OB Till: „Wichtige Kärrnerarbeit“

Aktuell befinden sich 870 Flüchtlinge in Göppingen in der Erstunterbringung – diese Zahl gab Oberbürgermeister Guido Till beim jüngsten Runden Tisch Asyl bekannt. Zugleich dankte das Stadtoberhaupt allen Engagierten für die nach wie vor wichtige ehrenamtliche Unterstützung.Runder Tisch Asyl

Nach der Erstunterbringung, die in der Hohenstaufenstadt dank dem Göppinger Weg bislang überwiegend dezentral und sozialverträglich gemeistert werden konnte, rücken nun die Anschlussunterbringung sowie die Integration in den Fokus, so Till weiter. Dabei bleibt das Ehrenamt unverzichtbar. „Die Situation ist nicht mehr sensationell, nicht mehr aufregend. Aber jetzt geht es um die erfolgreiche Integration der Flüchtlinge bei uns, und das ist mit wertvoller Kärrnerarbeit verbunden.“

Untergebracht sind die 870 Flüchtlinge in Göppingen in 16 Unterkünften, ging die neue städtische Flüchtlingsbeauftragte Sandra Corveleyn ins Detail. Mit 245 Personen verteilen sich auf mehrere FlüWo-Häuser in der Julius-Keck-Straße, 225 Personen sind in der Pappelallee untergebracht, und die Menschen aus der drittgrößte Unterkunft, die Öde-Sporthalle, will das Landratsamt bis Monatsende anderweitig unterbringen. Die weiteren 13 Unterkünfte sind belegt mit sieben bis 65 Personen. 266 der Flüchtlinge oder 31 Prozent sind weiblich, 604 Flüchtlinge oder 69 Prozent sind männlich. 712 durchlaufen aktuell das Asylverfahren, 130 sind bereits anerkannt und warten auf ihre Anschlussunterbringung, und 28 Personen haben eine Duldung. Die Flüchtlinge sind im Durchschnitt deutlich jünger als die Göppinger Bevölkerung: unter sechs Jahren 118 Personen; sechs bis 18 Jahre 229 Personen, 18 bis 27 Jahre 250 Personen, 27 bis 50 Jahre 231 Personen und 50 Jahre oder älter 42 Personen.

Eine zügige Lösung des Fachkräftemangels ist deshalb allerdings nicht zu erwarten, erklärte Marco Lehnert vom Jobcenter Göppingen in der Diskussion. Zum einen fehlt es meist an den erforderlichen Sprachkenntnissen, zum anderen ist die duale Berufsausbildung in den Herkunftsländern unbekannt. Dennoch ist es Ziel, die Flüchtlinge nicht als Helfer zu beschäftigen, sondern nach einer individuellen Kompetenzfeststellung in passende Ausbildungsverhältnisse zu vermitteln. Lehnert ging noch auf einen anderen Aspekt ein: Zu den bestehenden 5.900 Bedarfsgemeinschaften, die derzeit im Landkreis registriert sind, erwartet er rund 1.000 weitere durch die Flüchtlinge.

 

Online-Hilfen

Zwei neue Online-Plattformen, die sich einerseits an die ehrenamtlich Engagierten und andererseits an die Flüchtlinge wenden, wurden beim 7. Runden Tisch Asyl ebenfalls vorgestellt. „dienst-bar.org“ der Göppinger Serviceclubs – Rotary Club Göppingen-Stauferland, Rotary Club Geislingen-Laichingen und Lions Club Göppingen – präsentierte Alexander Gaugler vom RC GP-Stauferland. Wo und wann findet in meiner Gemeinde eine Veranstaltung für Flüchtlinge statt? Wo treffen sich regelmäßig die Helfer? Wo kann ich mich als neu angekommener Flüchtling mit Helfern und anderen Flüchtlingen treffen? Wo bekomme ich Hilfe, um Formulare auszufüllen? Wo kann ich als Flüchtling Sport treiben, musizieren oder meinem Hobby nachgehen? Welche Erfahrung haben andere Ehrenamtliche im Landkreis mit meiner Idee bereits gemacht? – diese und viele andere Fragen beantwortet die neue Plattform von beiden Enden her. „Wir bringen so die Hilfsbereiten mit den Hilfesuchenden zusammen und schaffen gleichzeitig einen Ort zum Austausch derer, die an vielen Orten im Kreis vor denselben Herausforderungen stehen“, führte Gaugler aus, der die Seite konzipiert hat. Beraten wurde Gaugler dabei von der Gemeinde Wangen, der Stadt Göppingen und dem Landratsamt. Damit alle Organisationen und Verwaltungen die Seite aktuell halten, wurden alle Bürgermeister/-innen aus dem Landkreis informiert, außerdem wird am 26. Juli um 17 Uhr für alle Interessierten aus Verwaltung, Ehrenamt und Flüchtlingsorganisationen eine Schulung im Landratsamt angeboten. Mehr Informationen dazu gibt es unter www.dienst-bar.org.

