Bereits zum 69. Mal fand heute (9. Februar 2022) die vom Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) Weinsberg gemeinsam veranstaltete Württembergische Weinbautagung statt. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie wurde die Veranstaltung wie bereits im vergangenen Jahr ausschließlich virtuell umgesetzt.
2021 war kein einfaches Jahr für die Weinbranche und stellte sie sowohl betrieblich als auch in vielen anderen Gebieten vor große Herausforderungen. Insbesondere die langanhaltenden Niederschläge in den Frühjahrsmonaten und der Spätfrost sorgten regional für nicht unerhebliche Ertragseinbußen. Um gesundes Lesegut zu erhalten, waren aufwändige Schutzmaßnahmen erforderlich, die den Winzerinnen und Winzern ein hohes Arbeitspensum mit anhaltenden Arbeitsspitzen abverlangten. Die Lese war dann später als in den Vorjahren terminiert und brachte dank der warmen Herbsttage und kühlen Nächte doch noch einen qualitativ runden Jahrgang mit fruchtbetonten Weinen hervor. Die geschätzte Erntemenge lag mit bundesweit 8,7 Millionen Hektolitern nur leicht unter dem langjährigen Mittel.
„In Württemberg legte der Weißmostertrag im Vergleich zum Vorjahr mit 44 Prozent doppelt so stark zu wie die Menge an rotem Traubenmost“, so Dr. Kurt Mezger, Leiter der Abteilung „Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen“ des RPS, anlässlich seiner Begrüßung der knapp 700 Teilnehmenden der 69. Württembergischen Weinbautagung. Besonders die herausragende Qualität des Württemberger Rieslings mit seiner unverkennbaren Frucht-Säurearomatik und die wichtigen Rotweinsorten Trollinger und Lemberger werden die Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber überzeugen.
Peter Hauk MdL, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz betonte in seiner Ansprache: „Der Landesregierung ist es ein großes Anliegen, die Weingärtnerinnen und Weingärtner im Land zu unterstützen. Aus diesem Grund wurde die Förderung von Ertragsversicherungen im Obst- und Weinbau gegen die Risiken Starkfrost, Sturm und Starkregen nun als Förderprogramm verstetigt. Darüber hinaus wurde mit der Förderung des Aufbaus gemeinschaftlich genutzter Infrastruktur zur Frostschutz- und Trockenheitsberegnung ein weiterer Baustein geschaffen, unseren Weingärtnerinnen und Weingärtnern beim Aufbau eines betrieblichen Risikomanagements zum Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels zu unterstützen.“
Themen und Vorträge der 69. Württembergischen Weinbautagung
Nach dem Grußwort von Minister Peter Hauk MdL und der Begrüßung von Abteilungspräsident Dr. Kurt Mezger leitete Dr. Dieter Blankenhorn, Direktor der LVWO Weinsberg, zu den Fachvorträgen über.
Weinbau – natürlich nachhaltig? Im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung einigten sich bereits 2015 die Vereinten Nationen auf 17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung und widmeten sich der globalen Herausforderung. Eines dieser Ziele ist die Sicherstellung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster. Wie ist hier der Weinbau aufgestellt? Dieser Frage beleuchteten die anschließenden Fachvorträge der namenhaften Referierenden. Dr. Alfred Strigl, Plenum GmbH, machte Mut zum Wandel. Dieser mache vielen Angst, anderen Hoffnung. „Alle eint jedoch das Streben nach dem Guten und Schönen in der Welt. Pfade, die uns Investitionen und Routinen vorgeben, können wir verlassen“, so Dr. Strigl. Anschließend stellte er anhand der Südtiroler Weinagenda 2030 einen möglichen Weg in die Zukunft vor. Diese hat sich das Ziel gesetzt, die Zukunft jetzt zu beginnen und mit großen Schritten und gezielten Maßnahmen in fünf verschiedenen Aktionsfeldern – Boden, Rebe, Wein, Menschen, Land – Ansatzpunkte für nachhaltigen Weinbau zu entwickeln.
