Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) veröffentlicht heute unter dem Titel »Starke Wirtschaft – starkes Land« seine politischen Impulse für die nächste Legislaturperiode des baden-württembergischen Landtags. In der Corona-Ausnahmesituation hat sich gezeigt, wie gut Wirtschaft und Politik gemeinsam mit raschem Handeln, außergewöhnlichen Maßnahmen und entschlossenem Einsatz viel unternehmerische Not lindern konnten.
Beispielhaft ist hier die Soforthilfe für Freiberufler, Soloselbständige und KMU. Es gilt nun, die nächsten fünf Jahre daran anzuknüpfen: „Gerade die Corona-Pandemie hat nochmals gezeigt, wie wichtig Digitalisierung und die Transformation von Prozessen und Geschäftsmodellen für die Südwestwirtschaft sind. Hierfür brauchen wir kluge politische Weichenstellungen und ein klares Bekenntnis zum Ausbau der notwendigen Infrastruktur sowie zu Projekten in vielen Bereichen: von A wie Ausbildung bis Z wie zentrale, bürokratiearme Angebote einer digitalen Verwaltung“, betont Wolfgang Grenke, BWIHK-Präsident, die größten Aufgaben im Land. Dies gelingt, wenn sie vor allem technologieoffen, chancenergreifend und ohne Scheuklappen angepackt werden.
„Gute Maßnahmen müssen nicht viel kosten und bringen zumeist einen erheblichen Mehrwert für die Betriebe im Land“, führt der BWIHK-Präsident weiter aus. Die zahlreichen Ansatzpunkte im Impulspapier sind in vier Säulen gefasst. Eine Säule ist Standortpolitik und Wertschöpfung attraktiv halten. Verschiedene Branchen brauchen unterschiedliche Rahmenbedingungen, aber eines ist gleich: Alle benötigen zukunftsfähige Gewerbeflächen, die ressourcenschonende Flächennutzung sinnvoll mit Mobilitäts-, Energie- und Logistikkonzepten verbinden. „Grundlagen werden bereits in der Bauleitplanung, die wir dringend beschleunigen müssen, und im Landesentwicklungsplan (LEP) gelegt. Er muss novelliert werden, um den stetig wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Aktuell ist es kaum noch möglich, bei großflächigen Gewerbestandorten das so genannte »Anbindegebot« einzuhalten. Deshalb setzt sich die IHK-Organisation im Land aktiv für Anpassungen im LEP sowie für sinnvolle Ausnahmen ein, wie z. B. Ausweisungen an Anschlussstellen von Autobahnen oder vierspurigen Bundesstraßen.“
Zur Säule Wirtschaft der Zukunft prägen fordert Grenke eine aus Wirtschaftssicht dringend nötige zukunftsweisende Innovationspolitik – auch in der öffentlichen Verwaltung. „Innovationskraft im Land sichern wir vor allem über kluge Innovationsförderung. Hier denke ich an den raschen Schluss an die schon allzu lange bestehenden Förderlücke zwischen den Landes-Innovationsgutscheinen und dem ZIM-Programm des Bundes. Unser Vorschlag ist ein Gutschein mit höherer Fördersumme und die breitenwirksame Öffnung für Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten. Auch niederschwellige Förderinstrumente wie die Digitalisierungsprämie müssen verstetigt werden – über die Corona-Zeit hinaus. In der Vergangenheit wurde trotz extrem starker Nachfrage lange politisch um deren Fortsetzung und die finanzielle Ausstattung gerungen. Das muss künftig vermieden werden. Eine moderne, digital-schlanke Verwaltung ist heute keine Frage des Ob, sondern des Wie. So können die bislang umfangreichen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten überflüssig gemacht und aufwändige Behördengänge ersetzt werden. Generell muss die bürokratische Belastung reduziert werden, mit der gerade KMU besonders zu kämpfen haben. Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg (NKR) hat bereits zahlreiche gute Vorschläge erarbeitet. Das Gremium sollte deshalb weiter gestärkt werden. Auch müssen die Vorschläge des NKR unbedingt in einem verbindlichen Bürokratieentlastungsprogramm umgesetzt werden. Wir brauchen das mindestens einmal pro Legislatur“, so der BWIHK-Präsident.
