16.500 Unternehmen sind Mitglied bei der Industrie- und Handelskammer im Bezirk Göppingen. Ausgesuchte Unternehmen wurden im Januar 2023 zu ihrer wirtschaftlichen Lage, aber auch zu ihren Erwartungen an die Zukunft befragt. Die eingehenden Anworten wurden dann nach Branchen gewichtet um so eine fundierte Aussage treffen zu können. Dennoch ist die Umfrage nicht repräsentativ, wie der Leitende Geschäftsführer der IHK, Gernot Imgart, betont.
Der IHK-Indikator „Aktuelle Lage“ weist für die vergangenen Jahre seit 2009 gleich mehrere starke Ausschläge nach unten aus. So die Finanzkrise 2009, die Coronakrise 2020 und die Ukraine/Energiekrise 2022. Die Unternehmen im Landkreis sind aber relativ widerstandsfähig, so dass „Aktuelle Lage“ der Unternehmen sich stets schnell wieder erholte. So auch jetzt. War sie bei der letzten Umfrage im Oktober 2022 noch bei 35, so liegt sie im Januar bei plusminus Null. 46,2 % der ausgewerteten Unternehmen sehen ihre eigene Lage als gut, 20 % erwarten für die Zukunft zudem eine bessere Entwicklung. Dabei scheint die Lage der Betriebe besser zu sein als in den anderen Bezirken der Region. Und die Lage hat sich vor allem im Bau und Industriesektor erholt, haben sich doch die zeitweiligen Lieferprobleme normalisiert.
Bei den „Erwartungen“ sticht vor allem der Hotel- und Gaststättenbereich hervor, hier erwartet fast ein Viertel der Betriebe eine bessere Geschäftsentwicklung.
Die Umsätze der Unternehmen haben sich nicht so gut entwickelt, wie die Ertragslage. 33 % der Betriebe sprechen von einer guten Ertragslage, 43,7 % von einer befriedigenden Geschäftslage.
Die guten Erwartungen für die Zukunft werden vor allem von den steigenden Auftragseingängen und Bestellungen getragen. 19,2 % der Betrieben haben hier eine steigende, 54,5 % eine gleichbleibende Tendenz.
Aber natürlich sehen die Betrieb auch Risiken in der Geschäftsentwicklung. Vor allem die Energiepreise (der Landkreis Göppingen hat viele energieintensive Industriebetriebe) und der Fachkräftemangel bestimmen hier, Corona stellt dagegen kein Risiko mehr da. Aber bei der fragilen Weltlage kann sich dies täglich ändern, so Imgart bei der Präsentation der Umfrage.
Im Kreis Göppingen wird viel für den Weltmarkt produziert, auch Dienstleistungen. Die Revitalisierung der Weltmärkte spiegelt sich hier in den Exporterwartungen wieder. 38,2 % der Betriebe erwarten wachsende, weitere 50 % gleichbleibende Exporte.
Bei den geplanten Investitionen sind die Betriebe dennoch verhalten. Nur 15 % wollen mehr investieren, 62,3 % gleich viel und 29,7 % weniger. Auch hier ist die Investitionsbereitschaft im Industrie- und Bausektor am größten. Bei den geplanten Investitionen stehen Investitionen in den Ersatzbedarf sowie in den Umweltschurz und die Energieeffizienz hervor. Die Expansion spielt hier eine zurzeit geringe Rolle.
Auch bei der Personalplanung ist man eher vorsichtig, nur 18,2 % planen Neueinstellungen, 14,1 % sogar weniger Personal. Wegen dem Fachkräfte- und generellem Personalmangel können aber oft nicht einmal die geplanten Einstellungen realisiert werden, erläutert Imgart.
Die Präsidentin der IHK Göppingen, Edith Strassacker, ergänzt, dass sich das Problem des Fachkräftemangels durch den Abgang der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Berufsleben noch verstärken wird. Der Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland stockt. „Was hier an den Botschaften abgeht ist skandalös“, schimpft Imgart auf die Politik, alle Interventionen der IHK verhallen hier ungehört. Dr. Uwe Schwab, bei der IHK zuständig für die Aus- und Weiterbildung, bemängelt hier die schwindende Bereitschaft der Jugend, in technische Berufe oder Studiengänge zu gehen.
Wissen wird zunehmend im Betrieb vermittelt, Zeugnisse verlieren an Bedeutung. Aber soziale Kompetenzen und Sprache gewinnen an Bedeutung, so Maier. Schwarz ergänzt, dass sich Berufsbilder stark wandeln werden, aber die duale Ausbildung muss uns erhalten bleiben.
Der stellvertretende Präsident der IHK, Sven-Oliver Maier, sieht vor allem die Lage im Einzelhandel als nicht so rosig an. Besonders kleinere Unternehmen, die oft nicht viel Kapital ausgestattet sind, stehen vor einer angespannten Zukunft. Hier belastet auch der Internethandel, der in der Coronazeit viele Kunden dem stationären Handel abgeworben hat.
Vizepräsidentin Gabriele Schwarz sieht auch die Logistikbranche in der Krise. Es feht in diesem Jahr der „Umsatzkick“ zum Frühjahr hin. Schwarz klagt zudem über keine gewerbefreundliche Verwaltung im Landkreis. Das geht von der Führerscheinstelle bis zur Gewerbeflächenvorhaltung, erklärt Schwarz.
Imgart ergänzt: „ die Umfrage bedeutet nicht, dass nun alle in Butter ist“.
Das „im Grunde gute Thema `Nachhaltigkeit` wird bürokratisch getrieben und dies ist schlecht“, erläutert Imgart und ergänzt, dass die Energiebeschaffung heute ein risikobehaftetes Tagesgeschäft ist. Das einig positive ist zurzeit, dass es keine Mangellage gibt.
Strassacker: „man macht keine langfristigen Pläne mehr“. Maier: „Problem ist die Koppelung verschiedener Energieträger bei der Preisfestsetzung“.
Imgart betont aber, dass einige Betriebe den Wechsel z.B. in die Elektromobilität gut schaffen. Hier wird in Innovationen investiert.
„Man kann bald nicht mehr atmen“, kritisiert Strassacker die immer noch wachsende Bürokratie. Das Thema ist schon so lat, aber es wird eher schlechter als besser. „Es ist eine Krähe, die uns auffrisst“ .
Für die Zukunft sieht Imgart die Pflicht, die Widerstandsfähigkeit der Betriebe gegen plötzliche Ereignisse wie Krieg, Pandemie oder Energieknappheit zu verbessern und die Flexibilität zu erhöhen.
Joachim Abel