Bildung schützt vor Missbrauch

Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen, ist ein zentrales Anliegen von Eltern und Fachkräften. In der Folge des sog. Missbrauchsskandal beschloss die Bundesregierung neben der Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ auch das Amt einer „Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ mit dem Schwerpunkt der Prävention von sexualisierter Gewalt. Zwei wichtige Schutzfaktoren wurden identifiziert: Sexuelle Bildung für Kinder und Jugendliche sowie Schutzkonzepte für Einrichtungen.

Prävention durch Sexuelle Bildung gehört seit Jahrzehnten zu den zentralen Anliegen von pro familia in Baden-Württemberg. Neben vielfältigen sexualpädagogischen Angeboten für Kinder und Jugendliche bieten die Beratungsstellen zunehmend Begleitung für Einrichtungen an, die ihre Fachkräfte schulen und ein sexualpädagogisches Konzept als Präventivbaustein entwickeln wollen.

Bei der Sexuellen Bildung geht es um Selbstbestimmung und Verantwortung in den Bereichen Beziehungen, Körper, Gefühle und Sexualität. Selbstbestimmung heißt in diesem Zusammenhang, dass Kinder und Jugendliche ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen wahrnehmen und sie vertreten können. Unter Verantwortung wird verstanden, dass sie die Bedürfnisse und Grenzen von anderen kennen und sie respektieren. „Damit ist sexuelle Bildung eine der wichtigsten Grundlagen für die Prävention von sexuellen Übergriffen“, so Ruth Weckenmann, Vorstandsvorsitzende von pro familia Baden-Württemberg. „Wenn Kindern vermittelt wird, dass ihre Grenzen ernst genommen werden, und dass sie über ihre Bedürfnisse reden können, dann ist es ihnen auch möglich, sich gegen Übergriffe, die ihre Grenzen verletzen, zu wehren und sich Hilfe zu holen.“

Umfangreiche Forschungsarbeiten haben seit 2010 untersucht, was die Einrichtungen, in denen es zu massiven Missbrauchsfälle kam, charakterisiert. Allen gemeinsam war, dass zum einen Verdachtsfälle systematisch ignoriert und vertuscht wurden und dass zum anderen das Themenfeld Körper, Beziehung und Sexualität tabuisiert wurde. Als präventive Maßnahme ist daher für alle Einrichtungen, denen Kinder, Jugendliche oder Menschen mit Behinderung anvertraut sind, ein professionell erarbeitetes, detailliertes Schutzkonzept unabdingbar. Dieses beinhaltet einen konkreten Ablaufplan bei Verdachtsfällen, um Vertuschung effektiv vorzubeugen. Den umfangreicheren Part stellen die präventiven Teile dar. Sie thematisieren explizit Themenbereiche wie Köper, Beziehung und Sexualität und regeln den Umgang damit. Zusammengefasst werden diese Teile unter dem Begriff „Sexualpädagogisches Konzept“. pro familia ist deutschlandweit der profilierteste sexualpädagogische Fachverband und unterstützt die Einrichtungen bei der Konzepterstellung mit seiner fachlichen Expertise. Erarbeitet wird, wie der Schutz vor sexualisierter Gewalt im Leitbild der Einrichtung verankert werden kann und wie er bereits bei der Einstellung von Personal berücksichtigt wird. Festgelegt wird auch ein Verhaltenskodex für Mitarbeiter*innen, und in welchem Maße ihnen spezifische Schulung und Weiterbildung angeboten wird. Ein weiterer Baustein ist die Ausformulierung von Mitbestimmungs- und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und Betreute. Möglichst konkret werden die sexualpädagogischen Regeln, die in der Einrichtung gelten, formuliert, zum Beispiel in Kitas im Umgang mit sogenannten Doktorspielen unter Kindern. In einer Einrichtung der Behindertenhilfe finden sich hier unter anderem die Regelungen, welche privaten Rückzugsräume betreuten Paaren zur Verfügung stehen. Im schulischen Kontext werden Schulhofregeln und dergleichen geklärt. Sportvereine machen zum Beispiel transparent, wie und von wem die Duschmöglichkeiten genutzt werden. In allen Institutionen gehört außerdem dazu, dass sie sich Gedanken machen, welche Angebote sie ihren Betreuten anbieten, um sie für die Themen Selbstbestimmung und gegenseitige Verantwortung zu sensibilisieren.

Sexualpädagogische Konzepte bieten nicht nur Schutz vor sexualisierter Gewalt. Sie stärken auch die Fachkräfte bei ihrer alltäglichen Arbeit, indem sie ihnen abgesicherte Handlungsleitfäden an die Hand geben. Außerdem geben sie Eltern und Angehörigen verbindliche Auskunft darüber, welche pädagogischen Richtlinien in den Einrichtungen gelten und regeln die Zusammenarbeit mit ihnen. Bislang begleitet pro familia verstärkt Kindertageseinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe und auch Sportvereine bei den genannten Themenbereichen. Künftig werden auch die Schulen in ganz Baden-Württemberg im Fokus dieser Arbeit stehen.

Mit einer Kartenkampagne möchte pro familia auf die Bedeutung sexueller Bildung hinweisen. Am 2. November wurde das vierte Motiv der Kartenserie veröffentlicht: „Sexuelle Bildung gibt dir Worte.“

pro familia Baden-Württemberg ist Fachverband für Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung und Dachverband für 19 Beratungsstellen und fünf Außenstellen im Land. Sie bieten Sexual-, Schwangerschafts-, und Paarberatung sowie Veranstaltungen zur Sexuellen Bildung, darunter sexualpädagogischen Angebote in Schulen und Fortbildung für Eltern, Lehrkräfte und Betreuungspersonal. pro familia Baden-Württemberg wird durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg gefördert und ist Mitglied im PARITÄTISCHEN Baden-Württemberg und im Landesfrauenrat. Weitere Informationen unter www.profamilia.de/baden-wuerttemberg

PM pro familia Baden-Württemberg

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