Jahr für Jahr gedenken wir der Verstorbenen der beiden Weltkriege sowie der Opfer von Gewalt und Hass; Menschen also, die wir nicht mehr oder kaum noch gekannt haben.
Wir gedenken vor allem jener Menschen, die den Irrungen und Wirrungen menschlicher Geschichte zum Opfer gefallen oder unterlegen sind. Ihr Sterben vollzog sich nicht sanft und geborgen, sondern in der Regel gewaltsam. Sie wurden herausgerissen aus einem Leben, das noch anderes und mehr zu bieten gehabt hätte. Schleichend nistete sich das Unglück ein in ihre Existenz, doch das Ende vollzog sich für diese Menschen oft mit schneidender Plötzlichkeit. Vielfach war es zudem ein anonymes Sterben, ein Sterben fern von heimatlichen Wurzeln, fern von Beziehungen zu geliebten Menschen, zuletzt auch fern von den eigenen Vorstellungen.
Wenn Tausende von Männern, Frauen und Kindern heute in den Krisengebieten der Welt sterben, verändert das nicht unbedingt unser Leben. Wir haben uns längst an den destruktiven Lauf der Welt, die Tatsachenberichte und ihre Bilder gewöhnt. In einem Wort der Heiligen Schrift des Alten Testaments heißt es einmal: „Stark wie der Tod ist die Liebe.“ Damit ist wohl in Wirklichkeit gemeint, dass die Liebe stärker als der Tod ist. Sie kann sich nicht nur mit dem Tod messen, sondern ihn letztlich bezwingen. Wenn wir der Toten in Liebe gedenken, dann sind sie zwar möglicherweise vergebens gestorben, es war aber nicht ihr Leben vergebens.
Es war nicht vergebens, dass sie einen Namen trugen, dass sie einst als Kinder spielten, dass sie Hoffnungen hatten, dass sie Gutes taten, dass sie Freunde und Ehepartner hatten, dass sie sich in Beruf und Ehrenamt engagierten. Ihr Menschsein war nicht vergebens, wenn wir ihrer mit Respekt und Achtung gedenken. Ihre Mahnung ist auch in Zukunft auf Pluralismus und Toleranz nicht zu verzichten. Im Gedenken an diese Verstorbenen stellt sich deswegen die Frage, woher wir kommen, wohin wir gehen und welches Glück beziehungsweise welcher Sinn uns verheißen ist.
Frieden und Versöhnung sind möglich; Freiheit des Lebens und des Denkens sind keine Utopie; Not und Leid müssen nicht tatenlos hingenommen werden; Hilfsbereitschaft, Barmherzigkeit und Nächstenliebe sind keine Schwächen. Als Christ fällt es mir leicht, die Sache mit einem Kernsatz des Glaubens auf den Punkt zu bringen: Der Tod hat nicht das letzte Wort.
PM Diakon Uwe Bähr, Bruder Klaus Jebenhausen.