In der Region Stuttgart zeichnet sich ein spürbarer konjunktureller Abschwung ab. Der Brexit sowie die Handelskonflikte der USA mit China und der EU, dadurch verursachte Veränderungen der Lieferketten sowie Zollerhöhungen und Sanktionen sorgten für höhere Kosten, Unsicherheiten und am Ende für rückläufige Investitionen. Die Auswirkungen zeigten sich vor allem in der exportstarken Industrie und dort im Fahrzeug- und Maschinenbau sowie in der Metallverarbeitung. Auch auf dem Arbeitsmarkt, der in den letzten Jahren zunehmend von Vollbeschäftigung geprägt war, werden nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart die Bremsspuren immer deutlicher. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Region Stuttgart, an der sich etwa 800 Betriebe aller Branchen und Größenklassen im Großraum Stuttgart beteiligt haben.
„Bezogen auf die Gesamtwirtschaft rechnen wir derzeit nicht mit einem Abgleiten der Gesamtwirtschaft in eine Rezession“, konstatiert IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. Die starke Nachfrage nach Arbeitskräften, sichere Jobs, gute Tarifabschlüsse für Beschäftigte und niedrige Zinsen beförderten bislang private Investitionen. So kompensieren aktuell die Bauindustrie und die gute Binnennachfrage im privaten Konsum die negativen Effekte im verarbeitenden Gewerbe. Ebenso die dynamisch wachsende Nachfrage bei Dienstleistungen vor allem in den Bereichen Informations- und Telekommunikation sowie Beratung. Nach vielen Jahren stabilen Wachstums, vollen Auftragsbüchern und Vollbeschäftigung haben viele Unternehmen ein dickes Polster.
Aktuell berichten rund 14 Prozent der Betriebe von einer schlechten Geschäftslage in den letzten Monaten. Knapp die Hälfte befindet sich in einer befriedigenden Situation, über ein Drittel kann von guten Geschäften berichten. Doch in den nächsten zwölf Monaten erwarten 30 Prozent einen Rückgang des Geschäfts, 18 Prozent eine Besserung und gut die Hälfte gleichbleibende Umsätze. Deutlich schlechter sind die Aussichten in der Industrie. Über 40 Prozent der Industriebetriebe gehen in den nächsten zwölf Monaten von einem Rückgang ihres Geschäfts aus. In der Elektrotechnik und im Fahrzeugbau sind es über 45 Prozent, in der Metallverarbeitung und im Maschinenbau 43 Prozent, in Konsumgüterindustrie gut ein Drittel.
„Inzwischen spüren außer dem Bereich Information- und Telekommunikation alle Branchen die Auswirkungen der schwächelnden Industrie“, so IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. Auch in der Bauindustrie ist der Höhepunkt des Booms offenbar erreicht. Nur etwa fünf Prozent der Betriebe erwarten bis Herbst 2020 eine Besserung ihres Geschäfts, knapp 16 Prozent eine Verschlechterung. Negative Geschäftserwartungen überwiegen auch bei Hotels und Gaststätten und im Messetourismus. Die konjunkturelle Eintrübung zwingt die Finanzdienstleister zu Lasten ihrer schon niedrigen Margen ihre Risikovorsorge zu erhöhen.
Die Folgen für den Arbeitsmarkt werden nach Einschätzung der IHK immer mehr spürbar In der regionalen Gesamtwirtschaft wollen über 15 Prozent der Unternehmen Stellen aufbauen, 57 Prozent die Belegschaft halten und gut ein Viertel Personal abbauen. Keinen Stellenaufbau planen die Fahrzeugbranche und metallverarbeitende Betriebe, hier wollen annähernd 60 Prozent Personal reduzieren. In allen anderen Branchen gibt es auch Unternehmen, die ihr Personal aufstocken wollen. Der bisher stets wachsende Personalbedarf ist aber zunächst einmal zu Ende. Der Stellenabbau läuft meist darüber, frei werdende Stellen erst einmal nicht zu besetzen und flexible Beschäftigungsverhältnisse auslaufen zu lassen. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels dürften die Kernbelegschaften derzeit nur selten zur Disposition stehen. Zumal der Fachkräftemangel weiterhin bei jedem zweiten Unternehmen als langfristiges Geschäftsrisiko gesehen wird.
Als weitere Risiken werden neben Brexit, Handelsstreitigkeiten, Zöllen und Sanktionen die Bürokratie, Defizite in der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, Herausforderungen durch nötigen Klima- und Umweltschutz sowie die digitale Transformation genannt. Zugleich vermissen viele Unternehmen positive Impulse durch eine von Entlastung und Entbürokratisierung geprägte Wirtschafts- und Steuerpolitik in Berlin und Brüssel. Breuning: „Eine solche Häufung von negativen Impulsen, Unsicherheiten und großen Herausforderungen hat es lange nicht mehr gegeben.“ Allein ein ungeregelter Brexit würde Deutschland nach Einschätzung der Chefvolkswirte in der IHK-Organisation 0,4 Prozentpunkte des möglichen Wachstums kosten, das mit etwa einem Prozent prognostiziert wird. Dies würde sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken. Dank ihrer innovativen und hochwertigen Produkte und Dienstleistungen sowie ihrer Innovationskraft würden sich die meisten Betriebe dennoch jenseits der aktuellen Probleme gut für den internationalen Wettbewerb gerüstet sehen.
PM IHK Region Stuttgart