Schmerzen in Hüft- und Kniegelenken lassen alltägliche Dinge zu einer ständigen Herausforderung werden. Der Grund dafür ist häufig eine Arthrose, eine Gelenkerkrankung, bei der es zu einem langsamen, aber stetigen Abbau des Gelenkknorpels kommt. In Deutschland leiden etwa fünf Millionen Männer und Frauen unter Arthrose-Beschwerden.
Wie viele Menschen auch im Kreis Göppingen Probleme und damit Fragen haben, zeigte das große Interesse an der Vortragsveranstaltung in der Klinik Am Eichert. Über 180 meist, aber nicht nur, ältere Frauen und Männer waren trotz des schönen Wetters in den Speisesaal der Klinik gekommen. Damit hatten die Organisatoren nicht gerechnet. Mehr und mehr Stühle mussten herangeschafft werden.
Arthrose ist zwar nicht heilbar, die daraus resultierenden Schmerzen können aber gelindert, ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten und die Gelenkfunktion verbessert werden. Darüber informierten am Dienstag, 16. Juli 2024 von 18:30 bis 20:00 Uhr die Experten Thomas Meißen und Steffen Jungmann vom Orthopädisch-Unfallchirurgischen Zentrum des ALB FILS KLINIKUMS. Thomas Meißen ist Leitender Arzt und Sektionsleiter Endoprothetik, Steffen Jungmann Oberarzt und Sektionsleiter Kinderorthopädie und Kindertraumatologie. Beide sind zudem Hauptoperateure des Endoprothetikzentrums des ALB FILS KLINIKUMS. Sie erklärten über die Ursache der Schmerzen sowie die konservativen und operativen Behandlungsmöglichkeiten auf. Die Optionen reichen dabei von Methoden zur Entlastung der betroffenen Gelenke über den Einsatz von Salben und Cremes bis hin zum Gelenkersatz.
Gelenkbeschwerden sind die Volkskrankheit Nummer „2“, gleich nach Erkältungskrankheiten:
•Die Arthrose ist weltweit die häufigste Gelenkerkrankung •Bei ca. 30 – 40% der über 60-jährigen finden
sich im Röntgen Zeichen einer Arthrose •nur ca. 1/3 der Betroffenen klagt über Schmerzen •Hüft- und Kniearthrose sind die häufigsten Gelenkerkrankungen.
Der gesunde Knorpel ist weiß und glatt wie Eis mit einzigartiger Gleitfähigkeit, ist ein extremer Stoßdämpfer – federt bis zu 1000 kg Gewicht ab (z. B. bei einem Sprung), der Knorpel ist also extrem belastbar. Den fortschreitenden Verlust an Knorpel (Abnützung, Verschleiß) nennt man dann Arthros. Er geht oft einher mit weiteren Beschwerden anMuskulatur, Bändern, Menisken und Schleimhäute.
Anhand von Röntgenaufnahmen erläuterte Thomas Meißen den fortlaufenden Verschleiß.
Die Ursache der Arthrose ist in vielen Fällen unbekannt, dann spricht man von „Primärer Arthrose“. Risikofaktoren sind: – zunehmendes Alter – weibliches Geschlecht – Übergewicht – genetische Veranlagung – Überlastung der Gelenke durch schwere körperliche Aktivität oder Achsfehlstellung.
Sekundäre Arthrose, also Arthrosen, die durch äußere Einflüsse hervorgerufen wurden, werden hervorgerufen oder begünstigt duch – Gelenkverletzungen – Infektion – Gicht – Rheumatische Erkrankungen – Minderdurchblutung (Nekrose) und Angeborene Fehlstellung (Hüftdysplasie).
Der Schmerz ist das Leitsymptom der Arthrose: Frühsymptome: Morgensteifigkeit der Gelenke mit
Anlaufschmerzen < 30 Minuten, Belastungsschmerz, Ermüdungsschmerz, später Ruheschmerz
Spätsymptome: Dauerschmerz, Nachtschmerz, Muskelschmerz, Bewegungseinschränkung, Verlust an Muskelmasse und Kraft, Gelenkschwellung und Gelenkgeräusche.
Die Ansprüche, auch im Alter, an die Lebensqualität sind hoch! Deshalb sind die Ziele der Arthrosebehandlung: 1. Linderung der Schmerzen, 2. Verbesserung der Gelenkfunktion und Beweglichkeit und 3. Weitere Abnützung verhindern/verlangsamen. Bevor man operiert kommen diverse konservative Behandlungsmethoden zum Einsatz: Bewegung / Gewichtsreduktion / Beratung / Physiotherapie / lokale Maßenahmen (Cremes) und/oder eine medikamentöse Therapie. Neben der Eigeninitiative haben Ärzte hier eine Vielzahl von Medikamenten, die Schmerzen reduzieren oder auf (bedingt) Knorpel wieder aufbauen können.
Erst wenn das eigene Leben so eingeschränkt ist, dass man keine 100 m mehr laufenkann, dass man nicht mehr schlafen kann oder die Schmerzen nicht mehr auszuhalten sind, dann kommt die Möglichkeit einer Operation zum Tragen. Hier unterscheidet man verschiedene Operationen: Gelenkerhaltende Operationen:
1. Arthroskopische Verfahren (arthroskopisches Debridement) – “Gelenktoilette“, Anbohrung, Mikrofrakturierung, Knorpeltransplantation. 2. Umstellungsoperation: Klassisch bei O-Bein-Fehlstellung
( Der Patient sollte jünger als 50 Jahre sein, über einen stabilnr Bandapparat und eine gute Bewegungsfähigkeit verfügen. Weiter sollte der Patient nicht übergewichtig und Nichtraucher sein.
An der Hüfte sind weder die Knorpelzelltransplantation noch die Um-Stellung im höheren Alter etabliert.
Als Letztes kommt dann der Endoprothetischer Ersatz am Knie : • Schlittenprothesen • Bicondylärer Oberflächenersatz •Gekoppelte Knieprothesen oder der Endoprothetischer Ersatz an der Hüfte • Kurzschaftprothesen •Zementierte und zementfreie Totalendoprothesen •Hemiprothesen (Duokopf) zum Einsatz.
Zusammenfassung stellten die Ärzte klar:
• Arthroskopien können bei Arthrose und akuten Beschwerden sinnvoll sein
• Knorpelerhaltende/knorpelregenerative Möglichkeiten haben nur einen Stellenwert bei örtlich begrenzten Knorpeldefekten und sind nicht für degenerative großflächige Defekte geeignet
• Umstellungen v.a. im jüngeren präarthrotischen Zustand haben weiter einen Stellenwert
• Der Knie- und Hüftgelenkersatz kann abhängig vom Grad der Zerstörung des Gelenkes und dem Anspruch des Patienten individuell angepasst erfolgen
• Dafür stehen unterschiedliche Modelle mit sehr guten Langzeitergebnissen zu Verfügung
Im Anschluss an die Referate standen Thomas Meißen und Steffen Jungmann für Fragen, auch zu eigenen Beschwerden, zur Verfügung.
Joachim Abel