Dass schnöde Politik, dazu noch in Wahlkampfzeiten, auch amüsant sein kann, dafür sorgten nicht nur die beiden Moderatoren der NWZ, Helge Thiele und Joa Schmid, sondern auch die Kandidaten selbst. Sie ernteten nicht nur Beifall, sondern auch manch Kopfschütteln für ihre Aussagen.
Martin Kaess, Kandidat der FDP aus Abershausen, als Gemeinde- und Kreisrat eigentlich ein Politprofi, hatte schon auf anderen Podien mit Äußerungen zu Frauen und Flüchtlingen nicht nur Gelächter unter den Zuhörern erzeugt, er fiel auch in Göppingen wieder buchstäblich aus der Reihe, verwickelte sich in Widersprüche und wusste allenfalls durch Unwissenheit aufzufallen. Letztendlich stellte sogar der CDU-Kandidat Simon Weißenfels eine Zusammenarbeit mit so einem FDP-Kandidaten infrage, obwohl der schon zu Beginn der Veranstaltung klar dargelegt hatte, dass ihm eine Ampel „widerstrebt“. Aber die Forderung nach Grenzschließungen, deren Nachteile die Wirtschaft schon verkraften können, die Forderung nach einer schnellen Abschaffung der Gemeinschaftsschule oder die generelle Ablehnung der Windkraft sind genauso daneben wie die Behauptung, es wäre genug Geld da, um die B10 bis Amstetten in einem Zug fertig zu bauen. Beim öffentlichen Personennahverkehr mahnte er dagegen, man könne kein Geld für einen Bus ausgeben, der nur mit zwei Personen an Bord durch den Kreis fährt.
Von den drei verbliebenen ernsthaften Landtagskandidaten erregte der SPD-Kandidat, der schon seit 2006 im Landtag vertretene Peter Hofelich, der seit gut einem Jahr auch politischer Staatssekretär im Finanz- und Wirtschaftsministerium ist, den Unmut der rund 250 anwesenden Zuhörer in dem er sich eindeutig gegen den Bahnhalt an der Neubaustrecke Wendlingen/Ulm aussprach und zudem behauptete eine S-Bahn bis Göppingen sei besser als ein Metropolexpress bis Geislingen. Erstaunt fragten sich die Zuhörer, wie sich diese Aussagen mit seiner Rolle als Staatssekretär vereinbaren lasse. Hier ist er in erster Linie Göppinger Wahlkreisabgeordneter, so seine zusammenfassende Antwort.
Ansonsten konnten Hofelich und Alexander Maier, der Kandidat von Bündnis 90/Die Grünen, auf eine erfolgreiche Bilanz der fünf Jahre grünroten Landesregierung verweisen, denen der CDU-Kandidat Simon Weißenfels nur Forderungen entgegenstellte, die mach ein Zuhörer als Rückschritt in eine Politik verstand, die man vor fünf Jahren abgewählt habe. Weißenfells zeigte sich dennoch siegessicher, am 13. März werde die CDU deutlich vor den Grünen liegen und wieder die Regierung und den Ministerpräsidenten stellen. Leider fiel Weißenfels seinen Kandidaten-Kollegen immer wieder ins Wort, was einige Zuhörer lautstark monierten.
Realistisch analysierte der Radioredakteur Alexander Maier die jüngste Forsa-Wahlumfrage, die von den Moderatoren verlesen wurde. Danach erhalten die CDU und die Grünen jeweils 30 %, die SPD 16 %, die FDP 6 % und die AfD 11 %. Unser klares Ziel, so Maier, ist eine grünrote Mehrheit, sollte das nicht reichen, müssen wir sehen. Eine Opposition zusammen mit der AfD sieht er als „harten Schlag“.
Zu den einzelnen Wahlkampfthemen gab es keine neuen Erkenntnisse durch die Kandidaten, ob Flüchtlinge, Polizeireform, Schulpolitik, Verkehr, Schiene – die Thesen zu den von den Moderatoren vorgegebenen Themen waren schon oft ausgetauscht und diskutiert, was sich auch darin zeigte, dass Beifall für die Kandidaten nur spärlich zumindest aber gerecht verteilt aufkam.
Bei der Polizeireform sahen sich Hofelich un Maier auf dem richtigen Weg, die Reform war wichtig und richtig und im Gegensatz zur CDU habe man wieder mehr Polizisten eingestellt. Weißenfels will sich dagegen für die Wiedereinführung einer „freiwilligen Polizei“ einsetzen und ist damit nicht weit entfernt von der AfD, die vehement nach Bürgerwehren ruft. Alexander Maier stellte auch auf Nachfrage das Gymnasium nicht in Frage. Hofelich forderte als Mittelstandspolitiker, vermehrt berufsbezogenen Unterricht anzubieten. Als Grüner muss Maier jeden Windkraftstandort zwischen den Forderungen nach alternativen Energien und Umweltschutz individuell genau abwägen, verzichten kann man auf Windenergie in Baden-Württemberg aber nicht, so Maier, der sicher ist, den geplanten Anteil der Windenergie an der gesamten Energieerzeugung zu erfüllen. Hofelich setzte sich vor allem für funktionierende Energienetze ein. Beim Verkehr sieht Maier die Zukunft in einer Vernetzung aller Verkehrsnetze, zu dem neben dem Autoverkehr auch die Schiene, der ÖPNV und die Radwege gehören. Weißenfels behauptete dass der Weiterbau der B10 mit der CDU schneller ginge, blieb aber auf Nachfrage die Antwort schuldig, warum die CDU dies in 60 Jahren Regierungsverantwortung nicht geschafft hat. Bei der Schiene sieht Weißenfels den Landkreis in der Pflicht, dass der Metropolexpress auch in den Fahrplan der VVS aufgenommen wird. Maier hält den Metropolexpress dank besserer Ausstattung (Toiletten) für besser als die S-Bahn.
In der abschließenden Diskussion wurde Simon Weißenfels noch gefragt, ob er der Weißenfels sei, der einst die Eislinger Erklärung mit verfasst habe, was dieser ohne weiteren Kommentar bestätigte. In der Eislinger Erklärung (http://www.swp.de/geislingen/lokales/geislingen/Die-Eislinger-Erklaerung-Auszuege;art5573,443737) sprach sich die Junge Union zum Beispiel gegen die Homo-Ehe, gegen Kinderkrippen und gegen muslimische Elemente in der Öffentlichkeit aus.
Auf Nachfrage bestätigte Weißenfels auch, dass die CDU die Reform des Landesjagdgesetzes und der Landesbauordnung zurücknehmen werde.
Musikalisch umrahmt wurde der Polittalk von dem Göppinger Jazzpianisten Hartmut Zeller, kabarettistisch aufgelockert durch Walter Scheck, Mitglied vom Pfaffenpfeffer.
Foto v.l.: Weißenfels, Kaess, Hofelich, Maier