Was das Handwerk in keinem Koalitionsvertrag mehr lesen will

Der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) hat in seinen Wahlprüfsteinen schon frühzeitig formuliert, worauf es dem Handwerk in der neuen Legislaturperiode ankommt. „Ganz klar ist aber auch“, sagte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold, „was uns in der grün-roten Koalitionsvereinbarung sauer aufgestoßen ist und was wir auf gar keinen Fall in einem grün-schwarzen Koalitionsvertrag wiederfinden wollen.“

Die gravierendsten Beispiele gibt es in der Bildungspolitik:

►„Wir streben an, dass mittelfristig mindestens 50 Prozent eines Altersjahrgangs im Lauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen.“ Ein Satz, der beim Handwerk die Alarmglocken schrillen ließ, denn damit leistet die Politik dem fatalen Akademisierungstrend Vorschub. Einen „Rechtsanspruch auf Zugang zu einem beruflichen Gymnasium“ lehnt der Handwerkstag ebenfalls ab. Beides schwäche den Stellenwert der beruflichen Ausbildung, anstatt ihn zu stärken.

►„Berufsschulen sollen mit einer Teilrechtsfähigkeit ausgestattet werden und sich zu regionalen Kompetenzzentren für berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung entwickeln können.“ Zentrale Instanz für die berufliche Weiterbildung sind aus Sicht des Handwerkstages die Bildungsangebote der einzelnen Wirtschaftsbranchen, ein Ausbau der Berufsschulen zu Kompetenzzentren kann deshalb nur in Abstimmung mit der Wirtschaft erfolgen. Das Handwerk befürchtet Wettbewerbsverzerrungen.

…aber auch in der Sozialpolitik:

►„Leiharbeit darf nicht zu Lohndumping führen. Wir setzen uns für gleiches Geld für gleiche Arbeit und gleiche Arbeitsbedingungen ein.“ Und: „Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, die Möglichkeit für die Befristung der Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund zu streichen.“ Forderungen, die in dieser Kompromisslosigkeit den Betrieben die notwendige Flexibilität nehmen und auch die Brücke für Arbeitslose in die (Wieder-) Beschäftigung gefährden. Equal Pay darf erst nach einigen Monaten der Zeitarbeits-Beschäftigung ein Thema sein, wie das aktuell auf Bundesebene als Gesetzentwurf diskutiert wird. Jeder dritte befristet Beschäftigte schafft innerhalb eines Jahres den Sprung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

…und im Verkehrsbereich, im Baurecht und bei der Landesstiftung:

► „Straßenneubauten sind aufgrund der Siedlungsdichte und des Gebots, den Flächenverbrauch zu reduzieren, nur noch in begründeten Einzelfällen zu realisieren.“ Für den Handwerkstag undenkbar in einem export- und mobilitätsabhängigen Bundesland.

►„Die Landesbauordnung wird nach sozialen und ökologischen Kriterien überarbeitet.“ Die novellierte LBO schreibt die Einhaltung von Grünzäsuren und die Überdachung von Fahrradstellplätzen vor. Bürokratisch, bevormundend und bauhemmend lautet das Urteil des Handwerkstages.

►“Wir prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher veränderten Form die Stiftung weitergeführt werden soll.“ Die Landesstiftung verantwortet gute Projekte wie etwa das für das Handwerk wichtige Baden-Württemberg-Stipendium. Ein Verkauf wäre ein Treppenwitz, findet der Handwerkstag: eine steuerrechtliche Überprüfung durch das Finanz- und Wirtschaftsministerium hatte ergeben, dass fast kein Gewinn bei einem Verkauf übrig bliebe.

„Gute Wirtschaftspolitik muss Handwerkspolitik sein“, unterstrich BWHT-Präsident Reichhold. Baden-Württemberg brauche ein starkes, innovatives Handwerk als Fundament eines stabilen Mittelstandes. Die 133.000 Handwerksbetriebe im Land leisteten ihren Beitrag dazu. Die Politik stehe in der Pflicht, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen: „Stolpersteine, wie sie im grün-roten Koalitionsvertrag standen, gehören nicht dazu.“

PM

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