Seit dem 1. Januar 2022 ist Nicole Razavi, die baden-württembergische Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, für zwei Jahre die Vorsitzende der Bauministerkonferenz. Im Interview spricht sie über diese Aufgabe und ihre Ziele.
Frau Ministerin Razavi, seit dem 1. Januar 2022 sind Sie Vorsitzende der Bauministerkonferenz. Was sind die Aufgaben der Bauministerkonferenz?
Ministerin Nicole Razavi: Die Bauministerkonferenz ist die Arbeitsgemeinschaft aller Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren der 16 Bundesländer, die für Städtebau, Bauwesen und Wohnungswesen zuständig sind. Diese Gruppe trifft sich – sofern Corona dies zulässt – einmal im Jahr. An diesen Treffen wird dann auch die neue Bundesbauministerin teilnehmen.
Die Bauministerkonferenz diskutiert Fragen und trifft Entscheidungen zum Wohnungswesen, Städtebau und Baurecht und zur Bautechnik und sie vertritt die Länderinteressen gegenüber dem Bund. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist es, für einheitliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Länder im Bereich des Wohnungswesens, des Bauwesens und des Städtebaus zu sorgen sowie für einen möglichst einheitlichen Vollzug.
Was ist Ihre Aufgabe als Vorsitzende der Bauministerkonferenz?
Razavi: Meine Aufgabe ist es, diesen Austausch der 16 Länder zu moderieren und am Ende möglichst zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen. Das ist bei 16 Ländern mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen im Baubereich einerseits nicht immer ganz einfach. Andererseits können wir alle voneinander lernen, das ist ja das Schöne am Föderalismus. Nach Möglichkeit bringen alle Bundesländer ihre unterschiedlichen Ideen zusammen und es entsteht etwas Neues, Besseres.
Baubereich muss zum Klimaschutz beitragen
Was sind Ihre Ziele in den nächsten beiden Jahren?
Razavi: Die größte Herausforderung ist sicherlich das Schaffen von mehr bezahlbarem Wohnraum. Diese Herausforderung stellt sich allen 16 Ländern. Deshalb unterstützen wir unsere Städte und Gemeinden auf der Suche nach Flächen und Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere im Innenbereich, so gut wie möglich. Außerdem müssen wir die soziale Wohnraumförderung auf hohem Niveau halten und wenn irgend möglich noch einen Gang höher schalten. Denn angesichts stark steigender Baupreise werden wir nur so zahlenmäßig das Niveau an neuen Sozialwohnungen halten beziehungsweise steigern können.
Welche Rolle spielt der Klimaschutz?
Razavi: Eine sehr bedeutende. Der Baubereich muss seinen Teil zum Klimaschutz beitragen. Dabei müssen wir schauen, was wirklich etwas bringt und welche Maßnahmen auch die beste Kosten-Nutzen-Relation haben. Zum Beispiel stößt die Fixierung auf Dämmung zunehmend an ihre Grenzen. Das haben wir einmütig auf der letzten Bauministerkonferenz festgestellt. Deshalb schlagen wir vor, uns an der Größe zu orientieren, die wirklich zählt: Treibhausgas-Emissionen. Und dabei sollten wir das ganze Quartier und die gesamte Lebensdauer des Gebäudes in den Blick nehmen. Unser Ziel muss sein: Möglichst einfach, aber qualitativ hochwertig bauen und damit möglichst klimafreundlich und auch kostengünstig und damit sozial. Auch klimagerechtes Wohnen muss bezahlbar sein.
Sind die Folgen der Corona-Pandemie ein Thema?
Razavi: Aber sicher. Die Wiederbelebung der Innenstädte angesichts der Corona-Krise ist uns allen zum Beispiel ein wichtiges Anliegen. Mit dem Bericht „Handlungsempfehlungen für eine künftige, nachhaltige Stadtentwicklung“ hat die Bauministerkonferenz in diesem Jahr eine gute Arbeitsgrundlage verabschiedet, wie wir die Zentren bei den bevorstehenden Herausforderungen unterstützen können.
Dazu bedarf es aber einer ausreichenden Mittelausstattung der investiven Städtebauförderung. Dafür wird sich die Bauministerkonferenz weiter einsetzen. Die Städtebauförderung ist das wichtigste und mächtigste Instrument. Bund und Länder nehmen hier viel Geld in die Hand. Allerdings sind auch die Bedarfe vor Ort enorm und steigend. Deshalb ist es außerordentlich zu begrüßen, dass der Bund im neuen Koalitionsvertrag eine verbesserte Ausstattung der Städtebauförderung angekündigt hat.
Bauen wieder vereinfachen und beschleunigen
Sie sprechen den Bund an. Welche Rolle spielt das neue Bundesbauministerium?
Razavi: Wir freuen uns über das neue Bundesbauministerium. Für die Länder ist das ein klares Zeichen, dass sich der Bund beim Wohnen und Bauen stärker engagieren will. Angesichts der aktuellen Steigerungen der Baupreise käme das genau zum richtigen Zeitpunkt, Stichworte sind soziale Wohnraumförderung und Städtebauförderung. Jedenfalls wollen wir den Schwung, die zusätzliche Aufmerksamkeit, die das Thema nun zu Recht bekommt, nutzen und weiter vorankommen.
Es gibt immer wieder Klagen über zu viele Vorschriften im Baubereich. Wie stehen Sie dazu?
Razavi: Bürokratieabbau ist ein permanenter Prozess, eine Daueraufgabe für uns alle. Die Kunst besteht darin zu erkennen, was notwendig und hilfreich ist, und wo Normen, Regeln und Richtlinien entfallen können. Grundsätzlich muss man so ehrlich sein und sagen: Normen und Regeln werden von vielen Seiten gewünscht – nicht zuletzt, um in einer Welt immer komplexer werdender technischer Fragen eine höhere Verlässlichkeit und Berechenbarkeit zu bekommen.
Unterm Strich hat die Zahl der Vorschriften aber inzwischen ein ungutes Niveau erreicht: Für viele Investoren, Bauherren, Kommunalpolitiker, sogar für manche zuständigen Behörden ist der Verkomplizierungsgrad beim Bauen und Wohnen inzwischen ein Problem. Wir müssen Wege und gemeinsame Maßstäbe finden, wie wir das Bauen wieder vereinfachen und damit auch beschleunigen.
PM Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen