Faszinierende großformatige Bilder aus der mehr als 450 Jahre alten ersten Lutherbibel für Württemberg, die im Auftrag von Herzog Christoph 1564 in Frankfurt hergestellt wurde, sind in den nächsten zwei Monaten in einer Ausstellung in der Klosterkirche zu sehen.
Dr. Anette Pelizaeus, vom Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart, gab den zahlreichen Besuchern der Vernissage einen spannenden Einblick in die Entstehungsgeschichte und den Inhalt dieser ganz besonderen Bibel. Herzog Christoph (1550-1568) war es ein religiöses Anliegen, in den Wirren des 16. Jahrhunderts die neue Lehre im ganzen Land durchzusetzen. Deshalb gab er den Druck von 200 Bibeln auf der Grundlage der Lutherbibel von 1535 für die Kirchen seines Herzogtums in Auftrag. Das Besondere an diesem zweibändigen Bibelwerk sind die 134 Illustrationen, die als Holzschnitte gedruckt wurden und dann von Hand coloriert wurden, so dass jede Bibel ein Unikat darstellt.
Die Kunsthistorikerin berichtete, wie das einzige Exemplar im Besitz des landeskirchlichen Archivs auf dem Dachboden eines Pfarrhauses in Erkenbrechtsweiler gefunden wurde: zerfleddert und schwer beschädigt.
Mit modernster Fototechnik wurden Reproduktionen, der im Original nur postkartengroßen Illustrationen auf das Format 90cm x 125cm angefertigt, die jetzt im Kloster Lorch zu sehen sind.
Die Illustrationen des biblischen Geschehens waren deshalb im 16. Jahrhundert von so großer Bedeutung, weil ein Großteil der Menschen nicht lesen konnte, und ihnen so die Geschichten und Gleichnisse verständlich gemacht werden sollte.
Der Verleger der Bibel, Sigmund Feyerabend, wendet sich in seinem Vorwort von 1564 an den „Christlichen Leser“ und nennt, in der Sprache seiner Zeit, den Zweck und die Absicht der bildlichen Darstellungen: „Durch welche wir sonderlich dem gemeinen Mann und der lieben Jugend die Historie… … verständig vor die Augen stellen haben wollen.“
Bei einem Rundgang durch die Ausstellung in der Klosterkirche erläuterte Dr. Pelizaeus an einigen ausgewählten Beispielen den Aufbau und die Machart der farbenprächtigen Illustrationen des Alten und Neuen Testaments.
Mit den Holzstichen werden – wie in unserer Zeit mit Comiczeichnungen – Geschichten erzählt. So wird z.B. bei der Darstellung des Sündenfalls in einem Bild sowohl die Verführung von Adam und Eva durch die Schlange zum Essen der verbotenen Frucht als auch die darauf folgende Vertreibung aus dem Garten Eden gezeigt. Frau Pelizaeus konnte an vielen Beispielen, wie dem salomonischen Urteilsspruch, Petrus als Himmelswächter, der Darstellung der Evangelisten etc. aufzeigen, wie durch ausdrucksvolle Mimik, Gesten und Gebärden der handelnden Personen dem Betrachter die Botschaft der biblischen Geschichte übermittelt wurden.
Der Vorsitzende des Freundeskreis Kloster Lorch, Manfred Schramm, wies in seiner Begrüßung darauf hin, wie sehr sich ein Besuch in der Klosterkirche zum Thema des Reformationsjubiläums gegenwärtig lohnt. Ist doch neben der Ausstellung „Eine Bibel für Württemberg“ eine weitere Ausstellung „Reformation in Lorch“ von Stadtarchivar Haag zu
sehen. Außerdem die erste Lutherbibel, die in Württemberg gedruckt wurde: die zweibändige Bibel des Kanzlers der Universität Tübingen, der gleichzeitig Abt von Kloster Lorch war, die im Jahr 1729 vom Verlag Cotha in Tübingen gedruckt wurde.
Den feierlichen Rahmen der Ausstellungseröffnung schuf das s´popchörle, das mit modernen Kirchenliedern, die gekonnt und begeistert vorgetragen wurden, die Besucher durch die besondere Akustik der Klosterkirche erleben lies, welch wichtige Bedeutung schon Martin Luther dem Gesang in der Kirche zuschrieb.
Mit einer kurzen Andacht mit gregorianischen Gesängen aus den Lorcher Chorbüchern von 1512 versetzten die Sänger der Schola Cantorum Lorchensis die Ausstellungsbesucher zurück in die Zeit vor der Reformation.
Begleitend zur Ausstellung ist ein Buch erschienen: Dr. Anette Pelizaeus; Eine Bibel für Württemberg – Bibeln als Glaubenszeugnisse im Zeitalter Herzog Christophs. in dem erstmals alle 134 kolorierten Holzschnitte als große Abbildungen veröffentlicht sind. Es ist im Klostershop erhältlich.
Öffnungszeiten: Täglich von 10 Uhr – 17 Uhr. Am 24. und 31. Dezember geschlossen.
PM