Während dienst-bar.org vorrangig den öffentlichen Mitteilungen, dem lokalen Ideenaustausch und den hiesigen Veranstaltungsterminen gewidmet ist, zielt die von Ulrich Drechsel, Leiter des Fachbereichs Schule, Sport, Soziales bei der Stadt Göppingen vorgestellte homepage goeppingen.helpto.de auf konkrete Sach- und Zeitspenden ab. „Bei HelpTo können die Nutzerinnen und Nutzer in zehn verschiedenen Kategorien Angebote und Gesuche einstellen: Sachspenden, Begleitung und Beratung, Fahrdienste und Transporte, Freizeit, Familie und Kinder, Sprache, Bildung und Wissenschaft, Projekte und Ideen, Arbeit sowie Wohnen“, erläuterte Drechsel. „Diese Hauptkategorien sind noch einmal in weitere Untermenüs aufgefächert.“ Ein internes Nachrichtensystem ermöglicht zudem eine geschützte Kommunikation zwischen Anbietendem und Interessenten. Außerdem können sich auf dem Portal die örtlichen Unterstützerinitiativen und andere Organisationen vorstellen. HelpTo ist bereits in zahlreichen Städten und Landkreisen deutschlandweit verfügbar. Das Portal für Göppingen ist das mittlerweile sechste HelpTo-Portal in Baden-Württemberg. Die Nutzung von HelpTo ist kostenfrei; erforderlich ist lediglich eine Online-Registrierung mit Benutzername und E-Mail-Adresse. Träger und Organisator von HelpTo ist der gemeinnützige Verein Neues Potsdamer Toleranzedikt. Er wurde 2008 im Rahmen einer stadtweiten Diskussion um Toleranz, Weltoffenheit und Demokratie gegründet. Der Vereinsname beruft sich auf das historische Edikt von Potsdam, auf dessen Grundlage vor 330 Jahren zehntausende verfolgter Hugenotten in der Mark Brandenburg aufgenommen wurden und sich dort niederlassen und wirtschaftlich entwickeln konnten.

Oberbürgermeister Guido Till dankte den Rotary Clubs Göppingen-Stauferland und Geislingen-Laichingen sowie dem Lions Club Göppingen für die Internet-Plattform „dienst-bar“ als zielgerichtete Hilfestellung für Flüchtlinge und deren Helfer. Und weiter: „Das Internet stellt für die Flüchtlinge eine wichtige Brücke für die Kontaktaufnahmen untereinander und zu den daheimgebliebenen Familienangehörigen dar. Dank der gemeinnützigen und deutschlandweit präsenten online-Plattform HelpTo kann nun auch ein erster Brückenschlag zwischen Flüchtlingen und Bürgerinnen und Bürgern folgen. Mein Wunsch ist es, dass diese Plattform erstens rege genutzt wird und dass sich daraus zweitens viele persönliche Begegnungen und Beziehungen entwickeln.“

 

Konkrete Integration

Etwa 40 Flüchtlingskinder sind in den Kindertageseinrichtungen in Göppingen integriert, berichtete Ulrike Haas, Leiterin des Referats Kinder und Jugend bei der Stadt. Allerdings konnten noch nicht alle interessierten Kinder mit Plätzen versorgt werden. Für die Erzieher/-innen wird demnächst eine Schulung „Umgang mit Flüchtlingskindern“ angeboten, wies Haas auf die teilweise traumatischen Erlebnisse der Flüchtlinge hin.

An verschiedenen Grundschulen erleichtern Vorbereitungsklassen (VKL) den Start ins Schulleben. Ab Sommer wird auch an der Hermann-Hesse-Realschule eine VKL eingerichtet, kündigte Drechsel an. Über die durchweg positiven Erfahrungen mit der ersten VKL an einem Gymnasium im Regierungsbezirk Stuttgart berichtete Günter Roos, Leiter des Göppinger Freihof-Gymnasiums.

Um die chaotisch anmutende Teilnahme am Straßenverkehr vor allem von unbeaufsichtigten kleinen Kindern in der Julius-Keck-Straße ging es in der abschließenden Diskussionsrunde. Um das bekannte Problem zu entschärfen, hatte Sandra Corveleyn bereits Verkehrsunterrichtstunden im Bodenfeld organisiert – die ersten fanden nur wenige Tage nach dem Runden Tisch Asyl statt.

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