Wer schwäbisch schwätzt, hat es oft schwer. Jahrzehntelang galt Dialekt als „falsches“ oder „unschönes“ Deutsch, das Kindern oft bereits in der Schule abtrainiert wurde. Das beste Deutsch, so lautet eine nach wie vor weit verbreitete Überzeugung, spricht man in Hannover.
„Völliger Unsinn“, sagt Hubert Klausmann, Professor am Tübinger Ludwig-Uhland-Institut. Beim Schwäbischen Abend am 20. Oktober im Sparkassen-Forum der Kreissparkasse Göppingen brach der
Sprachwissenschaftler und Dialektforscher eine Lanze für die sprachliche Vielfalt im Land – und sparte nicht mit Kritik: Zum Beispiel am SWR, wo eine Angst vor dem Ä-Laut grassiere. Dort sei vom „Schweebischen Wald“, von „Steeten“ und „Treckern“ die Rede.
Inhaltlich finde eine ernsthafte Auseinandersetzung mit schwäbischen Künstlerinnen und Künstlern kaum statt. In den Spielfilmen des Senders seien Dialektsprechende in der Regel nicht die Hellsten.
Auch Lehrerinnen und Lehrer hätten in der Vergangenheit wenig Verständnis gezeigt. Eindrucksvoll demonstrierte Klausmann dies anhand einer Strafarbeitsseite. In feiner Kinderschrift stand dort Zeile um Zeile zu lesen: „Ich soll nicht schwäbisch sprechen.“
Die Folgen solcher Diffamierungen sind gravierend: Von 13.000 Kindern der Klassen eins und zwei in Baden-Württemberg sprechen nur noch 15,3 Prozent den Ortsdialekt. Am meisten sind es noch im Landkreis Sigmaringen und im Ostalbkreis. Die alemannischen und fränkischen Dialekte in Baden-Württemberg verschwinden hingegen zunehmend. „Die Umgebung spielt eine entscheidende Rolle“, so
Klausmann. Wo Lehrerinnen und Lehrer zumindest privat noch Dialekt sprechen, gelinge dies auch den Kindern leichter.
Um die Vielfalt der oberdeutschen Dialekte zu erforschen, fahren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tübinger Ludwig-Uhland-Instituts über Land. Anhand von Fragebögen wird erfasst, wo die Ziege „Goiß“ heißt und wo von einer „Gaaß“ oder einer „Gais“ die Rede ist. 450 Sprachkarten sind auf diese Weise entstanden, von denen Klausmann etliche präsentierte. Anhand der feinen Unterschiede lassen sich Dialektgrenzen aufzeigen. So verläuft die Grenze zwischen dem alemannischen und fränkischen Dialekt exakt entlang eines Baches zwischen Crailsheim und Ellwangen. Solche Grenzen seien bis heute „Bewusstseinsgrenzen“, erläuterte Klausmann. In Crailsheim habe man nichts gegen die Ellwangener,
„aber man geht da nicht hin“.
Übrigens: Nicht alles Nicht-Hochdeutsche ist automatisch Dialekt. Klausmann definierte hier verschiedene Zwischenstufen. Neben den Ortsdialekten existieren auch regionale Standardsprachen. Ob man „Ich habe“, „Ich hab’“, I hab“ oder „I han“ sagt, hängt von der Situation ab. Die meisten Dialektsprecherinnen und -sprecher wechseln mühelos von einer Ebene zur anderen.
Die rund 180 Besucherinnen und Besucher des Schwäbischen Abends folgten Klausmanns Ausführungen mit großem Interesse. Das hat beim Schwäbischen Abend bereits Tradition. Hariolf Teufel, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Göppingen, zählte in seinem Grußwort eine ganze Reihe prominenter Referenten auf, die bereits zu Gast waren: So standen unter anderem Ivo Gönner, Schultes der Stadt Ulm, Ministerpräsident Wilfried Kretschmann und zuletzt der ehemalige Justizminister Guido Wolf am Rednerpult. Die Reihe selbst geht auf eine gemeinsame Initiative des Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse zusammen mit Hubert Wicker, dem Vorsitzenden des Fördervereins Schwäbischer Dialekt,
zurück. Ziel des Vereins ist es, den Dialekt zu erhalten und seine Verbreitung zu fördern. Der Schwäbische Abend hat dazu sicherlich auch sein Scherflein beigetragen.
Foto (Kreissparkasse Göppingen / Paule): von links: Hubert Wicker Vorsitzender des Fördervereins Schwäbischer Dialekt, Prof. Dr. Hubert Klausmann Professor am Tübinger Ludwig-Uhland-Institut, Dr. Hariolf Teufel Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Göppingen, Ayla Cataltepe Landtagsabgeordnete (Bündnis 90/Die Grünen).
PM Kreissparkasse Göppingen