Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) spielt im Medienbereich eine ganz erhebliche Rolle. Entstehen dabei durch KI-Anwendungen neue Gefahren für die Meinungsvielfalt? Welche gesetzlichen Anknüpfungspunkte bestehen bereits auf nationaler und europäischer Ebene und was plant der deutsche Mediengesetzgeber? Diese und weitere Fragen diskutierten im Rahmen des KI-Workshops der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) am 4. Juni 2024 in der Landesvertretung des Saarlandes in Berlin rund 100 Teilnehmer mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik.
Auswirkungen von KI auf die Meinungsvielfalt
Im Namen der KEK begrüßte ihr Vorsitzender, Prof. Dr. Georgios Gounalakis, zum ersten Themenblock über Auswirkungen von KI auf die Meinungsvielfalt Prof. Dr. Jan Krone (FH St. Pölten), Prof. Dr. Alexander Godulla (Universität Leipzig), Prof. Dr. Michael Graßl (Hochschule Macromedia München) sowie Prof. Dr. Sylvia Rothe (Hochschule für Fernsehen und Film München). In diesem medienökonomisch, kommunikations- und medienwissenschaftlich geprägten Teil der Veranstaltung wurden konkrete Beispiele von Anwendungsmöglichkeiten sowie die Folgen des Einsatzes von KI im Medienbereich aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Die Moderation der einzelnen Beiträge übernahmen die KEK-Mitglieder Prof. Dr. Insa Sjurts, Prof. Dr. Rupprecht Podszun, Prof. Dr. Anne Paschke und Ruth Meyer.
Prof. Krone gab einen Überblick über die Ergebnisse der von ihm im Auftrag der österreichischen Medienregulierungseinrichtung RTR Medien mitverfassten Studie „KI in der Medienwirtschaft“. Dort wurden Chancen und Risiken entlang der IT-Wertschöpfungskette analysiert. Unter Vielfaltsgesichtspunkten könne sich der Einsatz von KI einerseits positiv auswirken, dies sowohl quantitativ durch Erhöhung des Outputs als auch qualitativ, etwa durch Unterstützung bei der Recherche und Ideenfindung. Negativ könne sich auf redaktionelle Angebote und ihre Finanzierungsgrundlage dagegen die Öffnung von KI-Modellen wie ChatGPT für die Werbevermarktung auswirken. Zudem sei die Zunahme von vertikaler und diagonaler Konzentration im Bereich Internet-Backend/Cloud Computing durch die großen Plattform-Konzerne bedenklich.
Prof. Godulla zeigte Chancen und Risiken von KI aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher Sicht auf. Hierbei standen Deepfakes im Vordergrund, also mit Hilfe von KI verfälschte oder erzeugte Medieninhalte, bei denen eine Unterscheidung zwischen Realität und Fälschung für den Betrachter weitgehend unmöglich wird. Nach im Rahmen des Deepfake-Projekts der Universität Leipzig angestellten Umfragen traut sich die Mehrheit der Befragten eher nicht zu, Deepfakes zu erkennen. Mit Blick in die nahe Zukunft bereitet dabei vor allem die extrem steile Entwicklungskurve der Fähigkeit von KI Sorge, weil sich hierdurch die Manipulationsmöglichkeiten noch vergrößern werden. Neben den negativen Aspekten von Deepfakes, etwa dem Vertrauensverlust in Institutionen und der möglichen manipulativen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung, könnte die Meinungsvielfalt durch KI aber im Hinblick auf gesteigerte Partizipationschancen auch zunehmen.
