Was bedeutet es, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, die einen oft nicht als dazugehörig wahrnimmt? In einer Gesellschaft, die Hautfarbe, Herkunft und Namen immer wieder als Fremdheit markiert? Was aber, wenn genau diese vermeintliche Fremdheit plötzlich eine starke Stimme bekommt – eine Stimme, die nicht nur gehört, sondern auch wertgeschätzt wird? Eine Stimme, die in Gemeinderäten, Bezirksversammlungen und sogar im Europäischen Parlament laut und deutlich für Vielfalt und Gerechtigkeit eintritt?
Die Zeiten, in denen Afrodeutsche in der Politik kaum sichtbar waren, sind vorbei.
Heute gibt es eine neue Generation von mutigen und entschlossenen Politikern, die nicht nur mitreden, sondern aktiv mitgestalten. Ihre Erfolge sind nicht nur persönliche Triumphe, sondern Meilensteine auf dem Weg zu einer gerechteren und integrativeren Gesellschaft.
Da ist Nela Riehl, die als Spitzenkandidatin der VOLT-Partei Geschichte geschrieben hat. Mit ihrem Einzug ins Europaparlament wurde sie zum Symbol einer neuen politischen Bewegung. Nela steht für feministische Außenpolitik, Menschenrechte, Bildung und soziale Gerechtigkeit. Sie ist die erste schwarze Frau, die für VOLT ins Europaparlament gewählt wurde, und ihr Erfolg zeigt, was möglich ist, wenn Mut und Überzeugung zusammenkommen. Ihre Wahl ist nicht nur ein persönlicher Erfolg, sondern auch ein Appell an alle, die sich in einer oft starren und eurozentristischen Politiklandschaft fremd fühlen: „Auch ihr gehört dazu. Auch eure Stimmen zählen“.
Ein weiteres Beispiel ist Ingrid Matano Kress, die mit ihrer Arbeit im Gemeinderat von Backnang eine Brücke zwischen den Kulturen schlägt. Sie ist eine derjenigen, die Vielfalt in die Kommunalpolitik bringt, sich für Integration einsetzt und zeigt, dass Migration kein Problem, sondern eine Bereicherung ist. Im Integrationsbeirat, im Kindergartenbeirat und im Klimaforum Backnang setzt sie sich dafür ein, dass alle Menschen eine Stimme haben und alle gehört werden. Ihr Engagement beweist: Vielfalt in der Politik heißt nicht, die Vielfalt zu ignorieren, sondern sie anzuerkennen und zu feiern.
Sidney Luna Gregor-Wielan ist mit nur 21 Jahren in die Bezirksversammlung Hamburg-Nord eingezogen. Ihre Wahl ist ein Triumph der Jugend, ein Aufruf an junge Menschen, sich einzumischen und mitzugestalten. Sie steht für eine Politik, die Menschen jeden Alters anspricht und motiviert. Sidney zeigt, dass Alter keine Grenze ist, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht. Sie ist ein Beispiel für Mut und Entschlossenheit und dafür, wie wichtig es ist, eine neue Generation von Politikern heranzuziehen, die bereit ist, frische Ideen einzubringen und verhärtete Strukturen zu hinterfragen.
Hannah Adjiewaah Arthur ist eine dieser neuen Stimmen. Mit nur 22 Jahren wurde sie in die Bezirksversammlung Hamburg-Bergedorf gewählt. Ihr Herz schlägt für Bildungsgerechtigkeit und soziale Teilhabe. Als SPD-Mitglied und Co-Vorsitzende der SPD-Frauen in Bergedorf steht sie für eine Politik, die niemanden zurücklässt. Sie zeigt, dass Politik nicht abstrakt sein muss, sondern nahbar und menschlich sein kann, wenn sie von Menschen gemacht wird, die die Probleme und Sorgen der Bürger verstehen und ernst nehmen.
Welche Vorurteile begegnen ihnen im Alltag?
Schwarze Menschen in Deutschland werden immer noch häufig als „Fremde“ wahrgenommen, als Flüchtlinge, die angeblich Arbeitsplätze wegnehmen oder von Sozialhilfe abhängig sind. Diese Vorurteile sind tief verwurzelt und werden durch einseitige Darstellungen und verzerrte Erzählungen genährt.
Gerade deshalb sind Erfolge von Menschen wie Jasmin Meergans in Stuttgart, die mit beeindruckender Stimmenzahl erneut in den Gemeinderat gewählt wurde, so wichtig. Jasmin zeigt, dass sich Schwarzsein und Deutschsein nicht ausschließen. Sie engagiert sich im Sozial- und Gesundheitsausschuss, kämpft für Gleichstellung und Jugendkultur und beweist, dass sie eine starke Stimme in der Kommunalpolitik ist, die man nicht mehr überhören kann.
Dass ihre Stimme zählt, hat auch Christelle Yobo in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte bewiesen. Sie wurde mit großem Engagement und starkem Willen gewählt und hat sich einen Platz in der oft so verschlossen wirkenden Politik erobert. Ihre Wahl ist ein Zeichen des Fortschritts und ein Hoffnungsstrahl für alle, die daran glauben, dass Engagement und Beharrlichkeit die Welt verändern können.
Die Hochschuldozentin Vera Sompon (Foto), die seit 2017 in Ebersbach lebt, hat die Wahl als Stadträtin und Kreisrätin mit einer hohen Stimmenzahl gewonnen. Sie ist nicht nur anerkannte Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin, sondern auch Sozialunternehmerin. Sie gründete 2009 den Verein Sompon Socialservices Baden-Württemberg mit dem Ziel, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte rassismuskritisch und kultursensibel zu beraten, zu begleiten und zu betreuen, sie in Arbeit zu bringen und Chancen zu schaffen, wo andere nur Probleme sehen. Ihre Arbeit mit Sompon Socialservices zeigt, wie man aus jeder Herausforderung eine Chance machen kann und macht sie zu einem Vorbild für soziales Engagement und gesellschaftliche Mitgestaltung.
Auch Catherine Nzimbu Mpanu-Mpanu-Plato aus Fellbach und Njeri Kinyangui aus Reutlingen zeigen, dass Schwarze deutsche Frauen in der deutschen Politik angekommen sind. Catherine Nzimbu, Gemeinderätin und Vereinsgründerin, kämpft für globale Gerechtigkeit und Bildung. Njeri, die als Gemeinderätin in Reutlingen wiedergewählt wurde, steht für die Integration von Migranten und eine bessere Finanz- und Wirtschaftspolitik. Beide beweisen, dass Engagement keine Grenzen kennt und dass die Zukunft nur gerecht sein kann, wenn alle mitgestalten können.
Diese Menschen verändern das Selbstbild Deutschlands. Sie sind der lebende Beweis dafür, dass sich Schwarzsein und Deutschsein nicht ausschließen. Ihre Geschichten erzählen von Mut, Entschlossenheit und dem festen Willen, nicht nur akzeptiert, sondern auch gehört zu werden. Sie verdeutlichen, dass Politik nicht nur für einige gemacht wird, sondern für uns alle.
Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, die diese Vielfalt nicht nur toleriert, sondern als ihre größte Stärke feiert. Eine Gesellschaft, die erkennt, dass ihre Zukunft davon abhängt, wie gut es ihr gelingt, aus vielen Perspektiven eine Einheit zu formen. Diese Persönlichkeiten zeigen uns, dass diese Zukunft bereits begonnen hat – und dass wir alle ein Teil davon sein können, wenn wir nur wollen. Ihre Erfolge rufen uns zu: Mitgestalten statt jammern!
Vera Sompon