Ansprache von Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ich wende mich heute an Sie, weil ab dem kommenden Montag  weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft treten.

Es ist mir ein Anliegen, Ihnen direkt die Gründe für diese Einschränkungen zu erläutern.

Die Corona-Lage hat sich extrem verschlechtert.

Vor einem Monat haben sich auf 100.000 Einwohner 15 Personen in der Woche mit dem Virus angesteckt.

Jetzt sind es rund 100 – also fast siebenmal so viele.

Wir haben Alarmstufe dunkelrot!

Die Gesundheitsämter sind mancherorts nicht mehr in der Lage nachzuverfolgen, wer Kontakt zu Infizierten hatte.

Wir können in 3 von 4 Fällen nicht mehr sagen, wo sich jemand angesteckt hat.

Und die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen steigt stark an.

Wir laufen Gefahr, die Kontrolle über die Pandemie zu verlieren.

Wie schnell das geht, sehen wir bei unseren europäischen Nachbarn.

Erkrankte aus Holland und Tschechien werden in Deutschland behandelt,  weil die Kliniken dort überfüllt sind.

In Belgien müssen Ärzte, die selbst infiziert sind, weiterarbeiten,  damit das System nicht zusammenbricht.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ich kann und will nicht akzeptieren, dass wir bei uns in eine ähnliche Situation kommen. 

Die Gesundheit und das Leben sind die höchsten Güter, die wir haben.

Daran orientiert sich meine Politik.

Meine Länderkollegen und ich haben deshalb gemeinsam mit der Kanzlerin harte Maßnahmen beschlossen.

Mit einer nationalen Kraftanstrengung wollen wir die Zahl der Neuinfektionen wieder deutlich senken.

Damit weiter alle Erkrankten gut behandelt werden können.

Und die Gesundheitsämter die Infektionen wieder nachverfolgen und zuordnen können.

Und die Kontaktpersonen schnell in Quarantäne schicken können.

Deshalb ist jetzt entscheidend:

Die persönlichen Kontakte um drei Viertel zu reduzieren.

Das ist die Zielmarke, die uns die Experten mitgegeben haben.

Wir setzen dabei klare Prioritäten:

Wir wollen die Schulen und Kitas so gut wie möglich offen halten.

Und wir wollen, dass möglichst viele Menschen weiterhin zur Arbeit gehen können, damit der wirtschaftliche Schaden möglichst gering bleibt.

Das bedeutet aber, dass wir andere Bereiche konsequent herunterfahren müssen.

Denn das Problem ist:
Das Virus fühlt sich da besonders wohl,
wo wir uns wohl fühlen,
und in geschlossenen Räumen zusammen kommen.

Deshalb müssen wir jetzt diese geselligen Kontakte konsequent einschränken –
auch wenn uns das als soziale Wesen besonders schwer fällt.

Nur wenn uns das gelingt, können wir diese Infektionswelle brechen.

Wir haben deshalb beschlossen,

dass sich nur noch Personen aus zwei Haushalten treffen dürfen – höchstens aber 10 Personen.

Die Gastronomie sowie Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen werden geschlossen.

Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, sind untersagt.

Diese Maßnahmen gelten ab Montag bis Ende November.

Und denken Sie bitte dran:

Da, wo sich Kontakte nicht ganz vermeiden lassen –  also beim Einkaufen, beim Arbeiten oder in der S-Bahn –  sind die AHA-Regeln und Hygienekonzepte wichtiger denn je.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

niemand wünscht sich solch schmerzhaften Einschränkungen.

Ich am allerwenigsten.

Solche Beschlüsse fasst man immer schweren Herzens.

Aber letztlich sind sie wie eine bittere Medizin:
Man nimmt sie nicht gerne ein.
Aber man muss es tun, um wieder gesund zu werden.

Die nächsten Wochen werden nicht einfach.

Denn wir alle sind etwas pandemie-müde.

Das gilt auch für mich.

Aber dem Virus ist das egal.

Es kennt keine Pause.

Deshalb müssen wir uns weiter gemeinsam anstrengen, denn nur gemeinsam können wir der Pandemie die Stirn bieten.

Nur wenn Sie alle mitmachen, wirken unsere Beschlüsse.

Und ich weiß: Wir können das.

Ich habe Vertrauen in unser Gemeinwesen.

Und ich habe Vertrauen in Ihre Verantwortungsbereitschaft, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.

So sind wir im Frühjahr besser durch die erste Welle gekommen als die meisten anderen Länder der Welt.

Lassen Sie uns jetzt wieder auf die Tugenden besinnen, die unser Land so stark machen:
Zusammenhalt,
Gemeinsinn,
und Solidarität.

So können wir es wieder schaffen.

So werden wir gemeinsam die zweite Welle brechen.

 

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