Zentrale Infrastrukturen ausbauen, digital wie analog, zeichnen die dritte Säule aus. Die Informations- und Telekommunikationstechnik (IKT), ist für Grenke entscheidender Zukunftstreiber, dem noch mehr Beachtung und Initiative zukommen muss: „Viele Unternehmen sehen in unseren Umfragen Baden-Württemberg bei IKT-Technologien im Rückstand – seien es Breitband, 5G-Mobilfunk oder generell digitale Infrastruktur. Dies ist ein KO-Kriterium für zahlreiche Industrie-4.0-Lösungen, smarte Streaming-Anwendungen sowie digitale Verwaltungsprozesse. Bremse ist vielfach die sogenannte »Aufgreifschwelle«, die den Glasfaserausbau erst ab einer Unterschreitung von 30 MBit/Sekunde bei Übertragungsgeschwindigkeiten förderfähig macht. Dadurch fallen viel Unternehmen aus der Förderung heraus. Eine IHK-Studie hat gezeigt, dass Unternehmen umso eher Zukunftsanwendungen nutzen – z B. eigene Clouds für große Datenmengen, je höher die verfügbaren Bandbreiten sind. Deshalb muss der flächendeckende Glasfaserausbau ohne diese Schwelle das klare Ziel sein – zumindest jedoch eine signifikante Erhöhung und ständige Anpassung an das technisch Mögliche“, zeigt sich Präsident Grenke entschlossen.
Säule vier Lebenslanges Lernen fördern und Fachkräftepotenziale erschließen liegt Grenke als Unternehmer und Gründer besonders am Herzen: „Der Mangel an Fachkräften mit beruflicher Aus- und Weiterbildung ist sehr belastend – auch für den „Restart“ nach der Corona-Krise. Solche Fachkräfte sind ungemein wichtig für unsere Zukunft. Diese Lücke müssen wir mittelfristig unbedingt schließen, wenn wir den Anschluss an den internationalen Wettbewerb nicht verlieren wollen. Deshalb gilt für alle Akteure, berufliche Bildung kontinuierlich zu stärken und fit für die Zukunft zu machen. Dies gelingt vor allem über digitale Lernplattformen, für die förderrechtliche Rahmenbedingungen auf neue Angebotsformen flexibel abzustimmen sind. Ich denke hier beispielsweise an das Aufstiegsfortbildungsgesetz oder die ESF-Fachkursförderung. Auch bin ich entschieden dafür, die Weiterbildungsabschlüsse der IHK-Berufe mit HandwerksmeisterInnen gleichzustellen. Der Aufstiegsbonus, der im Handwerk mit der Meisterprämie von 1.500 Euro bereits gewährt wird, sollte der neuen Landesregierung als sinnvolle Zukunftsinvestition auch bei IHK-Berufen nicht zu viel sein. Dass bislang der Konditor- oder Bäckermeister eine Prämie für seinen Abschluss erhält – der Küchenmeister aber nicht – ist schlicht eine Ungerechtigkeit“, schließt der BWIHK-Präsident.
· Das gesamte Impulspapier des BWIHK für die 17. Legislaturperiode finden Sie hier.
· Im Anhang finden Sie eine Übersicht von zentralen Kernpunkten des Papiers.
Anhang: Ausgewählte Impulse auf einen Blick:
Säule 1 – Standortpolitik und Wertschöpfung attraktiv halten
Es gilt, den Standort attraktiv zu halten und Wertschöpfung dort zu fördern, wo immer es Politik und Wirtschaft gemeinsam möglich ist. Die Industrie und der größte Teil der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Land stecken mitten im Transformationsprozess, den die fortschreitende Digitalisierung anschiebt – vor, während und nach der Corona-Pandemie. Diese macht zwar aktuell einen Perspektivwechsel hin zum reinen Betriebserhalt und zur Liquiditätssicherung notwendig, hält diesen Prozess mit all seinen Herausforderungen jedoch nicht auf.
