Stuttgarter Krisendienste zum Weltsuizidpräventionstag am 10. September 2020

… und wenn es nicht leichter wird?

Frau A. hatte gerade ihr neues Geschäft eröffnet, als Corona sie zwang, ihren Laden wieder zu schließen. Eine Insolvenz scheint nicht mehr abwendbar. Sie hat keine Kraft mehr, weiter zu machen.
K. findet keine Lehrstelle. Er wollte schon immer Messebauer werden. Im Februar hatte er einen Ausbildungsplatz in Aussicht. Dieser wurde wegen dem Einbruch der Branche seit der Coronakrise abgesagt. Nun findet K. keine neue Perspektive. Er verbringt seine Tage mit Zocken zu Hause vor dem PC.
Familie Z. (mit 3 schulpflichtigen Kindern) lebt unter extrem beengten Bedingungen in einer 4-Zimmer-Wohnung ohne Balkon. Für das Homeschooling stehen nur Handys zur Verfügung. Die Eltern arbeiten Schicht und brauchen tagsüber Ruhe. Allen fällt die Decke auf den Kopf. Die Aggressivität und Verzweiflung in der Familie steigen. 

Herr P. ist Rentner. Er lebt seit dem Tod seiner Frau alleine. Seit Corona sind alle seine sozialen Kontakte weggebrochen, da sowohl der Kirchenchor als auch seine Sportgruppe abgesagt wurden. Er sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben. 

Frau M. hatte eine verantwortungsvolle Tätigkeit im Gesundheitsbereich. Sie arbeitete immer mit viel Pflichtbewusstsein und unter Einsatz ihres ganzen Engagements. Die Entscheidungen, die sie aufgrund der Coronakrise treffen musste, überforderten sie. Sie litt unter Schlaflosigkeit und Versagensgefühlen. Sie fand keinen Weg hinaus und beendete ihr Leben.

Herr S. ist obdachlos. Seit der Coronakrise sind alle Übernachtungsmöglichkeiten und Hilfsorganisationen, an die er sich früher wenden konnte, geschlossen. Er weiß nicht mehr weiter.

Frau L. traut sich nicht mehr auf die Straße. Sie leidet schon lange unter Ängsten und Panikattacken. Mit Hilfe von therapeutischer Unterstützung konnte sie sich ganz gut stabilisieren. Seit überall massive Schutzmaßnahmen ergriffen wurden – auch ihre Therapeutin sitzt beim Gespräch mit Mundschutz hinter einer Plexiglasscheibe – ist das Leben in der Öffentlichkeit so beängstigend für sie geworden, dass sie keinen Fuß mehr vor ihre Wohnung setzt.  

Frau B. lebt im Altenheim. Wochenlang durfte sie ihr Zimmer nicht verlassen. Das Essen wurde ihr an die Zimmertüre gehängt. Persönlich reden konnte sie mit niemandem. Ihre Kinder konnten nicht zu Besuch kommen. Sie möchte nicht mehr leben. 

Herr D. war einer der ersten, der an Covid-19 erkrankte. Obwohl sein Krankheitsverlauf eher leicht war, verbessert sich die Symptomatik von Erschöpfung nicht richtig. Er verliert langsam die Hoffnung, wieder ganz gesund zu werden.

Lebenssituationen, die schon vor der Coronakrise belastend waren, wurden nicht selten durch die Krise zusätzlich verschärft. Bei anderen Menschen hat Corona zu einer unerwarteten, tiefgreifenden Krisensituation geführt. Wenn das Leben auf einem krisenhaften Niveau stagniert, machen Menschen oftmals die Erfahrung, dass es im persönlichen Alltag nicht leichter wird, obwohl gesellschaftlich wieder mehr Normalität einkehrt. Dies kann eine sehr kritische Zeit sein, da man sich selbst als abgehängt erlebt, vielleicht sogar persönliches Versagen empfindet. Suizidale Entwicklungen sind möglich und oft fällt es Menschen schwer, den Weg zu Hilfe und Unterstützung zu finden.  

