„Wir brauchen mehr Unternehmer und weniger Unterlasser“
Trotz bester Konjunktur sinkt die Zahl der Handwerksbetriebe in der Region Stuttgart. Im vergangenen Jahr reduzierte sich der Betriebsbestand von 29.585 auf 29.199, das ist ein Rückgang um 1,3 Prozent. Als einen der Gründe nennt Thomas Hoefling, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, den guten Arbeitsmarkt. „In solchen Zeiten sinkt in der Regel die Bereitschaft, zu gründen oder zu übernehmen. Denn es sind die Mitarbeiter in unseren derzeit sehr gut ausgelasteten Betrieben, die als Gründer fehlen. Die Arbeitsplätze sind den Mitarbeitern dort sicher, Risiken werden – wo möglich – gemieden.“
Der Rückgang war bei den zulassungspflichtigen Handwerken genauso zu spüren wie bei den zulassungsfreien oder den handwerksähnlichen Betrieben. Bei den sogenannten Vollhandwerken waren die Bau- und Ausbauhandwerke mit 103 und die Metall- und Elektrohandwerke mit 84 Betrieben vom Rückgang am stärksten betroffen. Bei den zulassungsfeien Handwerken ergab sich ein ähnliches Bild. Hier verloren die Bau- und Ausbauhandwerke 46 und die Elektro- und Metallhandwerke 9 Betriebe. Bei den handwerksähnlichen Gewerben waren die Betriebsverluste bei den Holzgewerben mit 58 und bei den Gesundheits- und Körperpflegegewerben mit 23 Betrieben am größten.
Zu den zahlenmäßig größten Branchen gehören die Friseure, Elektrotechniker, Fliesen-, Platten und Mosaikleger sowie die Kraftfahrzeugtechniker, gefolgt von den Installateuren und Heizungsbauern.
2016 wurden insgesamt 202 Ausnahmebewilligungen zur Aufnahme einer selbstständigen vollhandwerklichen Tätigkeit oder zur Wahrnehmung einer Betriebsleitertätigkeit erteilt. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr liegt bei 34 Prozent.
Mit Sorge sieht Kammerchef Thomas Hoefling die zurückgehende Bereitschaft bei Gesellen, Meistern und Führungskräften, sich selbstständig machen zu wollen. Gegenüber 2015 gingen die Betriebszugänge um 478 auf 1933 neu registrierte Betriebe zurück. „Wir spüren vor allem bei der nachrückenden Generation zwischen 20 und 30 Jahren eine gewisse Scheu vor dem Unternehmertum – vielleicht auch vor dem Risiko. Bei der Abwägung wird auch häufig mit der work-life-balance argumentiert.“ Auch das altersbedingte Ausscheiden von langjährigen Betriebsinhabern, die sich mit einer Nachfolgerlösung schwer tun, fällt stark ins Gewicht. Mit dem Wegfall vieler alteingesessener Betriebe drohe der Verlust von Wissen und wichtiger Infrastruktur gerade im ländlichen Raum, wenn Firmen keine Nachfolger finden. Hoefling: „Geben beispielsweise Bäcker oder Metzger ihren Betrieb auf, ist das meist ein herber Schlag für die Nahversorgung mit qualitativ hochwertigen handwerklichen Produkten und Dienstleistungen.“
Betriebsgründern bietet die Handwerkskammer das Starter-Center für einen unbürokratischen Einstieg in die Selbstständigkeit. Wer den Betrieb in jüngere Hände legen will, kann über die Betriebsbörse und eine entsprechende Beratung der Kammerexperten eine Nachfolgelösung finden.
Der Betriebsbestand in den Landkreisen: (Stand 31.12.2016/Veränderung Vorjahr))
Landkreis Böblingen 3.677 Betriebe (-1,6%)
Landkreis Esslingen 5.800 Betriebe (-2,0%)
Landkreis Göppingen 3.157 Betriebe (-3,0%)
Landkreis Ludwigsburg 5.661 Betriebe (-1,3%)
Rems-Murr-Kreis 5.321 Betriebe (-1,1%)
Stadtkreis Stuttgart 5.583 Betriebe (+0,3%)
Die 10 stärksten Handwerksberufe:
Friseure 2752 Betriebe
Elektrotechniker 2141 Betriebe
Fliesen-, Platten- und Mosaikleger 1697 Betriebe
Kraftfahrzeugtechniker 1691 Betriebe
Installateure und Heizungsbauer 1581 Betriebe
Gebäudereiniger 1391 Betriebe
Kosmetiker 1355 Betriebe
Einbau von genormten Baufertigteilen 1202 Betriebe
Maler und Lackierer 1167 Betriebe
Feinwerkmechaniker 1046 Betriebe
Details zur Statistik der Betriebe 2016 finden sich hier: http://www.hwk-stuttgart.de/artikel/statistiken-zu-nachwuchs-betrieben-und-wirtschaft-67,222,758.html
PM