2022 steht vor der Tür – das Jahr, in dem die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen, der Ausstieg aus der Kohleverstromung beschleunigt werden soll und eine neue Bundesregierung den Klimaschutz beherzt angehen will. Der Fachverband Biogas sieht darin eine große Chance und viele neue Aufgaben für die Branche.
Freising. Biogas wird eine entscheidende Rolle bei der Energieversorgung der Zukunft spielen – davon ist der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, überzeugt. Vor allem im Stromsektor, aber auch darüber hinaus. Die Weichen werden im kommenden Jahr gestellt.
„Wir haben über 9.500 Biogasanlagen im ganzen Land, die eine sichere Stromversorgung gewährleisten können zum Ausgleich fluktuierender Energieträger wie Photovoltaik und Windenergie“, sagt Seide. Viele dieser Anlagen seien bereits auf die flexible Stromerzeugung ausgelegt, doch das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Er fordert, dass alle bestehenden Anlagen so schnell wie möglich mit zusätzlichen Gasspeichern ausgestattet werden und einen Zugang zum Gasnetz erhalten. Dann könnten sie selbst an dunklen windstillen Tagen, an denen der eigene Gasspeicher bereits aufgebraucht ist, das bis dahin grüne Gas aus dem Gasnetz verstromen und eine „Dunkelflaute“ verhindern.
„Allein wenn wir den bestehenden Biogas-Park erhalten und optimieren, senkt das signifikant den Bedarf an neuen Gaskraftwerken“, versichert Seide. Die vielen kleinen, dezentralen (Bio)Gaskraftwerke können nicht nur eine sichere Stromversorgung garantieren, sie liefern diesen Strom zudem noch günstiger als neue Großkraftwerke. Und mit der bei der Stromerzeugung anfallenden Wärme könnten darüber hinaus zahlreiche Ortschaften mit regionaler, klimafreundlicher Heizenergie versorgt werden, erklärt der Präsident.
Wie genau der Strommarkt der Zukunft aussehen könnte, dazu hat der Bundesverband Erneuerbare Energie Mitte Dezember seine Strommarktdesignstudie vorgestellt. Auch darin wird die wichtige Rolle von Biogas in Ergänzung zu Sonne und Wind erläutert.
Um das Potenzial von Biogas im Stromsektor zu heben, hat der Verbandsvertreter klare Forderungen an die Politik: Investitionshemmnisse im Erneuerbare-Energien-Gesetz müssten abgeschafft werden, zum Beispiel die endogene Mengensteuerung, nach der in einer unterdeckten Ausschreibung jedes fünfte Gebot gestrichen wird, aber auch die Südquote, die absurder Weise zu einem Abbau gesicherter Leistung im Norden des Landes führen würde.
Ganz wichtig sei in diesem Zusammenhang auch die Vereinfachung und Verkürzung der Genehmigungen. Aktuell dauere diese für eine neue Biogas- bzw. Biomethananlage drei bis fünf Jahre, weiß der Anlagenbetreiber Horst Seide. Das müsse in Zukunft schneller und effizienter laufen.
Neben Strom und Wärme werde Biogas auch im Kraftstoffsektor gebraucht, speziell im Schwerlastverkehr und in der Landwirtschaft, in Form von CNG und LNG. Seit August dieses Jahres nutzt der Landwirt selbst einen gasbetriebenen Schlepper, den er an seiner eigenen Biogastankstelle betankt Das klimafreundliche Biomethan ist laut Seide überall dort die Option der Wahl, wo die Elektromobilität an ihre Grenzen stößt.
Eine weitere ganz wichtige Aufgabe von Biogas sieht er bei der Entnahme von CO2 aus der Luft, der sogenannten „negativen Emission“: „Wir holen Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre und speichern es dauerhaft. Wenn wir klimaneutral werden wollen, sind technologische CO2-Senken unverzichtbar.“ Biogasanlagen können CO2 abspalten und verflüssigen oder über den Humusaufbau auf den Feldern im Boden binden – auch über artenreiche Blühpflanzen.
Nach Jahren der Stagnation erwartet der Präsident des Fachverbandes Biogas für die 2020er Jahre eine Renaissance der Biogasnutzung. „Wenn wir es ernst meinen mit der klimaneutralen Volkswirtschaft – und hierzu gibt es keine Alternative – dann geht dieser Weg nur mit Biogas“, resümiert Seide.
PM Fachverband BIOGAS e.V.