Runter vom Flächenverbrauch-Gaspedal in der Region Stuttgart: Verfassungsurteil zur Klimagerechtigkeit muss berücksichtigt werden

In seinen jüngsten Äußerungen mahnen Verband Region Stuttgart (VRS) und IHK Stuttgart zu vermehrter Wohnbautätigkeit auch im Außenbereich. Anlass dafür geben ihrer Meinung nach Babyboomer der Jahrgänge 1955 – 1964, die in den nächsten 15 Jahren schrittweise ihre Rente antreten. So drohe ein Wohlstandsverlust, wenn die Wiederbesetzung ihrer Arbeitsplätze an fehlendem Wohnraum scheitert. Thomas Kiwitt, Technischer Direktor beim VRS will deshalb alle Kommunen zur Ausschöpfung ihrer genehmigten Flächennutzungspläne ermutigen.

„1.000 Hektar der noch wenigen Freiflächen in der Region sollen wieder dem Totschlagargument -Erhalt der Wirtschaftskraft- weichen“, kritisiert Gerhard Pfeifer, BUND Regionalgeschäftsführer.

Der BUND warnt davor, dem Ansinnen von Thomas Kiwitt zu folgen und beim Flächenverbrauch aufs „Gaspedal“ zu drücken. Zumal auch der Rückschluss, 200.000 wegfallende Arbeitskräfte in den nächsten 15 Jahren mit einer entsprechenden Wohnungsbauoffensive auszugleichen, viele Zweifel aufkommen lässt. Von diesen 200.000 Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, werden nach Angaben des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg etwa ein Viertel progressiv steigend nach 15 Jahren verstorben sein. Entsprechend freiwerdender Wohnraum muss also ins Kalkül miteinbezogen werden. Überschlagsmäßig werden hier immerhin 25.000 Wohnungen frei.

Die genehmigten Flächennutzungspläne jetzt aus zu mosten, hält der BUND für klimapolitisch kontraproduktiv. Hinter diesen Flächen verbergen sich meist hochwertige Ackerflächen, Grünland, Streuobstwiesen, Hecken und andere Biotope. Gerade Ackerflächen aber haben großes Potenzial zusätzlichen Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufzunehmen. Generell sind Böden die zweitgrößten CO2-Speicher der Welt. Jürgen Merks, Flächenverbrauchsspezialist beim BUND: „In der Zusammenschau mit dem jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Klimagerechtigkeit ergibt sich hier ein klarer Zielkonflikt zwischen Versiegelung und Klimaschutzvorgaben.“

Auch der wirtschaftliche Strukturwandel, genauer die Transformation hin zur Digitalisierung und Elektromobilität, wird seine Spuren eher in einer Verschlankung der Anzahl von Mitarbeiter*innen hinterlassen. Nicht jeder Arbeitsplatz wird 1:1 ersetzt werden. „Im Weiteren zeichnet sich durch den Megatrend „Homeoffice“ eine entsprechende Konversion von Büro- hin zu Wohnstandorten in erheblichem Maße ab“, prognostiziert Gerhard Pfeifer für die nahe Zukunft. Und weiter: „Diese vollerschlossenen Potenziale zu nutzen, heißt auf der anderen Seite dringend benötigte, wertvolle Natur und Böden im Außenbereich für die Generationengerechtigkeit zu erhalten.“

Im Übrigen ist eine grüne, unverbaute Umgebung für viele Fachkräfte ein immer wichtiger werdender Standortfaktor um in die Region Stuttgart zu ziehen. Den Zuzug allein auf das Wohnungsangebot zu reduzieren greift zu kurz.

Um dennoch eine notwendige Quantität und Qualität beim Bauen in der Region zu erreichen, verweist der BUND auf seine Forderungen und Vorschläge zur Entspannung der Wohnungssituation. Dazu zählen u.a.: Regionsweite Erhebung von Brachflächenpotenzialen nach dem Vorbild „Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart“ (NBS), verdichtete, qualitätvolle Bauweise auch im ländlichen Bereich, Anreize zur Neuorganisation von Wohnraumverteilung, Flächenumwidmung von Gewerbe- zu Wohnstandorten, Kommunale Flächenbevorratung mit entsprechender Finanzmittelbereitstellung durch Land und Bund, Stopp von großflächigen Einzelhandelsansiedlungen außerhalb der Innenstädte, Förderung von genossenschaftlichen, projektbezogenen, ökologischen, autofreien, zentrumnahen Wohnbauinitiativen.

 

PM Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Regionalverband Stuttgart

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