Im Austausch mit den Vereinen und Verbänden der Jugendarbeit im Landkreis Göppingen stellt sich heraus: Ehrenamtliche in der Jugendarbeit können sich 10 Tage pro Jahr unbezahlt freistellen lassen. Das „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit“ machts möglich.
Aus Sicht der Ehrenamtlichen besteht aber Verbesserungsbedarf. In anderen Bundesländern wird mehr unterstützt.
Das „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts in der Jugendarbeit“ zeugt aus Sicht der Jugendverbände von einer wichtigen Haltung: Dass das Ehrenamt in der Jugendarbeit besonderer Förderung bedarf. Silas Böttcher, Bildungsreferent beim Kreisjugendring: „In die unverzichtbaren und reichhaltigen Angebote der Jugendarbeit sind eine Vielzahl von wichtigen Lern- und Entwicklungsprozessen eingebettet: Selbstwert- und Selbstwirksamkeitserfahrungen werden ermöglicht, die Wahrnehmung und Achtung persönlicher Grenzen eingeübt, Kooperations-, Konflikt- und Teamfähigkeit sowie Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse trainiert. Das Ergebnis sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die bereit sind an vielen unterschiedlichen Stellen Verantwortung zu übernehmen und die mitbauen an einer demokratisch gesinnten, solidarischen, vielfältigen und zukunftsfähigen Gesellschaft. Dazu werden Angebote geplant, umgesetzt und weiterentwickelt, Material beschafft und gewartet, Beziehungen und Gespräche initiiert und Menschen angeleitet, weitergebildet und begleitet. Das tun viele engagierte Menschen in unserem Land in ungezählten Stunden, freiwillig, ehrenamtlich und ohne Lohn. Auch die durch das angesprochene Gesetz ermöglichte Freistellung erfolgt unbezahlt“.
Im Austausch mit Engagierten aus dem Landkreis, auch bei den zahlreichen Freizeitenbesuchen im letzten Jahr, erfuhr der Kreisjugendring dazu folgendes:
Die Freistellung erfolgt in den einigen Fällen unkompliziert und regelmäßig. Arbeitgeber sind hin und wieder (verständlicherweise) nicht erfreut, handeln aber häufig dem Rechtsanspruch gemäß. Viele andere nehmen keinen Sonderurlaub, um den Ausbildungsbetrieb/Arbeitgeber nicht zu verärgern.
Die Durchsetzung des Rechtsanspruchs wäre für die Berechtigten innerhalb des Betriebs/Unternehmens mit negativen Folgen verbunden. Der Rechtsanspruch existiert, ist aber für viele ein „zahnloser Tiger“.
Auszubildende können sich nur 5 Tage pro Jahr freistellen lassen, ansonsten greifen in vielen Fällen Fehltageregelungen, die den Abschluss der Ausbildung zum Regeltermin verhindern. Kommen Fehltage durch Krankheit dazu, wird der Abschluss der Ausbildung ebenfalls gefährdet. Das führt dazu, dass viele Ehrenamtliche in Ausbildung den ihnen zur Erholung zustehenden gesetzlichen Urlaubsanspruch für die Ausübung ihres Ehrenamts verwenden. Studierende können häufig die Semesterferien für ihr Engagement während der Sommerferien nutzen, können allerdings in dieser Zeit auch keine Nebenjobs ausüben. In Zeiten steigender Zinsen für Studienkredite und gestiegener und steigender Lebenshaltungskosten ein Dilemma, dass häufig zu Lasten des Ehrenamts aufgelöst wird.
Langjährig Engagierte, die sich über lange Zeiträume jedes Jahr die vollen 10 Tage von der Arbeit freistellen lassen, erhalten dadurch Nachteile. So fehlt Angestellten bereits nach 37 Jahren ein ganzes Jahr Rentenansprüche, weil für diese Zeit keine Einzahlungen in die gesetzliche Rente erfolgen. Im Extremfall führt das dazu, dass jemandem beim Renteneintritt wegen seines Engagements die Ansprüche fehlen, die den Unterschied zwischen Auszahlung der gesetzlichen Rente zusammen mit kapitalgedeckter Altersvorsorge und Grundsicherung mit Anrechnung von privater Vorsorge ausmachen.
Engagierte berichten, dass die Freistellung in der Buchhaltung ihres Arbeitgebers als Fehltage (wie Krankentage) verbucht wird, so dass Ehrenamtlichen dann Bonuszahlungen im Beruf entgehen.
Folgende Forderungen ergeben sich von Seiten der Jugendarbeit daraus an die Politik:
Ehrenamtliches Engagement von Auszubildenden darf nicht gehemmt werden. Der gesetzlich und/oder tariflich geregelte Erholungsurlaub ist nicht für (in vielen Fällen) Vollzeitarbeit im Ehrenamt da.
Setzen sie sich bitte dafür ein, dass junge Menschen ihr häufig in der Schulzeit begonnenes Ehrenamt in gleicher Intensität auch während der Ausbildung fortsetzen können!
Setzen sie sich bitte für eine Änderung der Regelung, nach der Freistellungen für das Ehrenamt in der Jugendarbeit Fehltage für Auszubildende verursachen, ein!
Ehrenamtliches Engagement, gerade wenn es verbindlich, langjährig und regelmäßig erfolgt, darf nicht renten- und gehaltsschädlich sein! Setzen sie sich bitte für eine Behebung dieses Missstands
ein!
Setzen sie sich bitte dafür ein, dass langjähriges ehrenamtliches Engagement Steuer- und Rentenboni für die Engagierten auslöst.
Setzen sie sich bitte dafür ein, dass die gesetzlichen Grundlagen nur eine buchhalterische Behandlung wie bei Erholungsurlaub ermöglichen!
In Bayern wird Verdienstausfall bei Freistellung für „Maßnahmen zur Aus- und Fortbildung von ehrenamtlichen Jugendleiterinnen und Jugendleitern sowie für die Teilnahme als ehrenamtliche:r Funktionsträger:in an Tagungen oder Veranstaltungen von Jugendorganisationen, die mittelbar oder unmittelbar der Vorbereitung von Maßnahmen der Aus- und Fortbildung für die Tätigkeit in der Jugendarbeit dienen“ in Höhe des Bruttogehalts gewährt. In Brandenburg gibt es eine ähnliche Regelung. Setzen sie sich bitte für eine umfassende Gewährung von Verdienstausfall auch in Baden-Württemberg ein und stellen sie die Mittel dafür bereit!
Der Kreisjugendring Göppingen e.V. ist Arbeitsgemeinschaft und Dachverband von 43 Jugendverbänden und Vereinen auf Kreisebene und damit auch über 330 Vereinen und Verbänden auf Ortsebene im Landkreis Göppingen. Als Dachorganisation versteht er seine Arbeit als Interessenvertreter der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit und darüber hinaus auch nichtorganisierter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener im Landkreis Göppingen. Er vertritt damit die Interessen von mehr als 28.000 Kindern und Jugendlichen.
PM Kreisjugendring Göppingen