- Klimaschutzministerium hat nach zahlreichen bisher geheim gehaltenen Kontakten mit der Automobilindustrie den Entwurf der neuen Pkw-Verbrauchskennzeichnung zu einem Verkaufsförderungsinstrument für Klimakiller-Pkw verändert
- Das grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerium weigert sich gegenüber der DUH, die Kontakte, Schriftwechsel und Formulierungshilfen der Automobilwirtschaft während des Novellierungsprozesses offenzulegen
- DUH reicht Klage gegen das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium beim Verwaltungsgericht Berlin ein und fordert Akteneinsicht
Ausgerechnet das grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerium plant eine Abschaffung der wichtigsten Verbraucherschutzvorschrift bei der Werbung für Pkw-Neuwagen im Internet. Damit soll ein Herzenswunsch der Automobilwirtschaft erfüllt werden, die bisher in der Werbung für konkrete Pkw-Modelle immer die Angaben zum Spritverbrauch und den Klimagasemissionen machen müssen. Zukünftig sollen diese Angaben – anders als von der EU empfohlen – erst nach aktivem Anklicken eines Internet-Links erscheinen müssen. Bei der offiziellen Verbändeanhörung im Juni 2023 rühmte sich ein Vertreter der Automobilwirtschaft nicht nur der Urheberschaft dieser klima- und verbraucherschädlichen Regelung, sondern verwies zudem darauf, bereits zu ‚mehreren Entwürfen‘ der Verordnung Stellung bezogen zu haben.
„Ganz offensichtlich hat sich nichts daran geändert, dass die Automobilwirtschaft im Verkehrs- und Wirtschaftsministerium durchregiert. Daher haben wir nun Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Anlass ist die Weigerung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), seine Kontakte mit der Automobilwirtschaft während der Novellierung der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung für Pkw (Pkw-EnVKV) offenzulegen.
Bereits unter dem liberalen Wirtschaftsminister Brüderle hatten die Automobilkonzerne die aktuell geltende Fassung der Verordnung im Wesentlichen verfasst. Eine damalige Klage auf Veröffentlichung der Industriekontakte gewann die DUH vor dem Europäischen Gerichtshof. Die daraufhin zur Verfügung gestellten Akten zeigten, wie die deutsche Automobilwirtschaft sich eine Verordnung zum Schutz von Verbrauchern und Umwelt zu einer Verkaufsförderungshilfe für besonders schwere und spritdurstige SUV umgeschrieben hat.
Die DUH hatte auf Basis des Umweltinformationsgesetzes (UIG) gefordert, Kontakte zwischen dem BMWK und der Automobilwirtschaft offenzulegen. Das Ministerium lehnte diese Anfrage unter anderem mit der Begründung ab, dass die Mitteilung den behördlichen Willensbildungsprozess gefährden könnte und bei einer Offenlegung ein freier Meinungsaustausch nicht mehr möglich sei. Dem widerspricht die DUH entschieden.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Der Verordnungsentwurf zur neuen der Pkw-Verbrauchskennzeichnung stammt offensichtlich erneut aus der Feder der Automobilwirtschaft. Als hätte es keinen Regierungswechsel gegeben, bestimmen die fossilen Autokonzerne die Richtlinien der Klimaschutz- und Wirtschaftspolitik Deutschlands. Und Robert Habeck lässt sich wie in Baden-Württemberg sein Parteifreund Winfried Kretschmann dafür einspannen, Klimaschutz und saubere Abgase im Automobilbereich auszubremsen. Ausgerechnet der grüne Klimaschutzminister will nun die Informationspflichten für Händler und Hersteller bei der Vermarktung von Pkw bis zur Unwirksamkeit abschwächen. Verständlich, dass er wie seine liberalen Vorgänger die konspirativen Absprachen mit der Automobilwirtschaft nicht offenlegen will. Das wird ihm aber nichts nützen, denn auch für ihn gelten Recht und Gesetz.“
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in der Sache vertritt: „Der Umgang des Klimaschutzministeriums mit der berechtigten Anfrage der DUH ist absurd. Es wird nicht einmal mitgeteilt, wann man mit wem aus der Automobilindustrie geredet hat. Klandestine Absprachen dieser Art sind nicht hinnehmbar.“
Hintergrund:
Schon seit dem 1. September 2018 werden Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen aller neu zugelassenen Pkw EU-weit nach dem Prüfverfahren WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) gemessen. Dieses weist in der Regel deutlich höhere Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen aus als das bisherige Verfahren NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), da es den Verbrauch im realen Verkehr besser abbildet. Damit Hersteller und Händler die WLTP-Werte in der Werbung und am Verkaufsort kommunizieren, muss die Pkw-EnVKV an die EU-Gesetzgebung angepasst werden. Dies hat die Bundesregierung auf Druck der Autokonzerne seit Jahren verzögert.
Die geplante Novelle sieht nun eine massive Verschlechterung der Verbraucheraufklärung beim Kauf von Pkw-Neuwagen vor. Demnach müssten die Umweltinformationen nicht mehr zeitgleich mit Angaben zu Motorstärke oder Beschleunigungswerten erscheinen. Dazu sollen Autos mit Verbrennungsmotor selbst bei hohen CO2-Emissionen im grün-gelb markierten Bereich eingestuft werden. Bei den Elektroautos sollen auch extrem stromintensive Modelle in der besten Effizienzklasse erscheinen. Damit erschwert der Entwurf massiv die Auswahl sparsamer Fahrzeuge.
PM Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)