Ein flammendes Plädoyer für Europa – gelungene Talk im Roth-Premiere mit über 40 Besuchern

Auf großes Interesse ist die erste Veranstaltung des neuen Talkformats im SPD-Bürgerbüro im Roth Carrée gestoßen. Bei der Lesung von Peter Boettel aus seinem 2016 erschienen Werk „Ist Europa gescheitert?“ blieb kein Platz unbesetzt. Im Austausch mit den Abgeordneten Heike Baehrens und Peter Hofelich standen dabei die Fragen und Impulse der Besucher im Mittelpunkt – direkt, bürgernah und schnell in der Diskussion. 

Eigentlich reiche es in der Betrachtung der aktuellen Chancen und Krisen der Europäischen Union zu kurz, nur in die jüngste Zeitgeschichte zu blicken, erklärte der Göppinger Autor Peter Boettel seinem Publikum – schließlich liege der ideengeschichtliche Ursprung Europas mitsamt seinen demokratischen, humanistischen Werten schon im klassischen Griechenland begründet. Über das Römische Reich spannte Boettel in seiner gut halbstündigen Lesung dann den Bogen zur französischen Revolution, in der sich europäische Werte wie Freiheit und Solidarität zum ersten Mal konstituierten. Ausgehend von den europäischen Kriegen des 19. Jahrhunderts stellte der Autor den Ersten Weltkrieg als Beschleunigung für eine europäische Verständigung der Nachkriegszeit heraus. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg habe dann der institutionelle Einigungsprozess beginnen können – von der Montanunion und den Römischen Verträgen hin zum Staatenbund seit dem Vertrag von Maastricht. Indes widmete sich Peter Boettel auch den gegenwärtigen Krisen der Institution. Neben einer von Südeuropa allzu oft als gnadenlos empfundenen Sparpolitik bestehe Nachholbedarf bei der Koordination eines gemeinsamen Vorgehens gegen Steuerhinterziehung und Steuerschlupflöcher. Dabei gelang es dem Autor, kurzweilig historische Meilensteine der europäischen Einigung mit Aspekten seines Lebens zu verbinden. Schließlich stammt der studierte Jurist aus dem Dreiländereck rund um die Stadt Trier und brachte so auch eine persönliche Perspektive auf Europa mit.

Die anschließende Diskussion unter Moderation von Heike Baehrens war geprägt durch viele Impulse der Zuschauer. Daniel Frey, Vorsitzender der Europa-Union im Kreis Göppingen, wies auf die Notwendigkeit eines parteiübergreifenden Einsatzes für Europa hin. Dass junge Generationen einschneidende Grenzen heute nur noch aus Erzählungen kennen, sei ein bewahrenswertes Gut. Ohnehin bestätigten lebenspraktische Besserungen wie etwa die wegfallenden Roaming-Gebühren, dass die Europäische Union sinnvollen Nutzen für den Einzelnen bringen könne.

Der Göppinger SPD-Abgeordnete und europapolitische Sprecher seiner Fraktion Peter Hofelich führte die inhaltlichen Prämissen der Lesung mit der Diskussion zu einem Impulsvortrag zur Europapolitik im Land zusammen. Europa, so Hofelichs These, stehe zurzeit trotz einer großen Zahl an internationalen Krisen vergleichsweise gut da, „denn Europa lässt sich nicht auseinanderdividieren.“ Zwar fehle in der Wahrnehmung vieler Bürger oft zurecht die soziale Seite Europas, doch habe sich „die europäische Politik insgesamt passabel gehalten“, sagte Hofelich. Als Europäer sei man in seinen Nachbarländern nicht mehr Fremder, sondern Teil eines gemeinsamen Binnenmarktes, der für Konsumenten zahlreiche Vorteile mit sich bringt.

Überdies habe Europa für viele Regionen besonders im Süden eine erhebliche infrastrukturelle Weiterentwicklung bewirken können. In anderen Bereichen, wie etwa bei den verschiedenen Ausbildungswegen für junge Menschen, könnten die Länder noch enger zusammenarbeiten – selbiges gelte auch bei manchen Gesetzen und Regelungen aus Brüssel. „Europa muss den Alltag der Menschen erreichen und das regeln, was in den Ländern selbst nicht sinnvoller geregelt werden kann.“ Europäische Herausforderungen in der Zukunft seien außerdem eine gerechte Förderung des angrenzenden afrikanischen Kontinents verbunden mit einer Ordnung der Migration aus der Südhalbkugel für sichere Außengrenzen. Im Rahmen einer gerechten Politik in Europa sei außerdem die Wertschöpfung dort zu besteuern, wo sie entstehe – und nicht in Offshore-Steueroasen. Und schließlich, so betonte Europaexperte Peter Hofelich abschließend, „haben wir Europa 72 Jahre Frieden zu verdanken. Auch deshalb haben wir in Baden-Württemberg allen Anlass, gute Europäer zu sein.“

PM

 

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