Mit Aspekten des Einsatzes von KI im Journalismus befasste sich Prof. Graßl. Bislang werde KI hauptsächlich von großen überregionalen Medienhäusern eingesetzt. Fast alle Medienhäuser sehen für KI-generierte Inhalte Kontrollmechanismen durch den Menschen vor. Mögliche Auswirkungen auf die mediale Vielfalt mit Blick auf Medienmärkte, Medientechnik, Meinungsvielfalt und Trainingsdaten stellte Prof. Graßl in Form von Positiv- und Negativ-Szenarien einander gegenüber. Als positives Szenario könne der Einsatz von KI beispielsweise die Bedeutung des Journalismus für die Meinungsbildung stärken, im negativen Falle eine Aufweichung der Grenzen zwischen Journalismus und anderen Kommunikatoren bewirken. Erforderlich seien medienethische Leitplanken im Bereich der Sorgfaltspflichten und der Transparenz.
Prof. Rothe ging auf unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten von KI im Prozess der Filmproduktion ein. KI ermögliche mit der extensiven Suche in Bild- und Videoarchiven den Zugang zu bislang ungenutztem Material. Der Einsatz von KI erleichtere zudem erheblich die Erstellung von Animationen und Bildhintergründen. Durch Übersetzungstools könne über Sprachbarrieren hinweg die globale Meinungsvielfalt bereichert werden. Um dem Phänomen KI gerecht zu werden, sei ein Dialog zwischen Technologieunternehmen, Regierungen, Zivilgesellschaft und akademischen Institutionen erforderlich. Dafür sei der KI-Workshop der KEK ein perfektes Beispiel.
Ansätze für die Regulierung von KI
Im zweiten Themenblock zu Bedarf und Ansätzen für die Regulierung von KI wurden Dr. Matthias Knothe (Staatskanzlei Schleswig-Holstein) und Prof. Dr. Jan Oster (Universität Osnabrück) begrüßt. Mit ihnen gingen im Anschluss der Vorsitzende der KEK und Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz ins Gespräch.
Dr. Knothe ist als Leiter der Stabsstelle für Medienpolitik in der Staatskanzlei Schleswig-Holstein federführend befasst mit der Reform des Medienkonzentrationsrechts, welche auf der Agenda der Rundfunkkommission der Länder steht. Nach der aktuellen Gesetzeslage sei die Einbeziehung von KI in eine medienkonzentrationsrechtliche Prüfung der KEK wohl nur im Rahmen einer theoretischen Fusion der großen privaten Sendergruppen möglich. Die Reformüberlegungen der Länder sähen nach derzeitigem Diskussionsstand dagegen ein von medialen Erscheinungsformen losgelöstes Modell vor, das an von der KEK nach bestimmten Parametern abzugrenzende Sektoren anknüpfe. Die KEK solle bei „Störfällen“ tätig werden, wenn in einem relevanten Sektor die Meinungsbildung behindert werde. In diesem Zusammenhang könne auch KI Teil des Regulierungsrahmens sein.
Abschließend gab Prof. Oster einen juristischen Überblick über den bestehenden und möglichen künftigen Rechtsrahmen für KI. Hier komme es unter anderem zu einem Zusammenspiel der Regulierung auf europäischer Ebene mit der Intermediärsregulierung im Medienstaatsvertrag. Es bestehe aus seiner Sicht kein Bedarf nach einem „großen Wurf“, zum Beispiel in Gestalt einer „positiven Plattform-Medienordnung“. Vielmehr müsse in mitunter mühevoller Detailarbeit der bestehende Rechtsrahmen durch regulatorische Anwendungs- und gerichtliche Spruchpraxis auskonturiert werden. Dabei sei gerade die empirische Grundlagenforschung wichtig für die juristische Arbeit. In diesem Sinne sei auch der KI-Workshop der KEK sehr fruchtbar.
Prof. Gounalakis schloss an dieses positive Fazit an und dankte allen Teilnehmern für die aufschlussreichen Beiträge und die Diskussion sowie der Landesvertretung des Saarlandes für die Gastfreundschaft.
Die Präsentationen des Workshops sind hier abrufbar.
PM Kommission zur Ermittlung der Konzentrationim Medienbereich (KEK)