DIHK-Innovationsreport 2023: Nur noch Note 3 für den Innovationsstandort BW

Mit Durchschnittsnote 3,1 bewerten baden-württembergische Unternehmen aktuell die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung im Land (FuE). Das zeigt die BW-Auswertung aus dem DIHK-Innovationsreport. Es gibt aber ein langfristig viel schwerwiegenderes Ergebnis, dass die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland wie auch Baden-Württemberg insgesamt gefährdet. Die Politik muss dringend handeln, um entgegenzuwirken.

„Mit der Note 3,1 liegen wir im Land bei den Standortfaktoren für Innovationen aus Sicht unserer Unternehmen zwar noch besser als der Standort Deutschland (3,4) – allerdings können wir als starkes Innovationsland gerade im internationalen Vergleich damit absolut nicht zufrieden sein“, erklärt Christian O. Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). „Denn die Bewertung hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. 2020 gab es für Baden-Württemberg noch eine 2,75, 2017 mit Note 2,4 ein ‚noch gut‘. Das zeigt: Für Unternehmen ist es in wenigen Jahren erkennbar schwieriger geworden, Ideen in neue marktgängige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Beim global stetig zunehmenden Innovations- und Transformationsdruck ist das ein schlechtes Signal für unsere Wettbewerbsfähigkeit“, so Erbe weiter.

Am stärksten in ihrer Innovationstätigkeit eingeschränkt sehen sich die Betriebe dabei durch fehlendes (Fach)personal und hohe bürokratische Anforderungen im Innovationsprozess, z. B. Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren. Jeweils rund 70 Prozent haben dies in der Umfrage angegeben. Die Werte für Baden-Württemberg und Deutschland unterscheiden sich hier kaum. Drittgrößtes Hemmnis ist der hohe Aufwand zur Aufrechterhaltung von Schutzrechten wie etwa Patenten. 45 Prozent der Unternehmen fühlen sich dadurch in ihren Innovationsaktivitäten eingeschränkt. Zusammen mit den schwierigen übrigen Standortfaktoren, wie beispielsweise international nicht wettbewerbsfähige Energiepreise und Unsicherheiten bei der zukünftigen Energieversorgung und -verfügbarkeit, ergibt sich ein gefährlicher Mix.

Innovationssaldo fällt auf Rekordtief, Verlagerung von Forschungsaktivitäten ins Ausland bei immer mehr Betrieben auf der Liste

Die Auswirkungen zunehmend schwierigerer Rahmenbedingungen für Innovationen lassen sich konkret am DIHK-Innovationssaldo ablesen. Die Innovationsbereitschaft von Unternehmen hat dabei massiv abgenommen. Die Differenz das Anteils an Betrieben, die in den nächsten 12 Monaten höhere Innovationsaktivitäten planen, minus des Anteils derer, die mit geringeren Innovationsaktivitäten kalkulieren, liegt deutschlandweit bei einem Rekordtief von 23 Punkten. Im Vergleich: Der Wert lag vor drei Jahren bei 36 Punkten, 2010 bei noch knapp 60. „Zwar liegen wir in Baden-Württemberg im Vergleich mit 33 Punkten beim DIHK-Innovationssaldo noch deutlich besser. Nach 45 Punkten im Jahr 2020 ist das aber auch bei uns ein vergleichbar deutlicher Rückgang“, so Erbe. „Strukturelle Hemmnisse und multiple Krisenlagen zehren an den Innovationskräften unserer Unternehmen. Wenn wir es nicht schaffen, die Rahmenbedingungen für unternehmerische Innovation schnell zu verbessern, wird die Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs deutlich leiden.“

Die Zahlen untermauern auch eine besonders bedrohliche Entwicklung:

Rund 34 Prozent aller befragten Unternehmen wollen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Ausland aufbauen, um ihre eigene Innovationsfähigkeit zu steigern. Aus BW sind es sogar 38 Prozent. „Zusammen mit dem Befund der abnehmenden Innovationsbereitschaft der Betriebe sind das deutliche Anzeichen für einen Verlagerung unternehmerischer Forschung und Entwicklung – und was einmal weg ist, kommt schwerlich wieder“, betont der BWIHK-Präsident. Dabei wird der Schritt ins Ausland mit steigender Unternehmensgröße relevanter. Von den Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern wollen in den kommenden 12 Monaten sogar 66 Prozent stärker als bisher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (FuE) im Ausland aufbauen. „Mit dem Ergebnis einer anderen Umfrage haben wir schon 2018 auf die mögliche Gefahr einer zunehmenden FuE-Verlagerung vor allem durch größere Unternehmen hingewiesen. Das ist also kein neuer Prozess, der in seiner steigenden Dynamik aber zunehmend standortbedrohlicher wird. Mehr Weckruf kann es doch gar nicht geben!“

Die landesweite Umfrage ‚Investitionen baden-württembergischer Unternehmen in Forschung und Entwicklung‘, auf die sich Erbe bezieht, wurde im Jahr 2018 von der im BWIHK federführenden IHK Karlsruhe, betreut von Dr. Stefan Senitz, durchgeführt.

Mehr Luft für Innovationen nötig, Landesregierung muss Wachstumschancengesetz retten

„Wir müssen unseren Unternehmen wieder mehr Luft für Innovationen verschaffen“, so Erbe. „Denn zunehmende bürokratische Regelungen und nicht wettbewerbsfähige Standortbedingungen bei gleichzeitig abnehmendem Fachkräfteangebot bewirken genau das Gegenteil.“ Insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben gebe es in der Regel kaum Kapazitätsreserven. Zusätzliche Regulierungen und gesetzliche Vorgaben gingen dann vielfach auch zu Lasten von Forschungs- und Entwicklungsprojekten. „Die IHKs unterstützen die Landesregierung unter anderem durch ein starkes Engagement in der Entlastungsallianz und dem Normenkontrollrat, um beim Thema Bürokratieabbau konkret voranzukommen“, betont Erbe. „Das reicht jedoch nicht aus. Mit den Einsparungen, Kürzungen und zusätzlichen Belastungen für die Wirtschaft im Bundeshaushalt 2024 verschlechtern sich die Rahmenbedingungen weiter. Hier denke ich beispielsweise an das Streichen des Zuschusses für die Netzentgelte. Was wir aber jetzt brauchen ist die Entfesselung von größtmöglichen ökonomischen Impulsen und Wachstumsanreizen zusammen mit spürbaren Entlastungen. Deshalb muss das Wachstumschancengesetz wie ursprünglich vom Bundestag verabschiedet vollumfänglich beschlossen werden. Denn es ist ein konkreter Werkzeugkasten aus Berlin, Investitionen und Innovationen zu stärken und Wachstum zu fördern. Deshalb darf es keinesfalls zusammengestrichen und verwässert werden. Mit einem Wachstumschancengesetz, das auch den Namen verdient, kann die Politik ein richtiges Zeichen setzen. Ich appelliere daher an das Land, sich entschlossen mit starker Stimme für die Südwestwirtschaft im weiteren Verfahren einzusetzen“, schließt der BWIHK-Präsident mit Nachdruck.

Zur Umfrage

Die Befragung zum DIHK-Innovationsreport hat dieses Jahr zum sechsten Mal stattgefunden, nach 2008, 2011, 2014, 2017 und 2020. Deutschlandweit hatten sich aktuell 2.272 Unternehmen an der Umfrage beteiligt, 215 davon stammen aus Baden-Württemberg.

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von weit mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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