Prof. Dr. Martina Böhm von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg griff die Frage auf, ob sich nachhaltiges Verhalten angesichts der politischen wie gesellschaftlichen Debatte lohne. Honoriert der Konsument dies auch in ganz konkreter Form in einer höheren Zahlungsbereitschaft? Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel positioniert sich im Kontext dieser Überlegungen immer mehr als Treiber von Nachhaltigkeit. Sortimentspolitik ist die zentrale strategische Leistung des Lebensmittelhandels. Wirkungsvolle Differenzierung und positive (Kunden-)Wahrnehmung gelingen über ein nachhaltiges und ethisches Angebot. Ein nachhaltiges, kunden- wie endverbraucherorientiertes Unternehmenskonzept ist damit für die Weinbranche nicht nur wünschenswert, sondern überlebensnotwendig.
Dr. Helena Ponstein, Klimaneutraler Wein, Deutsches Institut für Nachhaltige Entwicklung e. V., zeigte auf, welche Treibhausgasemissionen durch die weltweite Weinproduktion entstehen und was Unternehmen der Branche konkret tun können, um klimafreundlich zu wirtschaften. „Deutscher Wein hat das Potential, etwa 50 Prozent der Treibhausgasemissionen durch Wein in der 0,75 Liter-Flasche mittels eines durchdachten Mehrweg-Systems und Ökostroms zu vermeiden“, so Dr. Ponstein. Durch die Herstellung einer Flasche entstehen im Durchschnitt etwa 830 Gramm CO2- Äquivalent. Davon entfällt ein großer Teil auf die Glasflasche, gefolgt vom Energiebedarf im Weinkeller sowie bei der Abfüllung. Die Traubenproduktion hat einen eher geringeren Einfluss auf die Emissionsbilanz. Mit konkreten Fragen zu der Verminderung des Ressourcenverbrauchs, dem lokalen Bezug von Betriebsmitteln und der Suche nach Alternativen zur Glasflasche wurden strategische Handlungsfelder aufgezeigt.
Franz G. Rosner, Höhere Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, zeigte im abschließenden Vortrag anhand der Nachhaltigkeitszertifizierung im österreichischen Weinbau Möglichkeiten der Branche auf. Die Zertifizierung „Nachhaltig Austria“ bewertet rund 360 Maßnahmen von der Traubenproduktion, der Weingartenanlage bis zur Weinerzeugung und Verkaufsbereitstellung. Dabei stehen die Auswirkungen durch Treibhausgase und die Ressourcenschonung sowie soziale und ökonomische Maßnahmen im Mittelpunkt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben alle Maßnahmen in neun Nachhaltigkeitskategorien bewertet. Der Betrieb bekommt einen Überblick über seinen aktuellen Nachhaltigkeitsstatus sowie Verbesserungsvorschläge in den Kategorien aufgezeigt, um eine nachhaltigere Produktion anzuregen.
Auch das Thema Pflanzenschutz ist bei der Württembergischen Weinbautagung von Bedeutung. Karl Bleyer von der LVWO Weinsberg zeigte anlässlich des schwierigen Anbaujahres 2021 die Grenzen des Pflanzenschutzes auf und legte mögliche Strategien für das aktuelle Anbaujahr dar. Das Thema Pflanzenschutzmittelreduktion beleuchtete Dr. Michael Breuer, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg. Er zeigte die rechtlichen Hintergründe hinsichtlich des Bundesnaturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes auf und welche Maßnahmen im Weinbau von Bedeutung sein könnten, um die Menge an Pflanzenschutzmitteln dauerhaft zu reduzieren. So könnte die Nutzung von Prognosemodellen oder auch der Einsatz sogenannter abdriftmindernder Technik zukünftig stärker in den Fokus rücken. Dr. Manuel Becker, Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, zeigte in seinem Vortrag den gültigen rechtlichen Rahmen sowie die neuen Entwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten von Drohnen in der Steillage auf.
Hintergrundinformationen:
Die Württembergische Weinbautagung findet bereits zum 69. Mal statt. Die Organisation und Durchführung liegt in den Händen des Regierungspräsidiums Stuttgart und der LVWO. Die LVWO ist eine Landesanstalt des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.
PM Regierungspräsidium Stuttgart