Anfrage der Piraten: Kultusministerium bei Digitalisierung blind unterwegs

Informatikunterricht über mehrere Jahre, moderne Ausstattung, eine digitale Lernplattform. So skizziert das baden-württembergische Kultusministerium seine Wünsche für die Schulen im Ländle. [1] Überraschend jedoch: dieses Manöver fährt das Ministerium wohl weitgehend blind. Das ergab eine Anfrage der Piratenpartei. [2]

Abgesehen von einigen wenigen Pilotversuchen sind dem Ministerium kaum Informationen zur Ausstattung der Schulen bekannt. [2] Das 2017 titulierte Programm ‚Virtuelle Realitäten im Unterricht‘ wird so etwa zum nie richtig umgesetzten Hype-Projekt. [1]

„Wieder einmal ein exzellentes Beispiel von ‚gut gebrüllt Löwe‘. Tolle Programme zusammenstellen ist keine Herausforderung, wenn man sie nicht umsetzen möchte. Wenn ich mir die Programme aus dem Ministerium anschaue und dann die Schulen vor Ort sehe, das sind zwei Welten“, kommentiert Borys Sobieski, Landesvorsitzender der Piratenpartei.

Auch von den versprochenen ‚Makerspaces‘ und ‚FABLabs‘ haben die meisten Schülerinnen und Schüler nichts gesehen. [1] Das Ministerium spricht von 16 Medienzentren, an denen je etwa 100 Schulen Zugang zu 3D-Druck und VR erhalten sollen. [2] Das sind gerade einmal 32% der Schulen. [3]

„Hinter diesen Zahlen versteckt sich die Theorie, in der Praxis fürchte ich nutzen wesentlich weniger Schulen dieses Angebot. Ein dauerhafter Unterricht dürfte mit solchen Zentren für viele Schulen auch außerhalb ihrer Möglichkeiten liegen. Wenn wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler mit moderner Technik umgehen sollen, was ich für sehr wichtig und richtig halte, dann müssen wir auch die Technik zu den Schulen bringen und nicht andersrum.“

Die angepriesene digitale Lernplattform des Landes, die „eine zentrale Rolle“ spielen soll, spielt im Alltag wohl eher keine Rolle mehr. [1] Sie wartet wohl auf einen neuen „Technikpartner“, eine neue Projektleitung ist erst im April 2019 eingesetzt worden. [2][4]

Die Digitalisierung scheint wohl im Kupferkabel der Bürokratie festzustecken. Anfang 2019 klagten  Lehrende noch immer über fehlendes Internet und fehlende Geräte. [5] Die Worte der Kultusministerin „haben wir bereits auf den Weg gebracht“ wirken angesichts der vorgestellten Programme in Hochglanz-Broschüren wie blanker Hohn. Gerade einmal 40% der Schulen sind mit WLAN ausgestattet. [4] Aus der Anfrage der Piratenpartei geht hervor, dass das Ministerium nicht viele Informationen über Ausstattung und Wartung der Geräte an den Schulen besitzt. Auch die Breitbandanbindung ist ein weißer Fleck. [2]

„Das Ministerium verzettelt sich hier, wie soll es denn überhaupt auf die Bedürfnisse der Schulen eingehen, wie sollen die passenden Fördermittel bereitgestellt werden, wenn es noch nicht einmal weiß, wie es an den Schulen aussieht. Hier die Verantwortung an die Träger der Schulen abzuwälzen verhindert eine schnelle und konsistente Lösung.“

Lehrer und Schüler greifen auch gerne auf private Geräte zurück, wenn keine Alternativen bestehen. [5][6] Probleme und Ungewissheit, gerade beim Datenschutz, tauchen dabei immer wieder auf. Geräte in den Schulen gibt es hauptsächlich vereinzelt. [7] Eine Anfrage zur Zahl der Datenschutzverstöße ist noch unbeantwortet. [8]

„Der Zustand ist einfach nur katastrophal. An allen Ecken und Enden fehlen die Grundlagen, um Kinder und Jugendliche auf eine digitale Welt vorzubereiten. Noch nicht einmal bei der Grundausstattung mit Internet und Geräten bekommt das Land eine angemessene Förderung auf die Reihe. Wenn als Ersatz private Geräte genutzt werden und dann noch nicht einmal eine entsprechende Sensibilität da ist, dann läuft etwas gewaltig schief. Gerade für Schülerinnen und Schüler mit finanziell schwachem Hintergrund kann das schnell in Missmut und Ausgrenzung umschlagen.“

Neue Angebote im Bereich der IT und Informatik sollen planmäßig ab diesem Schuljahr an allen Schulen verfügbar sein. [2]

„Das ist ein wichtiger Schritt, zum Glück ist endlich auch bei den zuständigen Stellen angekommen, dass es wichtig ist, den Schülern den Umgang mit modernen Werkzeugen beizubringen. Wir fordern das schon seit Jahren. So lernen sie neue Möglichkeiten kennen, erweitern ihren Horizont und sind auf ein späteres Leben im digitale Zeitalter vorbereitet. Ich hoffe, dass hier auch eine entsprechende Qualität angeboten wird und das Lehrpersonal die notwendigen Fachkenntnisse besitzt, daran scheint es aktuell noch zu mangeln.“

Das baden-württembergische Kulturministerium hat die Notwendigkeit erkannt, die Bildung an moderne Gegebenheiten anzupassen. Die Umsetzung jedoch ist nach wie vor verbesserungsbedürftig. Die Piratenpartei schlägt vor, Minimalbedingungen für die Schulen zu definieren, die das Land garantiert zur Verfügung stellt.

[Quellen]

[1] https://www.digital-bw.de/downloads/DigitalisierungsstrategieBaWue2017.pdf
[2] IFG Anfrage der Piratenpartei: https://fragdenstaat.de/a/164053/auth/77c33ef8fe3d9ff926b9907edc4bdee9ec3f6177/
[3] https://www.statistik-bw.de/BildungKultur/SchulenAllgem/1301518x.tab?R=LA
[4] https://fragdenstaat.de/anfrage/informationstechnische-vorgaben-an-schulen-in-baden-wurttemberg/
[5] https://www.n-tv.de/regionales/baden-wuerttemberg/Lehrer-fordern-bessere-digitale-Ausstattung-an-Schulen-article21007214.html
[6] https://rp-online.de/nrw/staedte/langenfeld/datenschutz-lehrer-greifen-wieder-zum-stift_aid-23504587
[7] https://www.tablet-in-der-schule.de/2019-03-12/bitkom-umfrage-technik-einsatz-an-schulen-scheitert-haeufig-an-fehlenden-geraeten-und-konzepten-sowie-mangelndem-know-how
[8] https://fragdenstaat.de/anfrage/datenschutzverstoe-an-schulen/#nachricht-422249

 

PM Piratenpartei Baden-Württemberg

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