In den deutschen Diözesen werden derzeit Großpfarreien gegründet. Zu den Kritikern dieser Entwicklung zählt der Pastoraltheologe Prof. Dr. Herbert Haslinger aus Paderborn, der seit langem dafür plädiert, Kirche müsse am Ort präsent bleiben. Herr Haslinger sprach auf Einladung vom „forum thomas“ in Göppingen und legte seine Kritikpunkte dem interessierten Publikum dar.
„Die Bedenklichkeiten neuer pastoraler Strukturen besteht zunächst darin, dass sie schlichtweg quantitativ zu groß geraten. Ein einzelner Seelsorger könne nur eine Gemeinde von ca. 3600 Gemeindemitglieder vernünftig versorgen“, so Haslinger.
„Die großen Gebilde gehen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei und sind vom Priester-Bestand her abhängige Organisationseinheiten. Die für die Strukturgebilde gebrauchten Konzeptbegriffe wie „Lebenswelt“, „Lebens-räume“ und „Sozialräume“ suggerieren Lebensnähe, verschleiern aber nur die Entfernung von der Lebenswirklichkeit der Menschen“, davon ist der Pastoraltheologe überzeugt.
Der Professor beklagt zudem: „Es kommt zu einer exzessiven Strukturwucherung in Form von Gremien, Beratern, Koordinationsstellen usw., die in nicht verantwortbarem Umfang Personal, Zeit und Geld verbrauchen und von der unmittelbaren Seelsorge abziehen. Die Einbindung der vielen Formen und Orte unter das Dach der größeren Struktur zerstört die nötige Pluralität christlichen Lebens und pastoralen Handelns“.
Er kritisiert heftig den Umgang mit den Menschen in den Gemeinden – sie werden nicht als Menschen, sondern nur noch als potentielle Mitarbeiter wahrgenommen. Ihre Lebenswirklichkeit in der sie leben, bleibt ausgeblendet. Sozial strukturell geschieht das gleiche, wie beim Wechsel vom Tante-Emma-Laden zum Supermarkt, für die seelsorgerische Praxis ist das fatal, weil ihre nun abdingbare Grundlage, der Bezug zur alltäglichen Lebenswirklichkeit, verloren geht. Sein Fazit ist: „Mit den derzeitigen Strukturbildungen gehen die Gemeinden als Orte pastoraler Praxis zu Grunde“.
Den gleichen Vortrag hielt Professor Haslinger nachmittags vor 45 Hauptamtlichen beim ökumenischen Pfarrertreffen in Heiningen.
Felix Müller, Dekanatsreferent