Das Handwerk sieht die Sorgen der Wirtschaft in der Schulpolitik nicht berücksichtigt. Die heutige Pressekonferenz der Landesregierung unter Leitung von Kultusministerin Theresa Schopper offenbarte wenig Veränderung zu den Ideen aus dem gescheiteren Bildungsgipfel in Bebenhausen im Mai.
Das Handwerk benötigt dringend gut ausgebildete Fachkräfte aus allen allgemeinbildenden Schularten, nicht nur aus dem Gymnasium und nicht nur mit Abitur. Der seitens der Landesregierung gewünschte, verstärkte Weg in Richtung Abitur für Schüler aller Schulformen wurde deshalb in den letzten Wochen mehrfach von Wirtschaftsvertretern kritisiert.
„Trotzdem hat die Ministerin in der heutigen Pressekonferenz wieder einmal die Priorität darauf gelegt, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler das Abitur machen, obwohl gerade die berufliche Bildung in den Bildungstests Spitzenwerte erreicht hat“, merkt Peter Haas, Hauptgeschäftsführer der Spitzenorganisation Handwerk BW, an.
„Der Ausbau der Gymnasien zu G9 und neuer Oberstufen an Gemeinschaftsschulen wird in den nächsten Jahren viele Ressourcen binden. Diese Prioritätensetzung ist für uns nicht nachvollziehbar. Die Politik sagt ja selbst, sie brauche ebenso mehr Meister wie Master“, so Haas weiter.
Nicht schlüssig sind die Ausführungen Schoppers, dass mit der anstehenden Schulgesetzänderung die Gymnasien neben der Studierfähigkeit auch auf eine berufliche Karriere vorbereiten sollen. „Wir hören sehr wohl, dass die berufliche Orientierung im Gesetz stärker betont werden soll. Aber bis zum heutigen Tag ist unklar, mit welchen Ressourcen diese Stärkung erfolgen soll“, sagt Haas. Dies zeige, dass das Thema in der Praxis eben keine Priorität im Kultusministerium habe.
Komplett vermisst das Handwerk konkrete Pläne für die Aufwertung der übrigen Schularten in der Sekundarstufe 1, also Gemeinschafts-, Real-, Haupt- und Werkrealschulen. Hier haben Handwerk, IHKn, Arbeitgeber- und Lehrerverbände umfassende Vorschläge zugeliefert, von denen bislang nichts aufgegriffen wurde.
Das Handwerk stehe weiterhin für eine Zusammenarbeit bereit – insbesondere bei der Ausgestaltung des Konzepts der beruflichen Orientierung sowie der berufspraktischen Profile. Auf heftige Kritik trifft aber der Zeitplan für die nun beginnende Verbändeanhörung: „Wenn das Ministerium ein Tag vor den Sommerferien umfangreiche Gesetzesänderungen vorlegt und den Verbänden nur bis nach der Sommerpause Zeit gibt für eine Stellungnahme, dann handelt die Regierung getreu dem Motto ,Nach Beschluss verreist – die anderen mögen dann mal durchschaffen‘. Das ist kein guter Stil und nicht im Sinne einer fairen Zusammenarbeit“, mahnt die Dachorganisation aller Handwerkskammern, Fachverbände und Kreishandwerkerschaften im Land an.
Mit dem im Frühjahr veröffentlichten Positionspapier Schulpolitik hat das Handwerk klar gemacht, wo es Handlungsbedarf sieht. „Mit der Neugestaltung der Bildungspläne sollte der Berufsorientierung mehr Platz eingeräumt werden. Denn gerade an den Gymnasien fühlen sich die Schüler nicht ausreichend über ihre beruflichen Möglichkeiten informiert. Die geplanten Mentoren an den Gymnasien sollten den Beratungsschwerpunkt daher nicht nur auf die Schullaufbahn, sondern auch auf die berufliche Laufbahn legen. Für eine professionelle Beratung sollten außerdem an allen Schularten zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden, die die Lehrkräfte entlasten“, so Haas.
PM Baden-Württembergischer-Handwerkstag e.V.