Von 29. Juni 2020 an sollen alle Kinder wieder regelmäßig ihre Kitas und die Kindertagespflege besuchen können. Grundlage für die Öffnung der Kitas und Kindertagespflege für einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen sind die vorläufigen Ergebnisse der Kinderstudie. Die im Auftrag der Landesregierung unter Federführung des Universitätsklinikums Heidelberg durchgeführte Studie hat die Befunde anderer internationalen Studien bestätigt: Danach haben Kinder unter zehn Jahren einen sehr viel geringeren Anteil am Pandemiegeschehen als ursprünglich angenommen. Sie erkranken deutlich seltener und haben dann meist mildere Verläufe mit wenigen oder gar keinen Symptomen.
„Auf dieser Grundlage ist eine umfassende Öffnung der Kindertageseinrichtungen verantwortbar. Ebenfalls ermutigen uns die ersten Erkenntnisse aus anderen Ländern wie etwa Sachsen“, erklärte Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann im Anschluss an die Kabinettssitzung heute (16. Juni 2020) in Stuttgart und fügte an: „Für viele Familien war die Zeit der Kita-Schließung enorm belastend. Für nicht wenige ist die Belastungsgrenze erreicht. Und für die Kinder sind die sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen, auch mit Blick auf ihre seelische Gesundheit, von herausragender Bedeutung. Wir sind deshalb dankbar und froh, dass wir die Kitas und Kindertagespflegestellen wieder vollständig öffnen und diesen Schritt mit den Einschätzungen des Landesgesundheitsamts auch auf eine solide Basis stellen können.“ Andere europäische Länder (Dänemark, Niederlande, Norwegen) wie auch andere Bundesländer (Sachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) haben bereits ihre Kindertageseinrichtungen sowie die Kindertagespflege für einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen geöffnet beziehungsweise werden dies zeitnah tun. „Das Infektionsgeschehen hat sich in Baden-Württemberg stark verlangsamt und auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Das ermutigt uns, diesen Schritt nun auch in Baden-Württemberg zu gehen“, so Ministerpräsident Kretschmann. Entsprechend des Beschlusses der Jugend- und Familienministerkonferenz vom 28. April 2020 erfolgt die schrittweise Öffnung der Kindertageseinrichtungen bundesweit in vier Phasen. In Baden-Württemberg wurden bislang die Phasen 1 bis 3 umgesetzt:
- Phase 1 mit der Notbetreuung ab 17. März 2020,
- Phase 2 mit der erweiterten Notbetreuung ab 27. April 2020 und
- Phase 3 mit dem eingeschränkten Regelbetrieb seit 18. Mai 2020.
Phase 4 mit dem Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen steht jetzt ab dem 29. Juni 2020 an. Eine Abstandsregelung für die Kinder untereinander besteht somit nicht. Die Umsetzung und konkrete Ausgestaltung erfolgen durch die jeweiligen Einrichtungen und ihre Träger in eigener Verantwortung. Mit diesem Schritt entfällt logischerweise dann außerdem die Notbetreuung. Für den Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen gelten jedoch strenge Regeln, unter anderem müssen Betreuungsgruppen strikt voneinander getrennt bleiben. Das sieht das Konzept (siehe Anhang) vor, das unter Federführung des Kultusministeriums unter Beteiligung des Landesgesundheitsamts und sowie Fachleuten der kommunalen Spitzenverbände, der freien Kita-Träger, Elternvertretern und Gewerkschaften entwickelt worden ist.
Oberste Priorität hat der Schutz der Gesundheit
Die Rückkehr zu einem Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen der Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege erfordert von allen Beteiligten ein hohes Maß an Disziplin und aktiver Mitwirkung, da sonst das Risiko eines örtlichen Infektionsgeschehens besteht, mit der Folge, dass die Gruppe, die Einrichtung bzw. die Tagespflegestelle seitens der Gesundheitsbehörden wieder geschlossen werden muss. In den Einrichtungen dürfen ausschließlich gesunde Kinder ohne Symptome von SARS-CoV-2 betreut werden. Auch das Personal muss gesund sein, ebenso die Eltern oder andere Personen, die das Kind zur Kinderbetreuung bringen. Mit Beginn des Regelbetriebs unter Pandemiebedingungen ab dem 29. Juni 2020 sowie zu Beginn des neuen Kindergartenjahres müssen die Eltern und alle Beschäftigten deswegen eine entsprechende schriftliche Erklärung abgeben, die dokumentiert wird. Eltern eines Kindes, das aufgrund relevanter Vorerkrankungen zu einer Risikogruppe gehört, sind dafür verantwortlich, mit dem Kinderarzt zu klären, ob der Besuch einer Kindertageseinrichtung oder Tagespflegestelle für ihr Kind gesundheitlich verantwortbar ist. Im Rahmen der erweiterten Teststrategie für das Land Baden-Württemberg, über die der Ministerrat am 23. Juni 2020 entscheidet, werden zusätzliche Testungsmöglichkeiten sowohl für Kinder wie auch für die Beschäftigten geschaffen.
