- DUH fordert Bundesregierung dazu auf, Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in zwei Einzelklagen der DUH zu akzeptieren – mit einer Revision würde sich die Ampel-Koalition ausdrücklich gegen ausreichenden Klimaschutz stellen
- Angeordnete Sofortprogramme müssen kurzfristig wirksame Maßnahmen enthalten wie Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen, Stopp klimaschädlicher Finanzierung von spritdurstigen Firmenwagen und eine 365-Tage-Energetische-Sanierungsoffensive etwa für Schulen und Kindergärten
- Weitere Klimaklagen der DUH auf ausreichende Klimaschutzmaßnahmen bis 2030 in allen Sektoren werden am 16. Mai 2024 verhandelt
Nachdem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am 30. November 2023 mit zwei Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg das nächste bahnbrechende Klimaurteil erstritten hat, liegt nun die Urteilsbegründung in diesen Verfahren vor. Die Richterinnen legen fundiert dar, wie die Bundesregierung gegen das Bundesklimaschutzgesetz verstößt: Sie hat keine wirksamen Sofortprogramme im Verkehrs- und Gebäudebereich vorgelegt, um die Einhaltung der jährlichen Emissionsgrenzen sicherzustellen. Diese waren in den Sektoren Verkehr und Gebäude in den letzten Jahren wiederholt gerissen worden. Dabei hat sie auch die Stellungnahmen des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung rechtswidrig missachtet. In einem weiteren Verfahren hatte neben der DUH auch der BUND mit Blick auf den Verkehrs- und Gebäudesektor geklagt und ebenfalls Recht bekommen.
Die DUH fordert die Ampel-Regierung auf, ihre Verzögerungstaktik mit Blick auf die eindeutige Urteilsbegründung zu beenden und dringende Notfallmaßnahmen zu beschließen. Dazu zählen ein Tempolimit, der Abbau der 65 Milliarden schweren klimaschädlichen Subventionen und eine Sanierungsoffensive etwa für Schulen und Kindergärten. Ansonsten besteht die begründete Gefahr, dass Deutschland die Klimaschutzziele in den kommenden Jahren deutlich verfehlt.
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Das Gericht hat jetzt ausführlich dargelegt, dass die eklatante Untätigkeit der Bundesregierung im Angesicht der Klimakrise nicht rechtens ist.
Im letzten Jahr hat sich gezeigt, dass die Bundesregierung mit ihrer Wohnungspolitik vor allem die Immobilienwirtschaft zufriedenstellen will. Damit muss jetzt Schluss sein. Wir brauchen endlich klimagerechte Gebäudepolitik für Verbraucherinnen und Verbraucher! In ein wirksames Sofortprogramm gehören ordnungsrechtliche und finanzielle Anreize, um die Sanierungen in Deutschland anzukurbeln. Nur so ist eine sozialgerechte Wärmewende zu schaffen.“
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Dieses Urteil ist ein Meilenstein für den Klimaschutz in Deutschland. Auf 47 Seiten haben die Richterinnen dargelegt, dass die Bundesregierung ihrer gesetzlichen Pflicht seit mehreren Jahren nicht nachkommt. Wir fordern jetzt von der Ampel-Regierung, dieses im Namen des Volkes gesprochene Urteil umstandslos zu akzeptieren und umgehend Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit auf den Weg zu bringen, um die Einhaltung der Jahresemissionsmengen für die folgenden Jahre sicherzustellen. Wer Klimaschutz und den Rechtsstaat ernst nimmt, muss auch dieses Urteil ernst nehmen. Sollte Autominister Volker Wissing dennoch in Revision gegen dieses Urteil gehen wollen, appellieren wir an das Klimagewissen aller Ministerinnen und Minister, dies im Kabinett zu blockieren. Dafür gibt es Präzedenzfälle: Im Jahr 2002 scheiterte eine Berufung zu einem Umwelturteil in Nordrhein-Westfalen zum Dosenpfand, weil der Koalitionspartner SPD nicht zustimmte. Es ist nun an der Bundesregierung, Farbe zu bekennen.“
Für die DUH ist dieses Verfahren ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Korrektur der deutschen Klimapolitik durch Gerichte: Im Mai 2024 werden drei weitere Klimaklagen des Verbands gegen die Bundesregierung vor dem OVG verhandelt, in denen es darum geht, die Regierung zum Beschluss ausreichender Klimaschutzprogramme in allen Sektoren bis zum Jahr 2030 zu zwingen.
Hintergrund:
Das Bundesklimaschutzgesetz legt jahresscharfe Obergrenzen für klimaschädliche Emissionen für einzelne Sektoren fest. Werden diese gerissen, wie in den letzten Jahren in den Sektoren Gebäude und Verkehr, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm erarbeiten. Die Bundesregierung muss das entsprechende Sofortprogramm danach beschließen. Die Maßnahmen des Sofortprogramms müssen laut Klimaschutzgesetz so ausgestaltet sein, dass sie die Einhaltung der gesetzlichen CO2-Vorgaben in den folgenden Jahren sicherstellen.
Laut dem aktuellen Projektionsbericht wird allein der Verkehrssektor bis 2030 mehr als 200 Millionen Tonnen CO2 mehr emittieren, als das Klimaschutzgesetz erlaubt. Angesichts des Urteils fordert die DUH als erste Notfallmaßnahme ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. Weitere nötige Maßnahmen sind unter anderem die Abschaffung der mehr als 30 Milliarden teuren klimaschädlichen Subventionen im Verkehr und eine CO2-basierte Neuzulassungssteuer für Pkw.
Laut dem aktuellen Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen wird der Gebäudebereich sein Treibhausgasbudget bis 2030 um mindestens 35 Millionen Tonnen überschreiten. Trotzdem hat die Bundesregierung der sozialgerechten Wärmewende letztes Jahr mit dem verwässerten Gebäudeenergiegesetz und ihrer Ablehnung von Mindesteffizienzstandards für Wohngebäude eine Absage erteilt. Die DUH fordert die Streichung der Förderung zur Umrüstung von Gasheizungen zu „wasserstofffähigen“ Heizungen, ein sofortiges Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen, sowie eine Anhebung der Fördermittel für die Gebäudesanierung auf 25 Milliarden Euro pro Jahr. Auch eine Abrissgenehmigungspflicht könnte mindestens eine Megatonne CO2-Äquivalente pro Jahr einsparen und die Hälfte des Abfallaufkommens in Deutschland vermeiden.
Link:
Zur Urteilsbegründung: https://l.duh.de/p240202a
PM Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)