- Mehr ultrafeine Feinstaub-Partikel und Stickoxide: DUH-Abgasmessung im realen Straßenbetrieb an Euro-5-Diesel-Pkw widerlegt Mythos von „besonders nachhaltigem“ Dieselkraftstoff HVO100
- DUH fordert Verkehrsminister Wissing auf, seine Behauptungen zu unterlassen, dass mit HVO100 „lokale Umweltbelastung in Städten und Kommunen“ reduziert werde, der Minister muss ihm vorliegende Untersuchungen über erhöhte Stickoxid-Emissionen zum neuen Dieselkraftstoff veröffentlichen
- DUH fordert Nachrüstung schmutziger Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge auf Kosten der Hersteller statt klima- und gesundheitsschädlicher Pseudo-Alternativen
Der neue Dieselkraftstoff HVO100 soll die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen um „bis zu 90 Prozent“ verringern und gleichzeitig die „lokale Umweltbelastung in Städten und Kommunen“ reduzieren – so wirbt Bundesverkehrsminister Wissing für diesen angeblichen Wunderkraftstoff. Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) an einem Euro-5-Diesel-Pkw zeigen jedoch: Der neue Dieselkraftstoff HVO100 ist gesundheitsschädlicher als herkömmlicher Diesel. Beim Dieselabgasgift NOx zeigten Messungen des DUH-eigenen Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) einen Anstieg der Emissionen um 20 Prozent bei der Verwendung von HVO100 im Vergleich zu konventionellem Diesel.
Bei Feinstaub zeigen Messungen des ADAC, dass die Zahl der besonders gesundheitsschädlichen ultrafeinen Partikel deutlich ansteigt. HVO100 ist eine Scheinlösung, die bei der Verbrennung wie auch bei der Herstellung oft mit gravierenden Nebenwirkungen auf Klima und Biodiversität einhergeht. Der Einsatz von HVO100 und anderen „alternativen“ Kraftstoffen ist keine Alternative zu einer grundlegenden Mobilitätswende und einer Nachrüstung schmutziger Diesel-Pkw im Fahrzeugbestand.
Axel Friedrich, Leiter des Emissions-Kontroll-Instituts der DUH: „Unsere Messungen an einem VW Touareg Euro 5 zeigen, dass die Stickoxidemissionen bei HVO100 ungefähr 20 Prozent höher sind als bei herkömmlichem Diesel. Besonders problematisch ist jedoch, dass auch die ultrafeinen Partikel ansteigen. Diese sind besonders schädlich für die Gesundheit, weil sie tief in den Körper bis in die Blutbahnen eindringen. Die HVO-Kraftstoffe werden auch unverständlicherweise von der CO2-Bepreisung ausgenommen. Dies muss unverzüglich beendet werden.“
HVO100 wird angeblich nur aus altem Frittieröl und anderen Reststoffen hergestellt – besteht in der Realität jedoch offensichtlich auch aus extra angebauten Pflanzenölen wie Palmöl. Begrenzte Verfügbarkeit der Rohstoffe, Betrug mit Beimischung anderer wertvoller Rohstoffe und die immense Flächenbelegung für den Anbau von Palmöl, Soja und Co. sorgen dafür, dass der Einsatz von HVO mit teils gravierenden Auswirkungen auf Klima und Biodiversität einhergeht.
