ELSA-Studie deckt gravierende Versorgungslücken bei Schwangerschaftsabbrüchen in Baden-Württemberg auf

Baden-Württemberg gehört laut der am 13. August vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten ELSA-Studie („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“) zu den drei Bundesländern mit dem geringsten Versorgungsgrad bei Schwangerschaftsabbrüchen. Die vom Verbund aus sechs Hochschulen erarbeitete Untersuchung zeigt erstmals umfassend die psychosoziale und medizinische Versorgungslage in Deutschland auf.

Weite Wege, hohe Belastungen

In acht Baden-Württembergischen Landkreisen werden die Kriterien für ausreichende Erreichbarkeit von Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, nicht erfüllt. Betroffene Frauen müssen dort oft lange Anfahrten in Kauf nehmen – insbesondere für operative Eingriffe – und berichten von hohen Kosten sowie großen Schwierigkeiten, überhaupt eine geeignete Einrichtung zu finden.

Die Studie orientiert sich an einem Erreichbarkeitskriterium des Gemeinsamen Bundesausschusses, der Richtlinien für die Gesundheitsversorgung erarbeitet: 95 % der Bevölkerung sollten das nächste Angebot in maximal 40 Minuten mit dem Auto erreichen können. Für viele Betroffene ohne Auto oder schlechter ÖPNV-Anbindung stellt dies jedoch eine zusätzliche Hürde dar.

Barrieren für Ärzt*innen und Qualifikationslücken

Bundesweit befragte Ärzt*innen berichten von Stigmatisierung (zwei Drittel), Bedrohungen (ein Viertel) und bürokratischen Hürden, etwa beim Zugang zu Medikamenten oder bei der Abrechnung. Viele Fachkräfte haben das Durchführen von Schwangerschaftsabbrüchen nicht in der Weiterbildung erlernt, das gilt insbesondere für die medikamentöse Methode. Ein hoher Fortbildungsbedarf besteht auch für das Stellen medizinischer oder kriminologischer Indikationen.

In einer regionalen Teilstudie, unter anderem im Regierungsbezirk Tübingen, nannten Gynäkolog*innen als häufigste Gründe gegen die Durchführung von Abbrüchen fehlende Angebote in der eigenen Einrichtung, unzureichende Räumlichkeiten, hohen bürokratischen Aufwand sowie eine deutliche  persönliche Belastung. Bemerkenswert: Rund die Hälfte wäre bereit, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten, wenn diese Hürden entfallen würden. Mehr als 75 % sprechen sich für eine Entkriminalisierung aus – im Einklang mit dem aktuellen Beschluss des Deutschen Ärztetags.

Forderung nach bedarfsorientierter Versorgung

Aus Sicht des Landesfrauenrats Baden-Württemberg, der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Baden-Württemberg sowie pro familia Baden-Württemberg und auf Basis der ELSA-Daten ist eine landesweite, bedarfsorientierte Versorgungsplanung dringend notwendig. Dabei müssen Standorte, Kapazitäten und angebotene Methoden vollständig und auf Land- und Stadtkreisebene erfasst werden. Dies geschieht bislang nicht und wird auch künftig nicht über die bundesweite Statistik abgedeckt werden. Ziel ist eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung und die bessere Kooperation und Qualifikation der Akteur*innen im Gesundheitssystem.

Der Landesfrauenrat Baden-Württemberg ist die politische Interessenvertretung von über 50 landesweit aktiven Frauenorganisationen und damit die größte Frauenlobby Baden-Württembergs. Der LFR BW ist unabhängig, überparteilich und überkonfessionell tätig und repräsentiert damit die heterogene Vielfalt der weiblichen Bevölkerung. Erste Vorsitzende ist Prof.in Dr. Ute Mackenstedt.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten Baden-Württemberg ist ein  Zusammenschluss von hauptamtlich tätigen kommunalen Frauen – und Gleichstellungsbeauftragten in Landkreisen und Städten Baden-Württembergs. Sprecherinnen der LAG sind Sandra Arendarczyk, Larah Fritz, Alexandra Gabriele Keim, Jitka Sklenářová und Annette Zoll-Decandia.

pro familia Baden-Württemberg ist Fachverband für Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung und Dachverband für 19 Beratungsstellen und fünf Außenstellen im Land. Alle Beratungsstellen sind durch das Land Baden-Württemberg anerkannte und geförderte Schwangeren- und  Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Darüber hinaus bietet pro familia  Sexual- und Paarberatung sowie Veranstaltungen zur Sexuellen Bildung. Erste Vorsitzende ist Ruth Weckenmann.

 

PM pro familia Baden-Württemberg e. V.

 

 

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