Die großen, international aufgestellten Familienunternehmen in Baden-Württemberg leiden in hohem Maß unter der Rechtsunsicherheit bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen. Gleichzeitig belastet die Betriebe der damit verbundene Dokumentationsaufwand, deutlich höheren Kosten durch teilweise Doppelbesteuerung sowie hohe Befolgungskosten. Das zeigt die Untersuchung »Internationale Verrechnungspreise – Herausforderungen und Lösungsansätze für Familienunternehmen«. Die frisch erstellte Studie wird von der Stiftung Familienunternehmen mit Unterstützung des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags herausgegeben.
„Aus Sicht der befragten Unternehmen bestehen begründete Zweifel, ob Ausbildung und Expertise der Finanzbeamten mit der steigenden Internationalisierung der Unternehmen Schritt gehalten haben. Daraus können sich in der Praxis überzogene Informationsanforderungen in der Betriebsprüfung ergeben, die unnötige Konflikte entstehen lassen und zu Verzögerungen führen“, sagt Dr. Peter Kulitz, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK).
Es gebe aber gute Ansätze, das Problem der Verrechnungspreise für Unternehmen genauso wie für die Finanzverwaltung zu entschärfen: „Die Finanzverwaltungen von Bund und Ländern sollten anders als heute verbindliche Auskünfte und Zusagen auch in Verrechnungspreisfragen erteilen. Das ist nach dem Verfahrensrecht sehr wohl möglich. Es gilt deshalb, jetzt verbindliche Entscheidungsfristen einzuführen, damit solche Vorabzusagen der Finanzverwaltung für Betriebe in Zukunft zügig zu bekommen sind“, so Kulitz.
Als Königsweg, um Konflikte bezüglich Verrechnungspreisen zu reduzieren, bezeichnet Kulitz „bi-, noch besser multilaterale Vorabverständigungsverfahren (Advance Price Agreements, auch kurz APA genannt)“. Hier befinde sich Deutschland im internationalen Vergleich klar im Rückstand. Auch gemeinsame Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltungen verschiedener Staaten – so genannte Joint Audits – besäßen großes Potenzial zur Beilegung von Verrechnungspreisstreitigkeiten.
Diese Forderungen basieren auf Ergebnissen des Forschungsprojekts von Prof. Dr. Andreas Oestreicher (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Göttingen) und Prof. Dr. Ekkehart Reimer (Institut für Finanz- und Steuerrecht, Juristische Fakultät, Universität Heidelberg), das die normativen Regeln und die internationale Anwendungspraxis bei Verrechnungspreisen untersucht hat. „Die Anwendung der Verrechnungspreisvorschriften ist für Steuerpflichtige und Berater, in- und ausländische Finanzbehörden und Gerichte außerordentlich ressourcenintensiv. Der Compliance-Aufwand der Steuerpflichtigen und die damit verbundenen Kosten haben in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen“, stellten die Wissenschaftler fest.
Neben dem BWIHK als unterstützender Projektpartner der Studie waren an der Erarbeitung direkt die beiden Professoren, das Bundesfinanzministerium, das Bundeszentralamt für Steuern und das Internationale Steuerzentrum im bayerischen Finanzministerium beteiligt.
Hintergrund Verrechnungspreise
Als Verrechnungspreis werden diejenigen Kosten bezeichnen, welche anfallen, wenn innerhalb eines Unternehmens verschiedene Bereiche Güter oder Dienstleistungen austauschen. Verrechnungspreise können bei Lizenzen, Warenlieferungen oder Darlehen anfallen. Verrechnungspreise bilden sich nicht auf Grundlage von Angebot und Nachfrage. Sie entstehend auf Grundlage eines Optimierungsansatzes, welcher zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmensbereichen vereinbart wird. Hierbei gilt der Grundsatz, dass die Unternehmensbereiche die erbrachten Leistungen so abrechnen, als würden sie mit Dritten tätig sein. Herausforderungen für Unternehmen können sein, dass eine Doppelbesteuerung besteht und hohe Befolgungskosten auftreten.
PM