Jede Kita und Tagespflegestelle braucht ein Hygienekonzept
Darüber hinaus erhalten die Einrichtungen eine Handreichung des Landesgesundheitsamts, wie bei möglichen Kontakten mit infizierten Personen oder deren Kontaktpersonen zu verfahren ist. Jede Einrichtung und Tagespflegestelle erstellt auf der Grundlage der Schutzhinweise für Kindertageseinrichtungen des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS), der Unfallkasse Baden-Württemberg sowie des Landesgesundheitsamt ein Hygienekonzept und setzt dieses um. Fester Bestandteil der pädagogischen Arbeit ist die spielerische und altersgerechte Unterweisung der Kinder in die Grundregeln der Hygiene wie Händewaschen und achtsames Hygieneverhalten im Umgang miteinander, beim Essen und in den Sanitäreinrichtungen.
Eine Abstandsregelung für Kinder besteht nicht, Erwachsene untereinander sollen aber die Abstandsregel von 1,5 Metern einhalten. In Kindertageseinrichtungen ist es aufgrund des Wegfalls der Abstandsregelungen allerdings sehr wichtig, auf eine stabile und konstante Zusammensetzung der Gruppen zu achten. Im Regelfall besuchen die Kinder die Gruppe, die sie vor Schließung der Kita besucht haben. Neuaufnahmen von Kindern und deren Eingewöhnung können wieder erfolgen.
Land kommt Wunsch nach Höchstmaß an Flexibilität nach
Laut Rückmeldung der Kita-Träger steht nicht in allen Einrichtungen das Personal vollumfänglich zur Verfügung, da etliche Beschäftige zu einer Risikogruppe zählen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat zwischenzeitlich seine Informationen zu den Risikogruppen an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst. Demnach ist eine generelle Festlegung zur Einstufung in eine Risikogruppe nicht mehr möglich. Vielmehr ist nun eine individuelle Risiko-Bewertung und medizinische Beurteilung erforderlich. Die konkrete Umsetzung dieser Empfehlung des RKI obliegt dem jeweiligen Träger der Einrichtung als Arbeitsgeber der Beschäftigten. „Wir wollen den Trägern und Einrichtungen größtmögliche Flexibilität und Freiräume ermöglichen, so dass sie den Familien im Land trotz angespannter Personaldecke eine verlässliche Betreuung bieten können“, betonte Eisenmann. Anfang Juni habe das Ministerium eine Dialogrunde veranstaltet, um sich mit Verbänden und Interessensvertretungen über die Kita-Öffnung auszutauschen und alle Akteure in den Planungsprozess einzubinden. Der Wunsch nach Flexibilisierung sei eine zentrale Rückmeldung der Träger gewesen. „Deshalb werden wir den Trägern befristet für ein Kita-Jahr ein Höchstmaß an Flexibilität einräumen, damit auch wirklich alle Kinder betreut werden können“, sagte die Ministerin.
So können die Träger vom Mindestpersonalschlüssel befristet bis zum Ende des Kita-Jahres 2020/21 abweichen, sofern die Aufsichtspflichten uneingeschränkt wahrgenommen werden. Um die Betriebszeiten verlässlich und möglichst vollumfänglich zu gewährleisten, kann die Mindestpersonalanzahl um bis zu 20 Prozent unterschritten werden. Bei einer weiteren Unterschreitung muss der Personalausfall kompensiert werden, zum Beispiel mit Fachkräften aus dem Bundesprogramm Sprach-Kitas, bereits bisher zeitweise eingesetzten Zusatzkräften, Personen, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, Studierenden im Block-Praktikum, Auszubildenden und anderen geeigneten Personen im Sinne des Kindertagesbetreuungsgesetzes.
Darüber hinaus können die Einrichtungen im Einzelfall mit Genehmigung des KVJS von der Gruppengröße abweichen. Zudem wurde den Trägern die Möglichkeit eingeräumt, zusätzliche geeignete Räume zu nutzen, sofern die Sicherheit für Kinder und Beschäftigten gewährleistet ist. Für den Fall, dass trotz dieser Maßnahmen nicht ausreichend Personal zur Gewährleistung der Aufsichtspflichten zur Verfügung steht, kann die jeweilige Einrichtung in Abstimmung mit ihrem Träger die Öffnungszeiten reduzieren.
Neues Direkteinsteigerprogramm in Planung
Um den Personenkreis der pädagogischen Fach- und Zusatzkräfte dauerhaft zu erweitern wird das Kultusministerium im Rahmen des „Gute-Kita-Gesetz“ ein Direkteinsteigerprogramm initiieren. „Damit wollen wir Personen, die sich beruflich neu orientieren möchten, entsprechende Einstiegs- und Qualifikationsmöglichkeiten anbieten“, erläuterte Ministerin Eisenmann. Zunächst sollen diese Zusatzkräfte berufsbegleitend eine pädagogische Qualifizierung erhalten, in einem weiteren Modul soll die Qualifizierung als Fachkraft möglich sein.
PM Staatsministerium Baden-Württemberg