Wie gestern bekannt wurde, überwacht das Bayerische Landeskriminalamt seit Oktober 2022 gezielt Telefonate, Mail-Verkehr sowie Bewegungsprofile von Unterstützer:innen der Letzten Generation. Das Presse-Telefon, über das Journalist:innen jederzeit Fragen stellen können, wird allem Anschein nach seit Monaten von der bayerischen Ermittlungsbehörde abgehört. Auch zahlreiche private Daten zu Gesprächen, Schriftwechseln und Aufenthaltsorten mehrerer Unterstützer:innen der Letzten Generation wurden demnach erfasst. Ob die Überwachung noch anhält, ist bislang unklar. [1]
Nach Berichten der SZ sind 13 Telefonanschlüsse betroffen, unter ihnen auch der von Carla Hinrichs (26), Sprecherin der Letzten Generation. Erst vor wenigen Wochen waren im Zuge einer Hausdurchsuchung bewaffnete Beamte in ihre Wohnung eingedrungen. Nun erfuhr sie, dass die bayerischen Ermittlungsbehörden seit Monaten ihre privaten Telefonate protokollierten, ihre Mails in Echtzeit mitlasen und sogar verfolgten, wo sie sich aufhielt:
“Ich führe ein super privates Telefonat mit meiner Mutter und da hört einfach jemand mit und protokolliert. Das ist so verstörend. Warum werde ich verfolgt? Ich will doch nur, dass unsere Regierung uns alle schützt!”
Auch Imke Bludszuweit (22) wird wohl abgehört. Sie erklärt: ”Es ist absurd und erschreckend, welche Geschütze hier aufgefahren werden, um friedlichen Protest zu unterdrücken. Wir schlagen Alarm, weil die Regierung gerade die Verfassung bricht und das unsere Demokratie bedroht. Ich wünsche mir von Herzen, dass auch nur annähernd so viele Ressourcen für die Bekämpfung der Katastrophe aufgewendet werden würden, die gerade vor unseren Augen eskaliert, wie für die Versuche, den Alarm verstummen zu lassen.”
Den SZ-Recherchen zufolge habe ein Ermittlungsrichter die Überwachung des Presse-Telefons als “erforderlich und unentbehrlich” bezeichnet – nur wenige Wochen, nachdem das Bayerische Landeskriminalamt eingestand, dass die Gesprächsinhalte nicht über das hinausgingen, was ohnehin öffentlich in Pressemitteilungen oder -konferenzen kommuniziert wird.
Durch die Ermittlungen wolle man “Strukturen erhellen”.
Seit dem 19.3.23 sind in einem öffentlichen Wiki Strukturen, Strategie und Ziele der Letzten Generation übersichtlich nachzulesen. Unterstützer:innen der Letzten Generation stehen mit Namen und Gesicht zu ihrem Protest, erscheinen regelmäßig vor Gericht und stellen sich dort Freisprüchen und Verurteilungen gleichermaßen.
Wer genau in welchem Ausmaß von der Überwachung betroffen ist, ist unklar. Winfried Lorenz (64) fasst die allgemeine Stimmung innerhalb der Bewegung zusammen: “Wir alle wussten von Beginn an, dass wir mit starkem Gegenwind rechnen müssen. Aber welches Ausmaß das Vorgehen gegen uns annehmen würde, war uns nicht klar. Wir sind doch hier in Deutschland, und zwar im 21. Jahrhundert. Schwer zu sagen, was als nächstes kommt. Was aber feststeht: Wenn wir nicht endlich umlenken, wird unsere Gesellschaft an den Strapazen der Klimakatastrophe zerbrechen. Um den Kollaps zu verhindern, werden wir weiter auf die Straße gehen, friedlich und entschlossen, begleitet von Sorgen und Angst, aber auch voll Hoffnung und Mut.”
Die Bayerischen Behörden sind wiederholt mit fragwürdigen Ermittlungsmethoden und Befugnisüberschreitungen aufgefallen. Nach der Sperrung der Website der Letzten Generation hatten sie sie beispielsweise in einem “Warnhinweis” als kriminelle Vereinigung bezeichnet. Dabei hat das LKA rechtsstaatliche Prinzipien missachtet.
Auch die Berliner Justiz steht derzeit in der Kritik, da Prozesse der Letzten Generation von nun an in Schnellverfahren gesondert behandelt werden sollen. Lukas Theune, Geschäftsführer des Republikanischen Anwältinnenvereins (RAV), spricht von „einer Art Sondertribunal“ und einer „Form von Sonderjustiz“. [2]
In der offiziellen Stellungsnahme des RAV heißt es, Es dränge “sich der Eindruck auf, dass bewusst eine Sonderzuständigkeit für die Letzte Generation geschaffen wurde: Dieser Eindruck speist sich aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Regierungswechsel, hausinternen Gesprächen, den gleichzeitigen Änderungen der Geschäftsverteilungspläne von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Tiergarten – sowie dem Umstand, dass de facto nur die Fälle der Letzten Generation von dieser Änderung umfasst sind.” [3]
Ungeachtet dessen wird die Letzte Generation ihren Protest auch in der nächsten Woche in ganz Deutschland auf die Straße tragen, um die Bundesregierung auf den Boden der Verfassung zurückzuholen.
[2] Berliner Justiz gegen Letzte Generation: Im Schnellverfahren – taz.de
[3] Letzte Generation (mailchi.mp)