Wichtige Maßnahmen sind deshalb,
· den Zugang zu Finanzierungsmitteln wie Förderprogrammen, Krediten und Bürgschaften dauerhaft zu vereinfachen – für Unternehmer und (Start-up-) Gründer. Die derzeitigen Corona-Programme sind ein Best-Practice, an das die Politik nach der Wahl anknüpfen sollte (Impulspapier Seite 4/5);
· mit modernen und bedarfsgerechten Planungsverfahren zukunftsfähige Gewerbestandorte zu schaffen. Die Grundlagen dazu werden in der Bauleitplanung und im Landesentwicklungsplan gelegt, die an aktuelle Erfordernisse anzupassen sind, z. B. über ein zeitgemäßes «Anbindegebot». Eine Beschleunigung von Planungsverfahren ist dabei unabdingbar – analog der Verfahrensänderungen für Straßeninfrastrukturprojekte (Impulspapier Seite 6/7);
· die Internationalisierung gezielt zu unterstützen. Jeder zweite Euro in Baden-Württemberg wird im oder mit internationalem Geschäft erwirtschaftet. Dazu müssen Unternehmen jeder Größenklasse vor Ort präsent und sichtbar sein. Gerade die Gruppenbeteiligung von Betrieben an Auslandsmessen ist dafür ein probates Mittel, das dringend wieder eingeführt werden sollte
(Impulspapier Seite 8/9);
· dem Einzelhandel in seinem Strukturwandel passgenaue Konzepte und Förderungen an die Seite zu stellen. Insbesondere das Dialogprojekt »Handel 2030« ist ein Instrument, das die überwiegend mittelständisch geprägten Handelsbetriebe vernetzt und Best-Practice-Austausch fördert. Die Projektmittel müssen deshalb unbedingt über das Jahr 2021 hinaus gewährt und basierend auf dem ersten Abschlussbericht gezielt ausgebaut werden (Impulspapier Seite 12/13);
Säule 2 – Die Wirtschaft der Zukunft prägen
Baden-Württemberg lebt von seiner Innovationskraft und ist in vielen Bereichen Taktgeber und Marktführer. Deshalb muss gute Wirtschaftspolitik die Zukunft dieser Betriebe und der gesamten Südwestwirtschaft fördern und unterstützen – in allen Branchen und Größenklassen.
Wichtige politische Impulse sind deshalb,
· die Förderlücke bei den Innovationsgutscheinen zum ZIM-Programm des Bundes zu schließen – beispielsweise über einen Gutschein mit höherer Fördersumme, Vorschlag 40.0000 Euro. Diese Lücke wird seit geraumer Zeit von der IHK-Organisation aufgezeigt. Genauso gilt es, alle Landesgutscheine für ein breiteres Feld an Betrieben mit bis zu 249 Beschäftigten zu öffnen, um echte Breitenwirkung zu entfalten. Die Digitalisierungsprämie muss angemessen finanziell unterlegt und verstetigt werden. Kein anderes Instrument ist aktuell so gut zur Förderung niederschwelliger Digitalisierungsvorhaben von KMU geeignet, wie dieses. Ein Anschluss an das kommende Bundesprogramm »Digital Jetzt« sollte erfolgen (Impulspapier Seite 20/21 und Seite 22/23));
· KMU zu unterstützen, Zukunftstechnologien verstärkt zu nutzen. Gerade Künstliche Intelligenz (KI) nimmt hier eine Schlüsselrolle ein. Ansätze wie das »Zentrum KI-Mittelstand« im Cyber Valley müssen landesweit Wirkung entfalten. Baden-Württemberg braucht weitere international sichtbare KI-Leuchttürme. Der Machbarkeitsstudie für einen KI-Innovationspark muss nach Evaluation rasch eine Umsetzung folgen (Impulspapier Seite 20/21);
· umfassende Datensicherheit für digitales Wirtschaften zu gewährleisten. Gerade KMU sind mehr und mehr durch Cyberkriminalität bedroht, können aber aus diversen Gründen Angriffe teilweise nur ungenügend abwehren. Sie sind auf Schutzprojekte wie die Cyberwehr sowie die geplante Cybersicherheitsagentur des Landes angewiesen. Die Agentur muss deshalb schnellstmöglich umgesetzt‚ die noch immer in einer Testphase auf den Raum Karlsruhe begrenzte Cyberwehr schnellstmöglich landesweit ausgerollt werden (Impulspapier Seite 22/23);
· hohe bürokratische Belastungen abzubauen und Verwaltungsverfahren medienbruchfrei zu digitalisieren. Unternehmen bemängeln dies in IHK-Umfragen stetig als TOP-Forderungen. Das Land kann nicht länger auf umfassende E-Government-Anwendungen verzichten, die in zahlreichen europäischen Ländern längst gängige Praxis sind. Auch müssen die Empfehlungen des landeseigenen Normenkontrollrats mindestens zu einem verpflichtenden Arbeitsprogramm für Bürokratieabbau in der Verwaltung führen, das Grundsätze wie „one in-one out“ konsequent berücksichtigt (Impulspapier Seite 24/25).
Säule 3 – Zentrale Infrastrukturen ausbauen
Zukunftsfähige Infrastrukturen haben eine Gemeinsamkeit – alle werden digital gesteuert. Angemessen und rasch in Breitband und 5G-Mobilfunk zu investieren, darf deshalb keine Frage mehr sein. Der Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur muss smart und schnell erfolgen, um den aktuellen und kommenden Herausforderungen und der Transformation der Wirtschaft gerecht zu werden.
