Nach den verheerenden Unwettern in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, sowie in Bayern und Sachsen beschäftigte sich der Ministerrat am Dienstag (20. Juli 2021) mit den Unterstützungsleistungen für die Unwettergebiete und der Hochwassersituation sowie den Vorsorgemaßnahmen in Baden-Württemberg. „Mein tiefes Mitgefühl gilt vor allem den Familien der Menschen, die bei den heftigen Unwettern auf tragische Weise ihr Leben ließen. In Gedanken bin ich auch bei den Verletzten und den vielen persönlich Betroffenen, die über Nacht ihr Hab und Gut verloren haben“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart.
„Die Lage in den Katastrophengebieten ist dramatisch. Für Baden-Württemberg war sofort klar, dass wir bei einer solchen Lage unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz so umfassend und schnell wie möglich helfen“, sagte der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl. Insgesamt waren und sind aus Baden-Württemberg rund 200 Einsatzkräfte der Polizei und mehr als 1.000 Einsatzkräfte des Bevölkerungsschutzes aus allen Landesteilen im Einsatz. Bereits in den ersten Stunden der Katastrophe hat ein Polizeihubschrauber mit Höhenrettern der Feuerwehr Stuttgart Menschen von Hausdächern und Balkonen befreit. Insgesamt wurden durch die Besatzung 37 Personen gerettet.
Der Innenminister berichtete zudem zur Warnung in Baden-Württemberg und betonte, dass die Menschen im Land umfassend und schnell vor Gefahren gewarnt werden: „Baden-Württemberg setzt zur amtlichen Warnung der Bevölkerung landesweit auf das satellitengestützte modulare Warnsystem MoWaS des Bundes. Über MoWaS können alle angeschlossenen Warnmedien und -mittel zeitgleich und mit einer Eingabe ausgelöst werden. Dazu gehören neben der Warn-App NINA – der Sirene für die Hosentasche – auch Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie weitere Medien wie zum Beispiel Zeitungsredaktionen und Onlinedienste.“ Neben MoWaS werden von den Kommunen auch örtliche Warnmittel wie Sirenen, Lautsprecherfahrzeuge oder regionale Warnsysteme zur Warnung der Bevölkerung genutzt. In Deutschland warne der Deutsche Wetterdienst vor Unwettern. Seine Aufgabe sei es, amtliche Warnungen über Wettererscheinungen herauszugeben, die zu einer Gefahr für Menschen werden oder die einen hohen Schaden verursachen können, erklärte Minister Thomas Strobl.
„Grundsätzlich verfügen wir in Baden-Württemberg über einen hervorragend aufgestellten, überwiegend auf dem Ehrenamt beruhenden Bevölkerungsschutz, der sich auch jetzt wieder bewährt hat“, so Minister Thomas Strobl. Schlagkräftige und belastbare Stabsstrukturen von der Ministeriums- bis auf die Gemeindeebene, ein staatliches Krisenmanagement und eine Landesfeuerwehrschule, die auch im Einsatzfall tatkräftige Hilfe leisten kann, seien nur beispielhaft dafür genannt, wie der ehrenamtliche Bereich im Hauptamt unterstützt werden kann. Minister Thomas Strobl verwies darauf, dass es in Baden-Württemberg in Braunsbach vor fünf Jahren ein räumlich zwar begrenzteres, letztlich aber vergleichbares Ereignis gegeben hat und daraus Schlüsse gezogen wurden – insbesondere was die Frage eines zügigen Wiederaufbaus nach einer Unwetterkatastrophe anbelangt. „In den einzelnen Fachdiensten haben wir in den letzten Jahren vorausschauend ganz besonders die Stärkung der Wasserrettung in den Blick genommen und diese mit modernster Ausstattung beispielsweise zur Strömungsrettung versorgt. Genau diese Fähigkeiten sind es, die in einem schnell fließenden Gewässer von Nöten sind“, erklärte Minister Thomas Strobl weiter: „Elf neue Gerätewagen für die Tauchergruppen der Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschaft hat Herr Staatssekretär Klenk erst vor kurzem an die DLRG übergeben. Diesen Standard müssen wir auch künftig halten.“
„Diese Unwetterereignisse, die damit verbundene katastrophale Schadenslage und die sich daraus ergebenden Fragen sind eindeutig so wichtig, dass ich als Vorsitzender zu einer telefonischen Sondersitzung der Innenministerkonferenz am heutigen Dienstagabend eingeladen habe“, so Strobl weiter. „Wir wollen einer gründlichen Analyse nicht vorgreifen: Jetzt ist die Zeit des Helfens, nicht der Manöverkritik. In der ersten Phase der verheerenden Hochwasserkatastrophe haben alle im Bevölkerungsschutz mitwirkenden Organisationen und Einrichtungen schier übermenschliches geleistet. Auch die gegenseitige und länderübergreifende Entsendung von Einsatzkräften und Material funktionierte reibungslos. Jetzt beginnt die Phase, in der Infrastruktur wiederhergestellt und Schäden beseitigt werden. Ob und welche Unterstützungsleistungen eventuell notwendig sind, will ich im Kollegenkreis besprechen.“
Anpassung an Folgen des Klimawandels in Baden-Württemberg
„Die fürchterlichen Ereignisse haben uns mit voller Wucht vor Augen geführt, dass der Klimawandel keine abstrakte Gefahr mehr ist. Lokale Starkregenereignisse, Hochwasser, immer häufigere Hitzewellen und Dürreschäden treten inzwischen jährlich auf“, sagte Kretschmann. „Die Klimakrise wird zu einer immer wiederkehrenden Naturkatastrophe, wenn wir nicht schnell und mit aller Kraft gegensteuern.“
„Die Wetterextreme können uns überall und zu jeder Zeit treffen. Nicht nur Starkregen und Hochwasser, sondern auch Hitze und extreme Trockenheit“, ergänzte Umwelt- und Klimaschutzministerin Thekla Walker. Die Landesregierung habe aus diesem Grund schon seit 2013 vorsorglich damit begonnen, den Hochwasserschutz und die naturnahe Umgestaltung der großen Gewässer wie Rhein und Donau zu verbessern, führte Walker aus. „Wir stellen dafür allein in diesem Jahr 83,5 Millionen Euro zur Verfügung – und haben damit die Mittel in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht.“ Außerdem unterstütze das Land die Städte und Gemeinden bei Hochwasserschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel dem Bau von Hochwasserrückhaltebecken, mit rund 51 Millionen Euro.