Zum Welttag der Suizidprävention am 10. September 2020 – er wurde im Jahr 2003 von der WHO ins Leben gerufen wurde – machen die Stuttgarter Krisendienste erneut auf ihre Hilfemöglichkeiten
Eine Pressemitteilung der Stuttgarter Krisendienste zum Weltsuizidpräventionstag am 10. September 2020
aufmerksam. Wir wissen um die Qual, die entstehen kann, wenn Krisenverläufe stagnieren und Menschen sich isoliert und abgehängt erleben. In den Krisendiensten arbeiten verständnisvolle und gut ausgebildete Mitarbeiter*innen, die Hilfesuchenden mit Geduld und Kompetenz zur Seite stehen und ihnen helfen, Wege aus belastenden Lebenssituationen zu finden. 
Finden Sie den Mut, über Ihre Situation zu sprechen und Kontakt mit uns aufzunehmen!

Angehörige und Freund*innen von Hilfesuchenden wollen wir ermutigen, direkt und offen Suizidalität anzusprechen und nachzufragen ob Suizidgedanken bestehen. Hilfreich ist, zuzuhören, ohne Druck bzw. Vorwürfe zu machen oder die Situation herunter zu spielen. Angehörige sollten sich nicht scheuen, weitere Hilfen zu aktivieren, z.B. durch das Hinzuziehen von Ärzt*innen, Fachstellen und professionelle Helfer*innen. Jugendliche sollten sich an erwachsene Personen wenden. Angehörige und Freund*innen können auch für sich selbst in den Krisendiensten Unterstützung einholen, auch wenn betroffene Menschen diesen Schritt nicht gehen.

Nehmen Sie als Angehörige Ihre Sorgen immer ernst und suchen Sie sich Unterstützung!
Denn: in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Welt verlieren wir zu viele Menschen durch Suizid, denen geholfen werden könnte. 

Zeichen des Gedenkens
Der Welt-Suizid-Präventionstag dient auch der Trauer und dem Gedenken an die durch Suizid Verstorbenen. Eine ökumenische Gedenkfeier für Angehörige, die einen nahestehenden Menschen durch Suizid verloren haben, findet am Samstag, 31. Oktober 2020 um 15 Uhr in der Markuskirche in Stuttgart statt.

Die Stuttgarter Krisendienste sind:
AKL Stuttgart e.V. – Arbeitskreis Leben Stuttgart e.V. – Hilfe in Lebenskrisen und bei Selbsttötungsgefahr, Unterstützung für Angehörige und Hinterbliebene Tel: 0711 – 600 620 (Mo, Di, Fr 10 – 13 und Mi, Do 14 – 16 Uhr)      www.ak-leben.de
Ev.  und Kath. TelefonSeelsorge Stuttgart e.V. – anonym, kostenlos,  24/7 Telefon- und Online-Beratung für Menschen in allen Lebenskrisen und seelischen Notlagen, Tel: 0800/1110111     0800/1110222 www.telefonseelsorge.de
KND – Krisen- und Notfalldienst Stuttgart – telefonische und persönliche Beratung in Krisen und Notsituationen, Mo–Fr 16–24 Uhr, Sa, So, Feiertag 12–24 Uhr,  Furtbachstraße 6 (Seiteneingang Furtbachkrankenhaus) Tel. 0180/5110444 (14 Ct/Min. – Rückruf möglich)   www.eva-stuttgart.de

Zu den Stuttgarter Krisendiensten gehören auch die Notfallseelsorge und das Kriseninterventionsteam der Johanniter. Diese beiden Dienste können nicht direkt angesprochen werden. Sie werden im Bedarfsfall über die Krisennummern des Rettungsdienstes und der Polizei 112 oder 110 beauftragt.

Weitere Hilfen im Notfall:
Polizei und Rettungsdienst:     110 und 112
Nummer gegen Kummer (Kinder- und Jugendtelefon)  116 111
Online Jugendberatung        www.youth-life-line.de
www.u25-freiburg.de
www.nethelp4u.de
Trauernetzwerk Stuttgart     www.trauernetzwerk-stuttgart.de
Angehörige um Suizid, Selbsthilfeorganisation   www.agus-selbsthilfe.de

 

PM Arbeitskreis Leben Stuttgart e.V. (AKL)

 

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