„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, durch eine Aufwertung der straßenbegleitenden Grünflächen dem Artenrückgang aktiv entgegenzutreten und die biologische Vielfalt zu fördern“, so Verkehrsminister Winfried Hermann MdL bei der Vorstellung des vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg initiierten Modellprojekts zur ökologisch orientierten Pflege von Straßenbegleitgrün am 29. August 2017.
Aufgrund der intensiven Nutzung und Umgestaltung der Landschaft verlieren immer mehr Tier- und Pflanzenarten ihren ursprünglichen Lebensraum. „Der Zustand der Tier- und Pflanzenwelt in Deutschland ist besorgniserregend“, so Hermann. Die Zerschneidung der Lebensräume wirkt sich negativ auf die Bestände aus, da durch sie der genetische Austausch innerhalb von Arten verhindert und damit deren Überlebensfähigkeit vermindert wird. Davon sind nicht nur seltene, gefährdete Arten betroffen, sondern zunehmend auch „Allerweltsarten“ – allen voran Blütenbestäuber wie etwa Bienen und Schmetterlinge -, die für ein intaktes Ökosystem von zentraler Bedeutung sind.
Mit dem Ziel, die ökologisch orientierte Pflege von Straßenbegleitgrün weiter zu optimieren, wurde im Juni 2017 vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg ein Modellprojekt zur Erhöhung der Artenvielfalt im Straßenbegleitgrün gestartet. In dem dreijährigen Modellprojekt werden zusammen mit Straßenmeistereien aus dem Hohenlohekreis, dem Landkreis Böblingen, dem Landkreis Esslingen sowie dem Landkreis Göppingen Möglichkeiten untersucht, wie die biologische Vielfalt entlang von Straßen gefördert werden kann, ohne dass dem Straßenbaulastträger Mehrkosten für die Pflege des Straßenbegleitgrüns entstehen. Zu diesen Möglichkeiten zählt die Aushagerung ausgewählter Böschungsabschnitte sowie die Anlage von mehrjährigen Blühflächen entlang von Straßen.
Ausgehagerte, also nährstoffarme Standorte („Magerstandorte“) sind für den Naturschutz besonders interessant, da auf ihnen seltene und hoch spezialisierte Arten vorkommen, die aus unserer durch intensive Nutzung geprägten Landschaft zusehends verschwinden. Gleichzeitig ist für den Straßenbetriebsdienst der Pflegeaufwand solcher Magerstandorte relativ gering, da die dortige Vegetation verhältnismäßig langsam wächst.
Die im Modellprojekt anzulegenden mehrjährigen Blühflächen besitzen insofern einen hohen naturschutzfachlichen Wert, als dass sie blütenbesuchenden Insekten eine wichtige Nektar- und Pollenquelle zur Verfügung stellen und einer Vielzahl anderer Tierarten einen Lebensraum bieten. Wie bei Magerstandorten, ist der Pflegeaufwand mehrjähriger Blühflächen verhältnismäßig gering.
Wissenschaftlich begleitet und betreut wird das Modellprojekt von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Um die ökologischen Auswirkungen der Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen bewerten zu können, wird die Hochschule an ausgewählten Standorten floristisch-vegetationskundliche Untersuchungen durchführen. Gleichzeitig wird ermittelt, wie schnell die Vegetation auf den Probeflächen wächst und wie hoch der Pflegeaufwand der Meistereien in diesen Bereichen ist. Durch die Auswertung der Daten können Aussagen zu den ökonomischen Auswirkungen der Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen getroffen werden. „Ich freue mich, dass wir die Hochschule Nürtingen-Geislingen für dieses wichtige Projekt gewinnen konnten“, bedankte sich Minister Hermann bei der Hochschule.
Nach Beendigung des Modellprojekts wird die Hochschule Nürtingen-Geislingen Empfehlungen veröffentlichen, welche der untersuchten Methoden zur Erhöhung der Artenvielfalt auf den unterschiedlichen Standorten und dem jeweiligen Ausgangszustand am erfolgversprechendsten ist.
Hintergrund:
Aufgrund einer Flächengröße von über 27.000 ha allein in Baden-Württemberg, seiner linearen Struktur sowie der gleichmäßigen Verteilung im ganzen Land hat das von der Straßenbauverwaltung betreute Straßenbegleitgrün auch eine große Bedeutung für den Naturschutz. Zwar dient die Pflege des Straßenbegleitgrüns entlang von Straßen vorrangig dem sicheren Betrieb der Straßen, aber die Gras- und Gehölzflächen können bei richtiger Anlage und Pflege auch vielen Tier- und Pflanzenarten Rückzugs- und Ersatzlebensräume bieten. Zahlreiche Tierarten – z.B. Insekten, Kleinsäuger und Vögel – finden dort ein breites Nahrungsangebot, Deckungs- und Fluchtmöglichkeiten sowie Nist- und Brutplätze vor, die ihnen in ihren angestammten Lebensräumen zunehmend verloren gehen. Straßenbegleitende Hecken, Gräben und Mulden stellen Leitlinien und Ausbreitungskorridore dar, welche die Erschließung neuer oder Wiederbesiedlung ehemaliger Lebensräume – z.B. durch Fledermäuse, Kleinsäuger oder Insekten – begünstigen.
PM