Nachdem Artikel 3 der neuen Straßenverkehrsverordnung (StVO) nach Einschätzung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aufgrund eines Formfehlers im Verordnungstext nichtig ist, hat die Landesregierung mitgeteilt, dass die in Baden-Württemberg laufenden Bußgeldverfahren bis zur Heilung des BMVI-Fehlers nach altem Recht behandelt werden.
Diese Woche hat das Ministerium für Verkehr (VM) Baden-Württemberg das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) darüber informiert, dass Fahrverbote, die auf Grundlage der neuen Bußgeldkatalog-Verordnung von 28. April 2020 erlassen wurden, bei abgeschlossenen, rechtskräftigen Verfahren nur im Wege einer sogenannten Gnadenentscheidung durch das jeweils zuständige Regierungspräsidium aufgehoben werden können. Nach Schätzung des VM seien in Baden-Württemberg in etwa 1.000 Fällen Fahrverbote nach der novellierten StVO aufgrund von Geschwindigkeitsüberschreitungen verhängt worden, bei denen es nach alter Rechtslage zu keinem Fahrverbot gekommen wäre.
In Baden-Württemberg liegt die Ausübung des Gnadenrechts in Bußgeldsachen bei den vier Regierungspräsidentinnen und Regierungspräsidenten. Dieses Gnadenrecht kann unter ganz bestimmten Voraussetzungen gewährt werden. Darunter fällt vor allem ein zu Unrecht ergangener Bescheid, der die Einzelfallprüfung hinsichtlich der Gewährung des Gnadenrechts zulässt.
Betroffene können einen entsprechenden Antrag auf Gnadengesuch bei der zuständigen Bußgeldbehörde in den Landratsämtern, großen Kreisstädten und Verwaltungsgemeinschaften stellen. Die Bußgeldbehörde leitet den Antrag dann an das RPS weiter. Um bei der Prüfung nicht unnötig Zeit zu verlieren, bittet das RPS darum, diesen Weg unbedingt einzuhalten und die Anträge nicht direkt zu stellen.
Klar sei, dass nur solche Fahrverbote durch ein Gnadengesuch aufgehoben oder ausgesetzt werden könnten, die nach der neuen Gesetzeslage zu einem Fahrverbot führten. Verhängte Fahrverbote, die auch nach der alten Rechtslage zu einem Fahrverbot geführt hätten, blieben bestandskräftig und könnten nicht auf dem Weg des Gnadenrechts abgeändert werden. Ebenfalls nicht zurückgenommen werden können aufgrund des Bußgeldkatalogs verhängte Bußgelder.
Laufende Bußgeldverfahren würden von den Bußgeldbehörden nach alter Rechtslage behandelt. Dies seien Verfahren, in denen noch keine Entscheidung ergangen sei, in denen dem Bürger noch fristgemäße Rechtsbehelfe zustünden oder in denen der Bürger einen Rechtsbehelf eingelegt habe.
Grundsätzlich forderte das RPS Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer dazu auf, die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen einzuhalten und Rücksicht zu nehmen. Die Teilnichtigkeit aufgrund eines Formfehlers sei ein absoluter Sonderfall. Bei Verstößen gegen Tempolimits bestehe immer auch die Gefahr, dass Menschen verletzt werden.
PM Regierungspräsidium Stuttgart