Handwerk empfiehlt der Politik mehr Werkbank, weniger Schreibtisch

Mehr Taten statt Themenlisten wünscht sich das badenwürttembergische Handwerk von der Landesregierung. In einer Zwischenbilanz für die erste Hälfte der Legislaturperiode sieht die Branche hohe Ambitionen in den Zielen, aber eine unzureichende Konsequenz in der Umsetzung. In einer Landespressekonferenz hat der Spitzenverband Handwerk BW heute (31.8.) in Stuttgart seine Bewertung
der bisherigen Regierungsarbeit vorgestellt.

Die Gesamtnote ist positiv: Die Landesregierung macht einen deutlich besseren Job als die Bundesregierung, im Umgang miteinander, aber auch mit Blick auf viele Themen“, so Handwerk BW
Präsident Rainer Reichhold und weiter: „Wir vermissen allerdings eine konkrete Vision, wie dieses Land in
zehn Jahren funktionieren soll. Die Ziele im Klimaschutz, der Energiewende, bei der Transformation der
Wirtschaft sind zweifelsohne ambitioniert. An deren Umsetzung in der Praxis hapert es aber noch. Mehr
Werkbank, weniger Schreibtisch das wünschen sich nicht nur unsere Betriebe in Sachen Bürokratie,
sondern auch für die Regierungsarbeit in den nächsten zweieinhalb Jahren“, so Handwerk BWPräsident
Rainer Reichhold.

So brauche beispielsweise die Bildungspolitik einen anderen Stellenwert in der Ressourcenverteilung der
Landesregierung. Ohne Grundkompetenzen der Schüler könnten diese nur schwer zu dringend benötigten,
gut qualifizierten Fachkräften heranwachsen, die dringend für Klimawende und Co. benötigt würden, warnte

Reichhold. „Bildung ist alleinige Ländersache, im Unterschied zum Klimaschutz. Hier kann die
Landesregierung Entscheidendes bewegen. Bildung muss wieder Herzens und Hauptthema werden.“

Mit Blick auf die bisherige Bilanz von GrünSchwarz kritisierte der Verband die zu geringen Haushaltsmittel
für die Fachkräfteausbildung. Zwar wurde die Unterstützung der Bildungsstätten des Handwerks sogar im
Koalitionsvertrag festgehalten. Trotzdem wurden im aktuellen Doppelhaushalt die Mittel sogar gekürzt statt erhöht. Dabei leisteten die Bildungsstätten einen entscheidenden Beitrag für eine modernen Aus und
Weiterbildung. Handwerk BWHauptgeschäftsführer Peter Haas: „Wir erwarten, dass hier nachgebessert wird und dass sich BadenWürttemberg auch für eine langfristige Sicherstellung der Bundesmittel bei der Ampel einsetzt.“

Zur Fachkräftesicherung gehört auch die Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland. Hier brauche das
Handwerk mehr Unterstützung für interessierte Betriebe und Arbeitskräfte. Die Rahmenbedingungen und
Zugangsmöglichkeiten müssten verbessert werden, die Ausländerbehörden im Land zu serviceorientierten
„WelcomeCentern“ ausgestaltet werden.

Nur wenn es in der Zukunft noch genügend Betriebe gebe, könnten auch ausreichend Ausbildungs und
Arbeitsplätze angeboten werden, mahnte Handwerk BW. 23.000 Handwerksbetriebe im Land suchen in den
nächsten fünf Jahren eine Nachfolge. „Nachfolgesicherung ist das Gebot der Stunde. Wir halten deshalb ein
landesweites Programm für notwendig, das für das Thema Nachfolge eine umfassende und mittel bis
langfristige Umsetzungsbegleitung ermöglicht“, so Haas weiter.

Auch in anderen Politikfeldern sehe Handwerk BW zwar durchaus ein Problembewusstsein auf Seiten der
Landesregierung, die konkreten Erfolge seien allerdings bislang oft überschaubar. So seien die Ziele in der
Klimapolitik besonders ambitioniert, aber die Politik scheitere gerade hier manchmal an eigenen Vorgaben,
zum Beispiel bei der energetischen Sanierung landeseigener Gebäude und deren Ausstattung mit
Photovoltaik. „Gerade bei diesen komplexen Themen wäre das Einbeziehen von Experten aus der
handwerklichen Praxis sinnvoll. Leider wurden die Stellungnahmen der Verbände bei Gesetzen oder
Verordnungen mehrfach ignoriert. Auch im Sachverständigenrat der Regierung sitzen nur Wissenschaftler,
keine Praktiker“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer.

Beim Auftreten der Landesregierung gegenüber Berlin wünscht sich das Handwerk mehr Selbstbewusstsein
für die zweite Legislaturhälfte. Man vermisse beispielsweise die Forderung, die Energiesteuern auf das
europäische Mindestniveau zu senken. Oder den Appell BadenWürttembergs, den Mittelstand vor dem
Lieferkettengesetz zu schützen.

Trotz aller Kritik in der Sache, sehe das Handwerk aber die Chancen für BadenWürttemberg: „Das Land hat
das Zeug, ein Modell für Deutschland zu sein, so Reichhold und Haas. „Mit einer ausgewogenen Politik, die
sich auf ihre Kernaufgaben konzentriert, ohne den Blick auf die notwendige Transformation zu verlieren,
kann BadenWürttemberg wieder Lust auf die Zukunft machen.“
PM Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V.

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