Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung sorgt für Unsicherheit und schafft Standortnachteile

Die Komplexität der datenschutzrechtlichen Vorgaben überfordert den Großteil der Wirtschaft. Die Folge: Mehr als 80 Prozent der Betriebe beurteilen den Aufwand, den die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verursacht, als hoch beziehungsweise extrem hoch. Das ist das Ergebnis einer aktuellen IHK-Umfrage in Baden-Württemberg, an der vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (85 Prozent) mit bis zu 249 Beschäftigten teilgenommen haben.

„Die Umfrage zeigt, dass vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen unter der übermäßigen Bürokratie leiden, das gilt auch beim Datenschutz“, sagt Claus Paal, Vizepräsident des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages und Präsident der für rechtliche Themen zuständigen IHK Region Stuttgart. „Unsere KMUs haben meist nicht die Ressourcen, um diese Regelungen umzusetzen, hier geht wertvolle Zeit für das Kerngeschäft verloren.“ In Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern höre er oft, dass diese kapituliert hätten, so Paal. „Sie sind nicht mehr in der Lage, alle Regulierungen zu kennen und dann auch zu befolgen. Der Staat hat überzogen.“ Anders als in vielen anderen europäischen Ländern werde der Datenschutz in Deutschland als Totschlagsargument benutzt. „Hier genügten schon Andeutungen und schon werde ein Vorhaben aus Angst gestoppt. Wundern wir uns, wenn wir jetzt Schlusslicht in Europa sind?“

Für den BWIHK-Vize ist klar: „Es ist zu spät im Klein-Klein Änderungen durchzuführen. Wir benötigen umfassend wirkende Sofortmaßnahmen, so etwa eine Anhebung der Schwellenwerte bei der Mitarbeiterzahl.“ Bei der DSGVO könnten beispielsweise die Dokumentationspflicht wie das Verarbeitungsverzeichnis tatsächlich erst ab 250 Mitarbeitenden greifen. „Dies würde die kleineren Betriebe deutlich entlasten.“ Auch die Pflicht, einen Datenschutzbeauftragten im Betrieb zu benennen, sollte aus Sicht des BWIHK-Vizes von derzeit 20 auf mindestens das Doppelte angehoben werden. „Sogar der EuGH hat in seinen jüngsten Rechtsprechungen zwar datenschutzfreundlich entschieden, den überzogenen deutschen Standards aber eine Absage erteilt“, so Paal.

Kleinst-Unternehmen von Regelungen aussparen

Dieser Meinung ist auch die Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen. Nach deren Ansicht solle die DSGVO nicht für Kleinst-Unternehmen und Solo-Selbstständige gelten. Derzeit müssten sie zwar keinen Datenschutzbeauftragten stellen, da sie in der Regel keine besonders riskanten personenbezogenen Daten verarbeiten würden – einem Bußgeldrisiko seien sie aber durch die umfänglichen Regelungen der DSGVO trotzdem ausgesetzt.

Paal plädiert auch dafür, die Regelungen für den Mailverkehr im geschäftlichen Bereich zu lockern. „Wenn ich mich im dienstlichen Umfeld bewege, werde ich eher akzeptieren, dass ich Initiativ-Mails bekomme als im privaten Bereich. Hier sollte überlegt werden, die Regelungen zu lockern, ohne dass damit gleich der Datenschutz ausgehöhlt wird. Unternehmen leben von Kontakten und Netzwerken. Wenn ich Initiativmails verbiete, kommt auch kein Kontakt zustande.“

Aufwand für Dokumentationspflichten im Bereich des Datenschutzes gestiegen

Generell sind mehr als 60 Prozent der teilnehmenden Unternehmen der Meinung, dass die Bedeutung des Datenschutzes in den vergangenen drei Jahren gestiegen ist. Für fast jedes zweite Unternehmen (45 Prozent) bedeutet vor allem das Erstellen von Verarbeitungsverzeichnissen und die Informationspflichten im B2B-Bereich einen enormen Aufwand. Hier wünschen sie sich deutliche Erleichterungen, darunter auch verbindliche und inhaltlich präzise Checklisten für kleine und mittelgroße Betriebe. Vielen Unternehmen ist unklar, in welchem Umfang Dokumentationen wie Verarbeitungsverzeichnisse und Datenschutzinformationen inhaltlich ausreichen. Außerdem sind viele Betriebe unsicher bei datenschutzrechtlichen Auskünften, etwa bei den Rechten einer Datenkopie (49 Prozent) oder der Einschätzung, wann ein Auskunftsersuchen rechtsmissbräuchlich ist (40 Prozent). Auch den Schadensersatz halten rund 66 Prozent der Betriebe für noch nicht relevant, beklagen aber auch, dass der Schadensbegriff zu unbestimmt sei und eine Erheblichkeitsschwelle für Schadensersatzforderungen fehle.

Kein Kontakt zur Landesdatenschutzaufsicht

Proaktiv nehmen die meisten Betriebe (87 Prozent) trotzdem keinen Kontakt zur Datenschutzaufsicht auf. Von denen, die Kontakt hatten, war die Hälfte mit dem Service zufrieden. Knapp 30 Prozent berichten von fehlenden oder späten Antworten und wünschen sich mehr Pragmatismus und konkrete Lösungsvorschläge. Dazu gehören auch praxisnahe und präzise formulierte Leitlinien, Empfehlungen, Checklisten und Musterformulare

Hintergrund

An der Umfrage haben 919 Unternehmen aus Baden-Württemberg teilgenommen – ein Großteil (85 Prozent) davon waren kleine und mittelständische Unternehmen. An der Umfrage haben sich so gut wie alle Branchen beteiligt. Den größten Anteil hatten die sonstigen Dienstleistungen mit 27 Prozent, gefolgt von der Industrie (20 Prozent) und dem Handel (15 Prozent). Die Umfrage fand zwischen dem 9. und dem 27. Oktober 2023 statt.

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/wirtschaft/163916/

Schreibe einen Kommentar