Alte Frittieröle und ölhaltige Rest- und Abfallstoffe stehen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung und werden zudem bereits als wertvoller Rohstoff in der chemischen Industrie eingesetzt. Beim Einsatz alter Frittieröle zur Herstellung von HVO100 muss die Industrie die fehlenden Mengen beispielsweise durch Rohölprodukte ersetzen. In einer ehrlichen Gesamtbetrachtung sind die tatsächlichen Klimagasemissionen dadurch oft sogar höher als bei herkömmlichem Dieselkraftstoff.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Wir haben Bundesverkehrsminister Volker Wissing aufgefordert, die falschen Aussagen zu einer angeblich reduzierten Umweltbelastung in den Städten und Gemeinden durch den HVO100-Diesel sofort zu stoppen. Wir wollen von ihm darüber hinaus wissen, seit wann ihm die gesundheitlich problematischen Messwerte bekannt sind. Bis zum 12. Juli hat der Minister Zeit, uns entsprechende Abgasmessungen zu übermitteln. HVO100 ist weder besser fürs Klima als konventioneller Diesel, noch löst der angebliche Fritten-Diesel das bestehende Luftreinhalteproblem in unseren Städten. Immer noch sterben zehntausende Menschen an Feinstaub und Stickstoffdioxid vorzeitig. Wir brauchen genauere Untersuchungen, welche Fahrzeuge tatsächlich – ohne zusätzlich die Atemluft zu belasten – HVO100 tanken können. Und wir brauchen vor allem eine echte und ehrliche Lösung der seit neun Jahren in Deutschland vom Bundesverkehrsministerium behinderten technischen Nachrüstung der Diesel-Bestandsfahrzeuge mit im Sommer wie im Winter funktionierenden Stickoxidkatalysatoren und für ultrafeine Partikel geeigneten Dieselrußfiltern. Noch dazu hat der neue Kraftstoff für Euro-5 und viele Euro-6-Diesel-Fahrzeuge zu Recht keine Zulassung von den Herstellern erhalten, was schlimmstenfalls zur Erlöschung der Betriebserlaubnis führen kann. Volker Wissing muss aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben und stattdessen seinen Einsatz für die Saubere Luft und das Klima erhöhen.“
Bei der Verbrennung von HVO100 werden neben mehr ultrafeinen Rußpartikeln auch mehr Stickoxide (NOx) ausgestoßen. Dies zeigen aktuelle Messungen der DUH an einem Euro-5-Diesel-Pkw VW Touareg 3.0 sowie Messungen des ADAC. Bei NOx zeigten die DUH-Abgasmessungen im Straßenverkehr einen Anstieg der Emissionen von 533 mg/km bei Verwendung von konventionellem Diesel auf 643 mg/km mit HVO100 (Mittelwert von jeweils sechs RDE Fahrten). Zudem zeigen die Abgasmessungen, dass genauso viel klimaschädliches CO2 wie bei der Verbrennung von fossilem Diesel entsteht.
HVO100 ist demnach keine Alternative zu einer grundlegenden Mobilitätswende und keine Alternative zu der überfälligen Nachrüstung der circa acht Millionen Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge, die aktuell in Deutschland mit mehrfacher Überschreitung der Abgasgrenzwerte die Atemluft verpesten. Gerade bei Diesel-Fahrzeugen der Abgasstufen Euro 4, 5 und 6a/b/c befürchtet die DUH durch HVO100 noch höhere Schadstoffemissionen, die bei breiter Verwendung dieses Kraftstoffs in daraufhin nicht optimierten Motoren beziehungsweise Abgasreinigungssystemen zu einer Zunahme der Luftbelastung führt. In der Folge wäre mit zusätzlichen Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen zu rechnen.
Hintergrund:
Eine aktuelle Untersuchung von Transport and Environment (T&E) zeigt zudem die marginalen Mengen alter Frittieröle, die weltweit überhaupt anfallen und die deutlich höheren Exportmengen in China und anderen asiatischen Ländern. Die bestehende stark wachsende Lücke besteht vermutlich aus extra angebauten Pflanzenölen wie Palmöl. Die neue T&E-Studie zeigt, dass derzeit 80 Prozent der eingesetzten Öle und Fette in die EU importiert werden – vor allem aus China.
Eine unmittelbare Umweltrelevanz entfaltet der Dieselkraftstoff HVO100 durch die bei seiner Verbrennung entstehenden Luftschadstoffe. Entgegen der Behauptung des Bundesverkehrsministeriums führt das Tanken von HVO100 bei Dieselfahrzeugen nicht zu geringeren sondern zu offensichtlich höheren gesundheitsrelevanten Schadstoffemissionen. Durch die andere Zusammensetzung von HVO100 entsteht bei der Verbrennung in Dieselmotoren zwar eine geringere Masse an Feinstaub, dafür aber eine stark erhöhte Menge an besonders kleinen und damit die Gesundheit beeinträchtigenden lungengängigen Partikeln.
Link:
Zum DUH HVO100-Faktencheck: https://l.duh.de/p240627a
PM Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)