IHK-Organisation erwartet vom Bund-Länder-Gipfel kommende Woche klare Öffnungsstrategie für Wiederanfahren der Wirtschaft

Viele Gewerbetreibende befinden sich in einer dramatischen Situation, wie die aktuelle BWIHK-Konjunkturumfrage zeigt. Fünf bis sechsmal so viele Betriebe wie vor der Krise stehen vor dem Aus, insgesamt 17 Prozent der Befragten melden bedenkliche Liquiditätsengpässe. Geschäftsaufgaben sind mittlerweile traurige Realität geworden. Daher erwarten die zwölf Industrie- und Handelskammern im Südwesten vom Bund-Länder-Gipfel kommenden Mittwoch endlich eine verlässliche Perspektive.

Öffnungsstrategie mit klaren Leitplanken

„Unsere Betriebe im Land haben mit Blick auf den kommenden Bund-Länder-Gipfel eine glasklare Erwartung: Es muss eine Öffnungsstrategie auf den Tisch, die aufzeigt, wann und unter welchen Bedingungen das wirtschaftliche Leben in der Breite wieder hochgefahren werden kann. Tausende geschlossene oder indirekt betroffene Unternehmen erbringen seit Wochen, ja gar seit Monaten, ein Sonderopfer stellvertretend für die gesamte Wirtschaft. Dazu zählen etwa der stationäre Einzelhandel, körpernahe Dienstleistungen, das komplette Gastgewerbe, die Reise- und Freizeitwirtschaft sowie Kultureinrichtungen. Und dass, obwohl vorbildliche Hygienekonzepte existieren. Die Politik ist jetzt gefordert, den Weg aus dem Lockdown aufzuzeigen, es gilt keine Zeit mehr zu verlieren. Das zeigen die dramatischen Anrufe, Briefe und E-Mails, die jede einzelne unserer IHKs tagtäglich erreichen. Deshalb muss auf Grundlage bewährter Hygienekonzepte rasch eine Rückkehr zu einem geordneten Geschäftsbetrieb möglich gemacht werden“, betont Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK). Die Öffnung sollte aus einem Guss, ohne Rechtsunsicherheiten und diskriminierungsfrei ablaufen, um Wettbewerbsverzerrungen im Kern auszuschließen. Dazu brauche es ein abgestuftes Öffnungskonzept mit klaren Zielwerten, welches die nötige Planungssicherheit für Soloselbständige, KMU und auch große Betriebe gleichermaßen schaffe. Auf dem Weg dorthin könne beispielsweise Einzelhandelsbetrieben die Vergabe von Privatterminen erlaubt werden. Kundenansammlungen und Warteschlangen würden in und vor den Geschäften damit vermieden. Die Einhaltung der in den Betrieben bewährten Hygiene- und Abstandsregeln und die Erfassung der Kontaktdaten würden einen hohen Grad an Infektionsschutz sicherstellen. Damit könne der wichtige Gesundheitsschutz mit notwendigem Wirtschaftsschutz klug zusammengeführt und eine längerfristig gesicherte Öffnung ermöglicht werden. „Denn dieser Gesamtfahrplan muss auch dazu dienen, einen dritten Lockdown unter allen Umständen zu vermeiden“, so Grenke weiter.

Endlich fließende und lückenlose Finanzhilfen

Wichtig ist außerdem aus Sicht des BWIHK, dass die zahlreichen Hilfsprogramme des Bundes unverzüglich ausgezahlt werden. Es ist oberstes Gebot, dass alle notleidenden und hilfsbedürftigen Unternehmerinnen und Unternehmer Unterstützung erhalten. „Das beste Hilfsprogramm bringt nichts, wenn es zu spät oder gar nicht ankommt. Wichtig ist auch, dass die Maßnahmen des Bundes zielgerichtet durch entsprechende Landesprogramme oder Hilfen auf lokal-kommunaler Ebene ergänzt werden. Alle politischen Akteure dürfen darin nicht nachlassen und müssen weiter an einem Strang ziehen. Ich möchte eines Morgens nicht in einem Baden-Württemberg aufwachen, das mir verwaiste Innenstädte zeigt, frei von kulturell-kreativen Angeboten und ohne kulinarische Genüsse sowie Hotels zum Wohlfühlen ist“, so der BWIHK-Präsident. Positive Beispiele des Zusammenhalts in den Kommunen gibt es viele. So wurde in Tübingen jüngst ein Unterstützungsfonds eingerichtet, der notleidenden Ladenbesitzern Mieterlasse ermöglicht. Die IHKs im Land werden den bestehenden Dialog zwischen Verwaltung und Wirtschaft weiter verstärken. Die vom Koalitionsausschuss beschlossene Erweiterung des steuerlichen Verlustrücktrags ist aus BWIHK-Sicht ein erster richtiger Schritt. Wichtig ist aber auch die die zeitliche Streckung der Verlustrechnung auf bis zu fünf Jahre.

Drei Punkte für das Öffnungskonzept                                                           

Drei Punkte sind aus Sicht des BWIHK besonders zielführend für ein belastbares Öffnungskonzept.

Erster Punkt ist die Fokussierung auf die Kontaktintensität. Es gilt, durch ein gutes Monitoring mit entsprechender Datenbasis die Hauptinfektionsherde eindeutig zu identifizieren. Vermutungen zum Ansteckungsrisiko sollten mithilfe statischer Auswertungen überprüft werden. Es darf keinen föderalen Flickenteppich geben, nur ein klares, bundesweit einheitliches Vorgehen. Ebenso müssen dafür schnelle und effiziente Abläufe in der Verwaltung ein- oder umgesetzt werden. Genauso braucht es eine angemessene digitale Infrastruktur.

Zweiter Punkt ist die Kapazitätserhöhung und konsequent-rasche Digitalisierung der Gesundheitsämter. Ebenso zentral ist die deutliche Verbesserung bei der länderübergreifenden Kooperation und dem Datenaustausch. Denn so ist eine leistungsfähige wie praxisgerechte Kontaktnachverfolgung auch bei höheren Inzidenzen möglich. Dadurch können künftige Geschäftsschließungen vermieden werden. Dazu bedarf es auch einer Corona-gerechte Lösungsstrategie zur Harmonisierung von Datenschutz und Gesundheitsschutz. Die Möglichkeiten der europäischen Datenschutzgrundverordnung sollten hier geprüft werden.

Dritter Punkt ist die Ausweitung der Teststrategie und die umfassende Bereitstellung von Corona-Schnelltests, so dass noch mehr Infektionen in Alltagssituationen wie beispielsweise am Arbeitsplatz oder im Kundenkontakt erfasst werden können. „Wir müssen das Virus im normalen Wirtschaftsleben schneller finden und eindämmen“, betont Grenke. So könnten die Tests auf freiwilliger Basis von Unternehmen durchgeführt, die Kosten von öffentlichen Stellen übernommen oder sinnvoll bezuschusst werden. „Je nach Branche und Publikumsverkehr helfen Tests an öffentlichen Plätzen weiter. Auch ein Blick ins Nachbarland Österreich ist im Rahmen der geplanten Wiederöffnung interessant. Hier sind beispielsweise bei körpernahen Dienstleistungen Vorab-Schnelltests verpflichtend“, so Grenke. Auch müsse die Impflogistik auf breitere Füße gestellt werden, wenn ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe. „Große und auch mittlere Unternehmen sind auf freiwilliger Basis bereit, ihre Belegschaften durch die Betriebsärzte zu impfen. Dies wird so ja schon seit Jahren bei der normalen Grippeschutzimpfung gehandhabt und hat sich bewährt“, schließt der BWIHK-Präsident.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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