Darüber hinaus beteilige sich das Land bei der Erstellung von Konzepten beim Starkregenmanagement, damit sich Kommunen mit konkreten Maßnahmen auch vor dem Hochwasser an kleineren Gewässern schützen können.
Ministerpräsident Kretschmann und Klimaschutzministerin Walker appellierten an die Kommunen, die umfangreichen und wirksamen Programme wahrzunehmen. „Die Investition lohnen sich“, sagte Kretschmann. Das habe man jetzt schon bei einigen Städten und Gemeinden gesehen, die sich daran beteiligt haben. „Sie sind zuletzt glimpflich davongekommen.“
Das Umweltministerium überprüfe derzeit, wie man die bestehenden Frühwarnsysteme weiterentwickeln könne, kündigte Umweltministerin Walker an. Zum Beispiel soll das Betriebspersonal bei den zahlreichen kommunalen Stauanlagen in Baden-Württemberg noch effizienter auf die Extremwetterereignisse vorbereiten werden. „Und wir müssen die Anzahl und die Qualität der Messeinrichtungen erhöhen und verbessern, damit die Warnungen vor Hochwasser noch verlässlicher und punktgenauer an den kleineren Flüssen erfolgen kann“, hob Walker hervor.
Neben der Häufung von Starkregen oder Hochwasser werden in den nächsten Jahren auch die heißen Tage bei uns im Land zunehmen: Zum Ende des Jahrhunderts könnten es im Extremfall landesweit durchschnittlich 38 statt bisher etwa fünf heiße Tage im Jahr mit Temperaturen von 30 Grad und mehr sein. „Die heißen Sommer der Jahre 2003 und 2018 mit 27 beziehungsweise 21 heißen Tagen wären dann nur noch unterdurchschnittlich heiße Sommer“, fügte die Klimaschutzministerin hinzu.
Mit der Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels stelle das Land seit 2015 umfassende Informationen sowohl zu den Auswirkungen des Klimawandels in Baden-Württemberg als auch Handlungsempfehlungen bereit. Sie werde im Moment fortgeschrieben und umfasst neun Handlungsfelder. Walker sagte: „Darin werden ganz konkret Maßnahmen benannt, um den Umgang mit Hitze zu erleichtern und die Gefahr von Überflutungen einzugrenzen. Zum Beispiel mit Dach- und Fassadenbegrünungen und Grünflächen in Gärten und Parks, wo das Wasser versickern kann.“
Ergänzende Informationen:
Detaillierte Informationen zu den Aktivitäten des Landes in den Bereichen Hochwasserschutz und Starkregenrisikomanagement und zur aktuellen Lage erhalten sie über das Portal www.hochwasserbw.de.
Im Leitfaden „Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg“ bekommen die Kommunen Hilfe bei der Planung, Erstellung und Umsetzung eines auf ihr Gebiet angepassten Starkregenrisiko-Vorsorgekonzepts.
Die Leitlinie „Strategie zur Minderung von Hochwasserrisiken in Baden-Württemberg“ wurde 2014 überarbeitet und mit den Vorgaben der europäischen Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRM-RL) synchronisiert.
Mit den Hochwassergefahrenkarten liegen an knapp 12.000 Kilometern Gewässer wichtige Informationen für die Öffentlichkeit und die Verwaltung vor. Die Karten stellen die Überflutungsflächen und Überflutungstiefen für drei verschiedene Hochwasserszenarien (ein häufiges und ein mittleres Ereignis sowie ein Extremereignis) dar.
Die Hochwasservorhersagezentrale der LUBW stellt Messwerte zu aktuellen Wasserständen und Abflüssen bereit, veröffentlicht Lageberichte und erstellt Vorhersagen zum Verlauf des Hochwassers.
PM Staatsministerium Baden-Würrtemberg