassen. Auf Seiten der Kandidaten wird demnach zukünftig in den drei größten Wahlgruppen Produktion, Handel und Dienstleistung zwischen kleinen Unternehmen (bis 9 Beschäftigte), mittleren und großen Unternehmen (ab 10 Beschäftigte) unterschieden. „Für die kleinen Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern wird durch die neue Wahlordnung sichergestellt, dass sie eine Mindestanzahl von Sitzen in den IHK-Gremien bekommen“, erläutert Wolf Ulrich Martin, Präsident der IHK-Bezirkskammer Göppingen. Auch Claus Paal, Präsident der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr, betont: „Der Vorschlag des Präsidiums ist auf große Zustimmung innerhalb der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr gestoßen. Dass die neue Wahlordnung nun von der Vollversammlung beschlossen wurde und damit in ‚trockenen Tüchern‘ ist, bringt für die nächste Wahl 2020 die notwendige Sicherheit.“
Die Bedeutung von Betriebsgrößenklassen wird laut Kammer beim Blick auf die Verteilung von Beschäftigung und Ausbildung in den Unternehmen in der Region Stuttgart deutlich. So haben zwar etwa 90 Prozent aller Unternehmen bis zu 9 Beschäftigte. Die anderen 10 Prozent der Unternehmen stellen jedoch rund 90 Prozent aller Arbeitsplätze in der Region. Eine ähnliche Verteilung gibt es bei den Lehrstellen. Rund 80 Prozent aller Azubis werden in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten ausgebildet.
Breuning: „Als IHK sind wir eine gewichtige Stimme, die die Interessen von rund 160.000 IHK-Mitgliedsbetrieben zum Beispiel bei Themen wie schnellem Internet oder beim Bürokratieabbau gegenüber Politik und Verwaltung vertritt. Wichtig sind mir dabei auch die Themen der kleineren Betriebe, deren Mitwirkung in den Gremien mit der neuen Wahlordnung garantiert wird. Alle unsere Unternehmen tragen gleichermaßen zum wirtschaftlichen Erfolg unserer Region bei.“
Die Präsidentin bedankte sich für den intensiven Beteiligungs- und Diskussionsprozess im Vorfeld der gestrigen Beschlussfassung. In den vergangenen Wochen hatten die Mitglieder der Vollversammlung und zusätzlich die Mitglieder der fünf Bezirksversammlungen Gelegenheit, in sechs Veranstaltungen über die im Oktober vom IHK-Präsidium vorgelegten Eckpunkte zur Anpassung der Wahlordnung zu diskutieren. In der gestrigen Vollversammlungssitzung wurden noch einmal alle in diesen Beratungen vorgebrachten Fragen und Anregungen ausführlich besprochen und die notwendigen Änderungen begründet. Wichtige Anregungen, zum Beispiel zur Berechnung der Beschäftigtenzahl, wurden dabei auch aufgegriffen. Ebenfalls diskutiert wurde auch ein weitergehender Alternativentwurf für eine komplett überarbeitete Wahlordnung, der aber nach umfänglicher Diskussion nicht zur Abstimmung gestellt wurde. Am Ende der eineinhalbstündigen tiefgehenden Beratung votierten die Mitglieder auf Antrag aus der Vollversammlung mit deutlicher Mehrheit dafür, die Beratung der Wahlordnung nicht zu vertagen, sondern schon jetzt in der Sache abzustimmen.
„Mit der neuen Wahlordnung wird der sich ändernden Wirtschaftsstruktur in der Region genauso wie aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung Rechnung getragen“, sagt Heinrich Baumann, Präsident der Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil im Jahr 2017 betont, dass in den Beschlussgremien der IHK die angemessene Interessenwahrnehmung aller beitragszahlenden Betroffenengruppen sichergestellt sein müsse. Zudem dürfe die Vollversammlung nicht von zahlreichen Einzelinteressen ohne Berücksichtigung wirtschaftlich bedeutender Unternehmen geprägt werden.
Alle vier Jahre wählen die rund 160.000 Mitgliedsunternehmen der IHK Region Stuttgart ihre ehrenamtlich tätigen Vertreterinnen und Vertreter in die Vollversammlung und die fünf Bezirksversammlungen in den Landkreisen der Region. Dabei hat jeder Mitgliedsbetrieb eine Stimme, unabhängig von Größe und Wirtschaftskraft des Unternehmens. Die Vollversammlung entscheidet über den wirtschafts- und bildungspolitischen Kurs der IHK, den Umfang des IHK-Leistungsangebots sowie die Höhe der Mitgliedsbeiträge und Gebühren. Die Bezirksversammlungen nehmen die Interessen der Unternehmen ihres Bezirks wahr und beschließen über ihre Ausgaben. Die Vollversammlung wählt aus ihren Reihen den/die Präsident/-in, der/die die IHK Region Stuttgart gemeinsam mit dem/der Hauptgeschäftsführer/-in nach außen vertritt. Alle Mitglieder von Vollversammlung und Bezirksversammlungen sowie deren Präsidentinnen und Präsidenten sind Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie arbeiten für die IHK ehrenamtlich, also ohne Vergütung.
PM IHK Region Stuttgart