- DUH begrüßt den zukünftig vorgesehenen rechtlichen Zugang aller betroffenen Menschen auf Schadensersatz, wenn die Luftgrenzwerte nicht eingehalten werden
- Europäische Kommission will Luftschadstoffgrenzwerte gegenüber heute gültigen Werten deutlich verschärfen, geht aber nicht so weit wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen
- Inkrafttreten der neuen Grenzwerte im Jahr 2030 deutlich zu spät angesichts jährlich 53.800 vorzeitiger Todesfälle wegen Luftschadstoffbelastung mit Feinstaub PM2,5 und 6.000 mit dem Dieselabgasgift NO2 in Deutschland
- DUH fordert Vorziehen des Inkrafttretens auf das Jahr 2025 und weitere Verschärfung der Luftschadstoffgrenzwerte auf die Richtwerte der WHO und startet hierzu die Initiative Clean Air 2.0
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission auf Verschärfung der Grenzwerte für Feinstaub und das Dieselabgasgift NO2 in dem vorgelegten Entwurf zur Überarbeitung der Europäischen Luftqualitätsrichtlinie. Ein wichtiger Punkt ist der zukünftig vorgesehene rechtliche Zugang aller betroffenen Menschen zu Schadensersatz, wenn die Luftgrenzwerte nicht eingehalten werden. Allerdings muss der Entwurf nun im Rahmen der Konsultationen mit Blick auf das Datum des Inkrafttretens und die Grenzwertbestimmung nachgeschärft werden. Die DUH fordert die für Luftreinhaltung zuständige Bundesumweltministerin Steffi Lemke sowie die Mitglieder des Europaparlaments dazu auf, sicherzustellen, dass die Grenzwerte für die Konzentration aller problematischen Luftschadstoffe vollständig und bereits ab 2025, nicht erst ab 2030, an die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst werden.
Nur so lassen sich die jährlich rund 53.800 vorzeitigen Todesfällen aufgrund der Luftverschmutzung mit Feinstaub, 6.000 durch das Dieselabgasgift NO2 und 3.350 durch Ozon allein in Deutschland deutlich verringern. Derzeit schlägt die Kommission für Feinstaub (PM2,5) einen Grenzwert im Jahresmittel von 10 µg/m3 (WHO Empfehlung: 5µg/m3) und für Stickstoffdioxid (NO2) ein Jahresmittelwert von 20 µg/m3 (WHO Empfehlung: 10 mg/m3) vor.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dazu: „Endlich liegt der seit Jahren von der Industrie verzögerte und leider auch in den vorgeschlagenen Grenzwerten abgeschwächte Richtlinienentwurf für die ‚Saubere Luft‘ vor. Nur durch eine konsequente Verkehrswende, Aussperrung aller Dieselstinker und Halbierung der Zahl der Pkws in unseren Städten sowie weiteren Maßnahmen in allen relevanten Sektoren, wie Verkehr, Landwirtschaft und Holzfeuerung, wird es möglich sein, die vorgeschlagenen Werte zu erreichen. Tatsächlich dürfen wir aber angesichts der 300.000 vorzeitigen Todesfälle in Europa jedes Jahr aufgrund von Luftverschmutzung nicht bis 2030 warten. Wir fordern daher von Umweltministerin Steffi Lemke, sich für ein Vorziehen der Richtlinie auf 2025 bei gleichzeitiger Verschärfung der Grenzwerte auf die WHO-Luftqualitätsstandards einzusetzen.“
Bei den früheren Verschärfungen der Luftreinhalterichtlinie zu Feinstaub im Jahr 2005 und dem Dieselabgasgift NO2 im Jahr 2010 haben Bundes- wie Landesregierungen die Grenzwerteinhaltung aus Rücksichtnahme auf die Autokonzerne ignoriert. Die DUH musste daher im Rahmen ihrer Kampagne „Saubere Luft“ die 70 Umweltzonen für die Einhaltung der Feinstaubwerte zum Teil gerichtlich durchsetzen. Seit 2011 kämpft sie in 40 weiteren Gerichtsverfahren für die Einhaltung der aktuellen Grenzwerte für das Dieselabgasgift NO2.
Dass europaweit jährlich immer noch 300.000 Menschen vorzeitig wegen Luftschadstoffen sterben, macht deutlich, dass die Verschärfung der Grenzwerte schnellstmöglich erfolgen muss. Um dies zu erreichen hat die DUH am 5. Oktober 2022 im Rahmen eines internationalen Symposiums ihre bisher größte Luftreinhalte-Initiative CLEAN AIR 2.0 gestartet. Mit der Initiative will die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation in großer Allianz mit anderen Organisationen sowie über juristische Mittel – wie zuletzt durch die Unterstützung der Verfassungsbeschwerde für Saubere Luft – die WHO-Empfehlungen durchsetzen.
Die nun auch von der EU-Kommission im Grundsatz bestätigte Notwendigkeit einer drastischen Verschärfung der Luftqualitätsgrenzwerte ist Voraussetzung, um die zuständige Politik zu wirksamen Maßnahmen für wirklich „Saubere Luft“ zu bewegen. Dazu zählt eine konsequente Verkehrswende in unseren Städten mit der Aussperrung aller Fahrzeuge, die im realen Fahrbetrieb die aktuellen Abgasgrenzwerte nicht einhalten. Darüber hinaus muss die Zahl der Pkws halbiert und die Infrastruktur für Bahn, Bus und Tram sowie Fahrradverkehr drastisch ausgebaut werden. Über die Verkehrsmaßnahmen hinaus muss zudem eine Filterpflicht für Holzfeuerungsanlagen folgen, um den Feinstaubausstoß wirksam zu senken. Und auch in der Landwirtschaft müssen Emissionsminderungsmaßnahmen umgesetzt werden.
Hintergrund:
Ende 2020 wurde von der Kommission die Überarbeitung der Europäischen Luftqualitätsrichtlinie (Ambient Air Quality Directives, 2008/50/EC) angestoßen. Mit dem heute veröffentlichten Gesetzentwurf der Kommission startet der formale Gesetzgebungsprozess zur Änderung der Richtlinie. Nun müssen der Rat und das Parlament über diesen Entwurf beraten. Bereits im Revisionsprozess hatte die Kommission die Veröffentlichung der neuen Empfehlungen der WHO für Luftqualitätsstandards in ihre Evaluationen miteinbezogen, entsprechend sind die Änderungsvorschläge im Lichte dieser vorgeschlagenen Werte zu betrachten.
Link:
- Unsere Kurzpositionierung zur EU Luftqualitätsrichtlinie, unser Maßnahmenpapier zur Umsetzung der WHO-Luftschadstoffgrenzwerte sowie eine Übersicht der Luftschadstoffgrenzwerte im Vergleich finden Sie hier: https://l.duh.de/pp221026
PM Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)