Wichtige Maßnahmen sind deshalb,
· den Breitband-Ausbau mit Glasfaser in der ganzen Fläche des Landes umzusetzen und weiße Flecken zu schließen. Dazu ist eine Änderung der »Aufgreifschwelle« (30 Mbit/S) nötig. Sofern die Schwelle nicht fällt, muss sie zumindest deutlich angehoben werden, damit Unternehmen die notwendigen Datenübertragungsraten für ihre Geschäftsprozesse erhalten (Impulspapier Seite 28/29);
· die Leistungsfähigkeit des Mobilfunknetzes lückenlos zu verbessern und durch konsequenten 5G-Ausbau gleich zukunftssicher machen. Für 5G werden aufgrund geringerer Übertragungsreichweite deutlich mehr Sendeanlagen gebraucht; die Landespolitik sollte daher eine aktivere Rolle als Förderer wie Vermittler in die Bevölkerung einnehmen. Regionale 5G-Campusnetze sollten auch KMUs zu Verfügung stehen, weshalb eine Förderung beim Aufbau solcher Netze zu prüfen ist (Impulspapier Seite 28/29);
· die bauliche Infrastruktur ebenfalls zukunftssicher zu gestalten. Daher sind auch die Verkehrswege im Land angemessen zu sanieren und auszubauen. Die baden-württembergische Wirtschaft fordert deshalb, die Ausgaben für Neu- und Ausbau sowie Erhaltung landeseigener Straßen und Bauwerke mindestens auf dem Niveau von 220 Mio. Euro zu verstetigen. Darüber hinaus müssen die Planungskapazitäten in den Bauverwaltungen weiter erhöht werden (Impulspapier Seite 32/33);
· die prekäre Situation bei den Lkw-Parkplätzen zu entspannen. Die Stellplatzkapazitäten an Bundesfernstraßen für Lkw sind erschöpft. Deshalb müssen dringend neue Stellplätze, Unterkunfts- und Sanitärmöglichkeiten geschaffen werden. Zum Beispiel über Investitionsanreize für Kommunen (Impulspapier Seite 32/33);
Säule 4 – Lebenslanges Lernen fördern und Fachkräftepotenziale erschließen
Die Corona-Pandemie zeigte eines deutlich auf: Es sind unsere gut ausgebildeten Fachkräfte, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft auch unter größtem Druck und mit völlig neuen Aufgabenstellungen am Laufen halten. Die duale Aus- und Weiterbildung bietet dafür das richtige Rüstzeug. Es gilt, dieses Fundament gemeinsam weiter zu stärken und die vielfältigen Chancen noch bekannter zu machen.
Wichtige Ansatzpunkte sind deshalb,
· Lernen und Lehren digitaler zu machen – in Angebot und Ausstattung. Dabei muss neben der Auflösung des chronischen Lehrermangels auch eine sachlich angemessene Ausstattung von (Berufs-)Schulen erfolgen. Inhaltlich müssen digitale Lernplattformen und digitale Medien unmittelbar und verstärkt im Schulalltag integriert werden. Erfahrungswerte aus der Corona-Zeit sollten in die Umsetzung einfließen, um den Vor-Ort-Unterricht sinnvoll zu ergänzen. Dazu müssen ortsnahe Berufsschulangebote erhalten bleiben (Impulspapier Seite 34/35);
· IHK-Weiterbildungsabschlüsse gleichwertig zum Handwerk zu fördern. Handwerksmeister erhalten für Ihren Weiterbildungsabschluss eine Meisterprämie. IHK-Abschlüsse der in der Wirtschaft gesuchten DQR-Stufen 6 und 7 (z. B. Meister, Fachwirte und Betriebswirte) nicht. Daher sollten alle Absolventen der Höheren Berufsbildung eine finanzielle Anerkennung in Höhe von 1.500 Euro erhalten (Impulspapier Seite 36/37);
· einen Digitalpakt für Hochschulen in Baden-Württemberg zu schließen. Denn auch die akademische Lehre profitiert vom Corona-Digitalisierungsschub, wodurch das e-Learning Angebot zusätzlich steigt. Die notwendigen umfangreichen Anpassungen zur Einbindung in Studium und Lehre sowie in der Hochschulverwaltung müssen von Beginn an ressourceneffizient, also in hohem Maße kooperativ und hochschulübergreifend vernetzt, umgesetzt werden. Dafür braucht es zusätzliche Mittel, die zusätzlich zur Hochschulfinanzierungsvereinbarung II zweckgebunden bereitgestellt werden. Beispielgebend ist hier der Digitalpakt Hochschule des Landes Hessen (Impulspapier Seite 38/39).
PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag